Entscheidungsstichwort (Thema)

Bekanntgabe an Feststellungsbeteiligte

 

Leitsatz (NV)

1. Bei der Bekanntgabe eines Gewinnfeststellungsbescheids an den Empfangsbevollmächtigten mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten genügt es, wenn der sich hierauf beziehende Hinweis gemäß § 183 Abs. 1 Satz 5 AO 1977 in der Rechtsmittelbelehrung des zugesandten Bescheids wiedergegeben ist.

2. Bescheide ergehen dann formularmäßig im Sinne des § 119 Abs. 4 FGO, wenn dabei ein auf den Fall passendes Formular verwendet und ohne wesentliche Abänderung oder Ergänzung von Ermessenserwägungen ausgefüllt wird. Die Beifügung kurzer Erläuterungen in dem dafür auf dem Formular vorgesehenen Freiraum von wenigen Zeilen steht der Formularmäßigkeit nicht entgegen.

3. Die Tatsache, daß sich ein Feststellungsbeteiligter bei der Einreichung der Gewinnfeststellungserklärung im Namen der Feststellungsbeteiligten als Empfangsbevollmächtigter benannt hatte, nimmt dem schon zuvor mitwirkenden Steuerberater nicht seine Legitimation, im Einspruchsverfahren als Vertreter der Klägerin aufzutreten.

 

Normenkette

AO 1977 § 183 Abs. 1 S. 5, § 124 Abs. 1, § 155 Abs. 1, § 119 Abs. 4, § 80

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Erbengemeinschaft und wendet sich gegen die vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) vorgenommene Hinzurechnung von Tätigkeitsvergütungen zweier Miterben zum Gewinn aus ihrem (der Klägerin) Gewerbebetrieb.

Der angefochtene Bescheid vom 17. Dezember 1980 über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung 1978 wurde vom FA unter Verwendung des Berechnungsbogenformulars ESt 2 B und des Ausfertigungsformulars ESt 3 B im Durchschreibeverfahren hergestellt und an die in der Erklärung bezeichnete Empfangsbevollmächtigte ausdrücklich für die Klägerin adressiert. In der hierfür durch sieben vorgedruckte Leerzeilen bestimmten Rubrik ,,Begründnung und Nebenbestimmungen" wurden die Gewinnberechnung und die Hinzurechnung der Vorwegvergütungen kurz angeführt und erläutert.

Die Bescheidsausfertigung enthält im Abschnitt ,,Rechtsbehelfsbelehrung" formularmäßig den Hinweis: ,,Der Feststellungsbescheid ergeht mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten." Eine Unterschrift oder Namenswiedergabe des Sachbearbeiters ist nicht vorhanden.

Der Berechnungsbogen enthält anstelle der Rechtsbehelfsbelehrung auf der Rückseite formularmäßig u.a. einen Verfügungsteil mit der vorgedruckten Rubrik: ,,4. a) Der Feststellungsbescheid (ESt 3 B) ist zu adressieren an: . . .". Hierunter hat der Sachbearbeiter, der den Bogen auch abgezeichnet hat, eingetragen: ,,s. Anschrift".

Der durch den Prozeßbevollmächtigten namens seiner Mandanten mit Schreiben vom 16. Januar 1981 eingelegte Einspruch wurde durch Einspruchsentscheidung des FA vom 5. Februar 1981 als unbegründet zurückgewiesen. Die Einspruchsentscheidung wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin für diese gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin beantragt, die Tätigkeitsvergütungen zweier Miterben nicht dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen.

Das FA hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Finanzgericht (FG) hat den angefochtenen Bescheid und die Einspruchsentscheidung aus formellen Gründen aufgehoben. Der Gewinnfeststellungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung sei nichtig, weil ihm nicht der Hinweis beigefügt worden sei, daß die Bekanntgabe mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten erfolge (§ 183 Abs. 1 Satz 5 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Das Anbringen des Vermerkes in der Rechtsbehelfsbelehrung der Ausfertigung genüge den Anforderungen nicht.

Die Bekanntgabe des Feststellungsbescheids ohne Unterschrift oder Namenswiedergabe verstoße gegen § 119 Abs. 3 AO 1977. Die Einspruchsentscheidung habe auch deshalb nicht wirksam werden können, weil die Zustellung in nur einer Ausfertigung an den Prozeßbevollmächtigten - nicht die Zustellungsbevollmächtigte - erfolgt sei und sich die Miterben nicht gegenseitig zur Empfangnahme bevollmächtigt hätten.

Das FA rügt mit seiner - vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen - Revision eine unrichtige Anwendung der Vorschriften über Verwaltungsakte, insbesondere deren Bekanntgabe, und beantragt, den als Urteil wirkenden Vorbescheid des FG aufzuheben und den Rechtsstreit an das FG zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Auf die zulässige und begründete Revision ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Entgegen der Ansicht des FG genügt es, wenn bei der Bekanntgabe (§§ 124 Abs. 1, 155 Abs. 2 AO 1977) eines Gewinnfeststellungsbescheids an den Empfangsbevollmächtigten mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten der sich hierauf beziehende Hinweis gemäß § 183 Abs. 1 Satz 5 AO 1977 in der Rechtsmittelbelehrung des zugesandten Bescheids wiedergegeben ist (Urteile des BFH vom 26. August 1982 IV R 31/82, BFHE 136, 351, BStBl II 1983, 23; vom 23. Juli 1985 VIII R 315/82, BFHE 145, 104, BStBl II 1986, 123; vom 28. Januar 1986 VIII R 290/81, nicht veröffentlicht - Aufhebung des im vorliegenden Fall vom FG angeführten Urteils des FG Düsseldorf vom 21. Mai 1981 I 503/77 F, Entscheidungen der Finanzgerichte 1981, 544 -).

Entgegen der Auffassung des FG bedurfte es bei der Bekanntgabe des Gewinnfeststellungsbescheids keiner Unterschrift oder Namenswiedergabe gemäß § 119 Abs. 3 FGO. Der Bescheid wurde nämlich formularmäßig i.S. von § 119 Abs. 4 FGO erlassen (zu formularmäßigen Feststellungsbescheiden siehe Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 119 AO 1977 Rdnr. 4 am Ende). Bescheide ergehen dann formularmäßig, wenn dabei ein auf den Fall passendes Formular verwendet und ohne wesentliche Abänderung oder Ergänzung von Ermessenserwägungen ausgefüllt wird (BFH-Urteil vom 18. Juli 1985 VI R 41/81, BFHE 144, 240 BStBl II 1986, 169; Tipke/Kruse, a.a.O.; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 119 AO 1977 Rdnr. 20a). Die Beifügung kurzer Erläuterungen in dem dafür auf dem Formular vorgesehenen Freiraum von wenigen Zeilen steht der formularmäßigen Entstehung des Gewinnfeststellungsbescheids i.S. von § 119 Abs. 4 AO 1977 dementsprechend noch nicht entgegen.

Soweit das FG ein Wirksamwerden der Einspruchsentscheidung wegen Zustellung nur einer Ausfertigung an den Prozeßbevollmächtigten verneint (mangels einer entsprechenden Bevollmächtigung seitens der Miterben), können dem angefochtenen Urteil keine hinreichenden Feststellungen hierzu entnommen werden. Die Tatsache, daß sich eine Miterbin bei der Einreichung der Gewinnfeststellungserklärung im Namen der Klägerin als Empfangsbevollmächtigte benannt hatte, nimmt dem schon zuvor mitwirkenden Prozeßbevollmächtigten nicht seine Legitimation, im Einspruchsverfahren als Vertreter der Klägerin aufzutreten. Eine bestimmte Form für die Bevollmächtigung nach § 183 und § 80 AO 1977 ist nicht erforderlich (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 183 AO 1977 Rdnr. 9 und § 80 AO 1977 Rdnr. 3).

 

Fundstellen

Haufe-Index 415106

BFH/NV 1988, 3

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