Leitsatz (amtlich)

1. In der Beschwerdeschrift muß die Entscheidung, gegen die sich die Beschwerde richten soll, eindeutig bezeichnet sein.

2. Richtet sich die Beschwerde nach dem objektiven Inhalt der Beschwerdeschrift eindeutig gegen eine bestimmte Entscheidung, so kommt eine Umdeutung dahin, daß eine vom Beschwerdeführer nach Ablauf der Beschwerdefrist bezeichnete andere Entscheidung Beschwerdegegenstand sein soll, nicht in Betracht.

 

Normenkette

FGO §§ 128-129

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer hatte gegen einen Grunderwerbsteuerbescheid des FA (Beschwerdegegner) im Mai 1970 Klage erhoben (Geschäftszeichen des FG: V 81/70) und im Juli 1971 bei dem FG die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheids begehrt (Geschäftszeichen: V 178/71).

In der Klagesache war der Beschwerdeführer unter Angabe des Geschäftszeichens am 27. November 1973 zur mündlichen Verhandlung auf den 12. Dezember 1973 geladen worden. Zu dieser Verhandlung war der Beschwerdeführer erschienen; das FG hatte die Verhandlung mit dem Beschluß geschlossen, daß die Entscheidung den Beteiligten zugestellt werde.

In der Aussetzungssache hatte das FG durch Beschluß vom 7. Dezember 1973 die Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich eines kleineren Betrages gewährt, sie im übrigen aber abgelehnt. Dieser Beschluß war dem Beschwerdeführer unter Angabe des Geschäftszeichens mit Postzustellungsurkunde am 15. Dezember 1973 zugestellt worden.

Mit Datum vom 27. Dezember 1973 schrieb der Beschwerdeführer an das FG wie folgt:

"... Einspruch gegen Beschluß Akt.Z. V 81/70

Gegen obigen Beschluß von der Verhandlung am 12. Dezember 1973 Akt.Z. V 81/70 lege ich hiermit Einspruch ein. Die Begründung folgt."

Auf einen entsprechenden Hinweis vom 17. Januar 1974 gab der Beschwerdeführer am 29. Januar 1974 - auszugsweise - folgendes zu Protokoll:

"... erkläre ich hiermit, daß es sich bei meinem 'Einspruch' vom 27. Dezember 1973 um eine Beschwerde gegen den Beschluß V 178/71 vom 7. Dezember 1973 und nicht gegen den in der mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 1973 verkündeten Beschluß handelt..."

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig.

Nach § 128 Abs. 1 FGO steht den Beteiligten gegen die in dieser Vorschrift aufgeführten Entscheidungen eines FG oder des Gerichtsvorsitzenden die Beschwerde an den BFH zu. Das Rechtsmittel ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen (§ 129 Abs. 1 FGO).

Zwar enthält die FGO für die Beschwerde keine besonderen Vorschriften über deren Inhalt (anders z. B. § 120 Abs. 2 FGO für die Revision). § 129 Abs. 1 FGO ist nur zu entnehmen, daß die Beschwerde schriftlich oder zu Protokoll einzulegen ist; eine Begründung des Rechtsmittels wird nicht gefordert. Das schließt jedoch nicht aus, daß auch an den Inhalt einer Beschwerde gewisse Mindestanforderungen zu stellen sind. So muß die Beschwerdeschrift u. a. das Begehren des Rechtsmittelführers erkennen lassen. Mit der Einlegung einer Beschwerde erstrebt der Rechtsmittelführer die Prüfung einer bestimmten finanzgerichtlichen Entscheidung, gegebenenfalls in einem ganz bestimmten Umfang. Diese Prüfung hat zunächst das Gericht selbst und, wenn es der Beschwerde nicht abhilft, der BFH vorzunehmen. Letztlich wird also dessen Entscheidung über einen bestimmten Streitgegenstand begehrt. Das setzt voraus, daß die Entscheidung, gegen die sich die Beschwerde richten soll, in der Beschwerdeschrift und innerhalb der Beschwerdefrist eindeutig bezeichnet wird.

Diesen Anforderungen würde die Beschwerde das Beschwerdeführers vom 27. Dezember 1973 genügen, wenn sie sich gegen den Beschluß in der Klagesache vom 12. Dezember 1973 richten würde. Davon kann jedoch nach den zu Protokoll gegebenen Erklärungen des Beschwerdeführers nicht ausgegangen werden. Darüber hinaus ist dieser prozeßleitende Beschluß nicht beschwerdefähig (§ 128 Abs. 2 FGO); die Beschwerde dagegen wäre schon aus diesem Grunde unzulässig.

Soweit mit der Beschwerde der Beschluß betreffend die Aussetzung der Vollziehung vom 7. Dezember 1973 angefochten sein soll, genügt die Beschwerdeschrift nicht den Anforderungen, die an ihren Inhalt zu stellen sind. Sie richtet sich weder nach ihrem objektiven Inhalt noch nach dem daraus erkennbaren Willen des Beschwerdeführers gegen die teilweise Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung. Das angegebene Geschäftszeichen ist das Geschäftszeichen der Klagesache, der eindeutig bezeichnete Gegenstand der Beschwerde der "Beschluß von der mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 1973". Die sich daraus ergebenden Unklarheiten gehen zu Lasten des Beschwerdeführers. Von einem Steuerpflichtigen, der sich gegen die Entscheidung eines FG wendet, muß erwartet werden, daß er die Rechtsmitteleinlegung eingehend prüft, die Rechtsmittelschrift sorgfältig abfaßt und darin die Entscheidung, die er anfechten will, richtig bezeichnet. Dazu war der Beschwerdeführer in der Lage, da ihm der Beschluß vom 7. Dezember 1973 unter dem richtigen Geschäftszeichen gesondert zugestellt worden war.

Eine Umdeutung der Beschwerde in eine Beschwerde gegen den Beschluß vom 7. Dezember 1973 kann nicht in Betracht kommen. Aus der Beschwerdeschrift selbst lassen sich keine Anhaltspunkte erkennen, die Anlaß zu einer solchen Umdeutung geben und diese rechtfertigen könnten. Der objektiv eindeutige Wortlaut der Beschwerdeschrift, die Angabe eines bestimmten Geschäftszeichens und die konkrete Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses schließen jeden Zweifel an der tatsächlich angefochtenen Entscheidung aus. Eine Umdeutung würde im Streitfalle dazu führen, daß die rechtzeitig eingelegte, trotzdem aber unzulässige Beschwerde durch den neuen Beschwerdegegenstand, der erst nach Ablauf der Beschwerdefrist durch den Beschwerdeführer bestimmt wurde, zulässig werden würde. Dieses Ergebnis ist mit der Regelung über die Beschwerdefrist (§ 129 FGO) unvereinbar. Etwas anderes könnte dann gelten, wenn innerhalb der Beschwerdefrist eine zweifelsfreie Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung nachgeholt worden wäre. Das ist im Streitfall nicht geschehen. Am 29. Januar 1974, als der Beschwerdeführer die anzufechtende Entscheidung richtig bezeichnete, war die Beschwerdefrist hinsichtlich des ihm am 15. Dezember 1973 zugestellten Beschlusses abgelaufen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70673

BStBl II 1974, 717

BFHE 1975, 96

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