Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässige Beschwerde erfordert einen Antrag und eine Mindestbegründung

 

Leitsatz (NV)

1. Eine zulässige Beschwerde muß nicht nur die angefochtene Entscheidung eindeutig kennzeichnen, sondern auch das Begehren erkennen lassen.

2. Fehlt einer Beschwerde der genaue Antrag und eine Mindestbegründung, so ist sie unzulässig.

 

Normenkette

FGO §§ 120, 128

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erhob vor dem Finanzgericht (FG) eine Untätigkeitsklage gegen den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) wegen Lohnsteuer-Jahresausgleich 1989. Die Klage wurde als Untätigkeitsklage erhoben und u. a. mit der Verfassungswidrigkeit des § 32 b des Einkommensteuergesetzes begründet.

In der Sache anberaumte der Vorsitzende des ... Senats des FG Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 2. Oktober 1991 10.20 Uhr. Die Ladung wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 4. September 1991 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 6. September 1991 -- Eingang beim FG am 23. September 1991 -- beantragte die Klägerin Akteneinsicht und Vertagung des Termins vom 2. Oktober 1991. Durch Schreiben vom 24. September 1991 teilte der Vorsitzende des ... Senats des FG dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin mit, er könne am 27. September 1991 in der Geschäftsstelle des FG Akteneinsicht nehmen. Den Vertagungsantrag lehnte er ab.

Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin erneuerte mit zwei Schreiben vom 4. September 1991 (Eingang beim FG am 25. September 1991) und vom 1. Oktober 1991 (Eingang beim FG am 2. Oktober 1991) den Vertagungsantrag. Das FG führte die mündliche Verhandlung, an der für die Klägerin niemand teilnahm, am 2. Oktober 1991 durch. Es lehnte sowohl die Vertagung der Sache als auch die Aussetzung des Verfahrens ab. Nach Beratung wies das FG die Klage der Klägerin ab. Das Urteil vom 2. Oktober 1991 und die Beschlüsse vom 24. September und 1. Oktober 1991 über die Ablehnung der Terminsverlegung wurden dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 31. Oktober 1991 zugestellt.

Die Klägerin legte am Montag, dem 2. Dezember 1991, beim FG Nichtzulassungsbeschwerde ein. Gleichzeitig lehnte sie in der Beschwerdesache den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht A und die Richter am Finanzgericht B, C und D wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung bezog sie sich u. a. auf Vorkommnisse in einem beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängigen Verfahren sowie in anderen Parallelverfahren, in denen Termin zur mündlichen Verhandlung in der Zeit vom 30. September 1991 bis zum 3. Oktober 1991 anberaumt worden war.

Das FG verwarf das entsprechende Gesuch durch Beschluß vom 17. Dezember 1991 als mißbräuchlich. An dem Beschluß wirkten der Vorsitzende Richter am Finanzgericht A und die Richter am Finanzgericht B und C mit. Er wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 19. Dezember 1991 zugestellt.

Gegen den Beschluß richtet sich die mit Datum vom 23. Dezember 1991 eingelegte Beschwerde, die beim FG am 26. Dezember 1991 einging. Die Klägerin beantragte, ihr für die Begründung der Beschwerde stillschweigend eine Frist bis zum 31. März 1992 einzuräumen. Vorläufig beziehe sie sich auf die Ausführungen in dem die Nichtzulassung der Revision betreffenden Beschwerdeschriftsatz vom 30. November 1991 (Nr. 6 Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit). Das FG half der Beschwerde nicht ab. Der Nichtabhilfebeschluß ist von dem Vorsitzenden Richter am Finanzgericht A und den Richtern am Finanzgericht B und C gefaßt.

Mit Schriftsatz vom 22. August 1992 beantragte die Klägerin die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens, bis das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsbeschwerden 2 BvR 1126--1138/92 entschieden habe. Ihnen lägen vergleichbare Entscheidungen des ... Senats des BFH zugrunde. Der erkennende Senat hat dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben seiner Geschäftsstelle vom 13. Juni 1995 mitteilen lassen, daß er beabsichtige, alsbald über die Beschwerde zu entscheiden. Der Klägerin wurde anheimgestellt, bis zum 20. Juli 1995 abschließend Stellung zu nehmen. Eine Stellungnahme ist nicht eingegangen.

Die Klägerin hat keinen genauen Antrag gestellt.

Das FA hat bisher auf eine Stellungnahme verzichtet, da die angekündigte Beschwerdebegründung noch nicht vorliege.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Sie war deshalb durch Beschluß zu verwerfen.

Zwar ist die Beschwerde statthaft (vgl. Geist in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 128 FGO, Rdnr. 11). Sie ist jedoch wegen Fehlens eines genauen Antrages und einer Mindestbegründung unzulässig und deshalb zu verwerfen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Zwar enthält die FGO keine Vorschriften über den Mindestinhalt einer Beschwerde i. S. des § 128 FGO. Auch kann dem § 120 Abs. 2 FGO kein Begründungszwang entnommen werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 25. April 1968 VI B 47/67, BFHE 92, 469, BStBl II 1968, 608; vom 21. August 1974 II B 9/74, BFHE 113, 96, BStBl II 1974, 717; vom 15. November 1988 II B 154/88, BFH/NV 1989, 735). Die Einreichung einer Beschwerdebegründung ist auch an keine bestimmte Frist gebunden. Jedoch folgt aus den allgemeinen Überlegungen zum Rechtsschutzbedürfnis und zur Geltendmachung einer Beschwer, daß jede Beschwerde einen bestimmten Mindestinhalt haben muß (vgl. Geist, a. a. O., § 129 FGO, Rdnr. 5). Sie muß nicht nur die angefochtene Entscheidung eindeutig kennzeichnen (vgl. BFH in BFHE 113, 96, BStBl II 1974, 717), sondern auch das Begehren erkennen lassen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 15. Februar 1989 V B 98/88, BFH/NV 1989, 649; vom 21. Februar 1989 V B 1/89, BFH/NV 1990, 508). Dies gilt insbesondere dann, wenn -- wie im Streitfall -- die Annahme einer fortbestehenden Beschwer zweifelhaft ist, weil das Verfahren abgeschlossen ist, an dem die Richter mitwirkten, deren Befangenheit geltend gemacht wird.

Im Streitfall fehlt es sowohl an einem genauen Antrag als auch an einer Mindestbegründung der Beschwerde. Der Hinweis im Schriftsatz vom 23. Dezember 1991 auf die Nichtzulassungsbeschwerde ersetzt die Begründung der Beschwerde nicht. Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist vor dem angefochtenen Beschluß vom 17. Dezember 1991 abgefaßt worden und setzt sich mit dessen Begründung nicht auseinander. Außerdem betrifft sie Vorgänge, die mit dem anhängigen Verfahren nichts zu tun haben. Fehlt es aber im Streitfall sowohl an einem genauen Antrag als auch an jeder Beschwerdebegründung, so sind die Mindestvoraussetzungen nicht erfüllt, die an eine Beschwerde gemäß § 128 FGO zu stellen sind. Sie war deshalb als unzulässig zu verwerfen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420948

BFH/NV 1996, 225

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