Entscheidungsstichwort (Thema)

Bekanntgabe an Feststellungsbeteiligte

 

Leitsatz (NV)

1. Bei der Bekanntgabe eines Gewinnfeststellungsbescheids an den Empfangsbevollmächtigten mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten genügt es, wenn der sich hierauf beziehende Hinweis gemäß § 219 Abs. 1 Satz 3 AO (jetzt § 183 Abs. 1 Satz 5 AO 1977) in der Rechtsmittelbelehrung des zugesandten Bescheids wiedergegeben ist.

2. Vor dem Inkrafttreten der AO 1977 brauchte der Hinweis nach § 219 Abs. 1 AO (jetzt § 183 Abs. 1 Satz 5 AO 1977) in der damals maßgeblichen Urschrift des Verwaltungsakts nicht enthalten zu sein. Es genügte, wenn sich aus der Aktenverfügung ergab, wem der Feststellungsbescheid zugestellt worden war.

 

Normenkette

AO § 219 Abs. 1; AO 1977 § 183 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine gewerbliche Gesellschaft bürgerlichen Rechts, wies in ihrer Gewinn- und Verlustrechnung für das Streitjahr 1970 einen Verlust aus der Entnahme eines Grundstücks aus.

Unter Berücksichtigung eines Weiterveräußerungserlöses schätzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) den Entnahmewert des Grundstücks und kam so zu einem Entnahmegewinn von . . . DM. Diesen Betrag legte das FA unter alleiniger Zurechnung auf den Juniorgesellschafter dem angefochtenen einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid vom 20. September 1973 zugrunde.

Für die Originalaktenverfügung verwendete das FA ein Berechnungsbogenformular mit der Bezeichnung ,,ESt 2 B". In diesem Formular heißt es auf der Rückseite unter ,,D. Verfügung": ,,4. a) Der Feststellungsbescheid (ESt 3 B) ist zu richten an . . . (Zustellungsvertreter - § 219 AO) . . .". In diese Rubrik trug der Sachbearbeiter Name und Anschrift des Zustellungsbevollmächtigten ein. Das dort erwähnte, für die Ausfertigung des Bescheids an den Zustellungsbevollmächtigten verwendete Formular ,,ESt 3 B" enthält zwar nicht im Kopf, sondern auf der Rückseite unter der Überschrift ,,C. Rechtsbehelfsbelehrung" den Hinweis: ,,Der Feststellungsbescheid hat Wirkung für und gegen alle Beteiligten . . ."

Den an die Klägerin gerichteten Bescheid übersandte das FA an deren seinerzeit noch lebenden Seniorgesellschafter, der in der Gewinnfeststellungserklärung als Zustellungsbevollmächtigter bezeichnet worden war.

Den von der Klägerin eingelegten Einspruch wies das FA nach weiteren Ermittlungen als unbegründet zurück.

Mit ihrer Anfechtungsklage hat die Klägerin ihren Standpunkt zur Bewertungsfrage vorgetragen und beantragt, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung und Änderung des angefochtenen Bescheides den Gewinn des Streitjahres auf . . . festzustellen.

Das FA hat Klagabweisung beantragt und ist den Ausführungen der Klägerin entgegengetreten.

Das Finanzgericht (FG) hat den angefochtenen einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid vom 20. September 1973 und die Einspruchsentscheidung vom 8. August 1979 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt: Die Bescheide seien nichtig. Maßgeblich für den Inhalt eines Steuerbescheides sei grundsätzlich die Aktenverfügung, auch wenn die dem Adressaten übersandte Ausfertigung hiervon abweiche. Ausweislich der Akten sei dem angefochtenen Bescheid nicht der Hinweis beigefügt, daß die Bekanntgabe mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten erfolge (§ 219 Abs. 1 Satz 3 der Reichsabgabenordnung - AO -, jetzt § 183 Abs. 1 Satz 5 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Dieser Hinweis sei unverzichtbare Wirksamkeitsvoraussetzung der Bekanntgabe. Der angefochtene Bescheid sei auch gegenüber dem Seniorgesellschafter unwirksam (nichtig), weil ein Einkommensteuerbescheid als einheitlicher Bescheid mit mehreren Adressaten nicht teilweise (un-)wirksam sein könne. Die Unwirksamkeit habe auch durch die Einspruchsentscheidung nicht geheilt werden können.

Das FA rügt mit seiner Revision eine unrichtige Anwendung der Vorschriften über Steuerbescheide und deren Bekanntgabe. Es liege weder eine Rechtswidrigkeit noch eine Nichtigkeit vor. Im übrigen habe das FG verkannt, daß über die angestellten Wertermittlungen hinaus ein schriftliches Gutachten des Gutachterausschusses gemäß der abschließenden Regelung in § 136 des Bundesbaugesetzes (BBauG) nicht durch die Finanzverwaltung im Vorverfahren, sondern erst durch die Gerichte eingeholt werden könne.

Das FA beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig und begründet.

Entgegen der Auffassung des FG ist der Gewinnfeststellungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung nicht wegen Fehlens eines ausdrücklichen Hinweises in der Originalverfügung auf die Bekanntgabe mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten rechtswidrig oder gar nichtig.

Abgesehen von der Unschädlichkeit der unterlassenen Bekanntgabe an einen Feststellungsbeteiligten für die Wirksamkeit des Feststellungsbescheides gegenüber dem übrigen Beteiligten, dem die Ausfertigung durch das FA unmittelbar zugesandt wurde (Urteile des BFH vom 22. September 1982 IV R 118/80, nicht veröffentlicht - NV -; vom 25. September 1985 IX B 21/85, NV), liegt hier insoweit kein Fehler vor.

Das FA hat die Zusendung des Feststellungsbescheides an den seinerzeitigen Zustellungsbevollmächtigten mit Wirkung für und gegen alle Gesellschafter bzw. Feststellungsbeteiligten gemäß § 219 Abs. 1 Satz 3 AO (jetzt § 183 Abs. 1 Satz 5 AO 1977) verfügt.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist für diese Wirkung der entsprechende Hinweis in der Rechtsmittelbelehrung des dem Zustellungsbevollmächtigten zugesandten Gewinnfeststellungsbescheids ausreichend (Urteile vom 26. August 1982 IV R 31/82, BFHE 136, 351, BStBl II 1983, 23; vom 23. Juli 1985 VIII R 315/82, BFHE 145, 104, BStBl II 1986, 123).

Die Wirksamkeit der Bekanntgabe des Gewinnfeststellungsbescheids an die Klägerin kann auch nicht mit der Erwägung in Zweifel gezogen werden, daß der Hinweis i.S. des § 219 Abs. 1 Satz 3 AO nur in der dem Zustellungsbevollmächtigten zugesandten Ausfertigung des Bescheids, nicht aber in der bei den Akten befindlichen Urschrift des Feststellungsbescheids ausdrücklich enthalten war.

Zwar ist es richtig, daß vor dem Inkrafttreten der AO 1977 das Wesentliche an einem Steuerbescheid (Feststellungsbescheid) nicht seine Bekanntgabe, sondern die verwaltungsinterne Beschlußfassung über die Festsetzung der Steuer (der Besteuerungsgrundlagen) war. Als Bescheid war deshalb nach ständiger Rechtsprechung die bei den Akten befindliche Urschrift des Verwaltungsaktes anzusehen (BFH-Urteile vom 26. Juli 1974 III R 94/73, BFHE 113, 164, BStBl II 1974, 725, und vom 7. Juli 1978 VI R 211/75, BFHE 125, 347, BStBl II 1978, 575, m.w.N.). Deckte sich der Inhalt der bekanntgegebenen Ausfertigung nicht mit der Urschrift, so war der Inhalt der Aktenverfügung maßgeblich. Der Hinweis nach § 219 Abs. 1 AO gehörte jedoch nicht zur Beschlußfassung über die einheitlich und gesondert festzustellenden Besteuerungsgrundlagen, sondern betraf nur das Verfahren der Bekanntgabe. Es war deshalb auch nicht erforderlich, daß dieser Hinweis in der Aktenverfügung enthalten war. Es genügte, wenn sich aus der Aktenverfügung ergab, wem der Gewinnfeststellungsbescheid zugestellt worden war (BFH-Urteil vom 28. Januar 1986 VIII R 290/81, NV - Aufhebung des Urteils des FG Düsseldorf vom 21. Mai 1981 I 503/77 F, Entscheidungen der Finanzgerichte 1981, 544 -). Diese Voraussetzung ist im Streitfall, auf den § 124 Abs. 1 Satz 2 und § 155 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 noch nicht anwendbar sind, erfüllt, da aus dem Verfügungsteil des von der Vorinstanz in Bezug genommenen Bescheids hervorgeht, daß der Feststellungsbescheid ,,(ESt 3 B)" an den dort bezeichneten Seniorgesellschafter als Zustellungsvertreter gerichtet werden sollte.

Im übrigen nahm die Aktenverfügung ,,ESt 2 B" unter Punkt D. 4. a Bezug auf das im Durchschreibeverfahren verwendete Ausfertigungsformular ,,ESt 3 B", worin unter der Überschrift Rechtsbehelfsbelehrung der Hinweis betreffend die Wirkung des Feststellungsbescheids für und gegen alle Beteiligten enthalten war.

Da das FG zur Frage der Grundstücksbewertung selbst keine abschließenden Feststellungen getroffen hat, ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuverweisen, das sodann auch über die Kosten gemäß § 143 Abs. 2 FGO zu entscheiden hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415105

BFH/NV 1988, 4

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