Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung von Prozeßerklärungen

 

Leitsatz (NV)

Legt ein Beteiligter ,,Beschwerde" ein gegen eine Kostenentscheidung gemäß § 138 Abs. 1 FGO und bestreitet er dabei (lediglich) das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlaß einer Kostenentscheidung gemäß § 138 Abs. 1 FGO, ist die ,,Beschwerde" im Wege der Auslegung als Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens vor dem FG zu verstehen.

 

Normenkette

FGO § 138

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Die Klägerin hat gegen die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion (OFD) vom 6. August 1984, mit der diese die Stundung von Umsatzsteuer und von Lohn- und Kirchensteuer abgelehnt hat, Klage erhoben. Das Finanzgericht (FG) erließ am 7. Juli 1986 einen Beschluß, in dem es die Kosten des Verfahrens dem Beklagten (Finanzamt - FA -) auferlegt hat. In dem Beschluß wird dargelegt, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei. Weiter wird in der Vorentscheidung unter Hinweis auf Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) i.d.F. vom 14. Dezember 1984 (BGBl I 1984, 1514, BStBl I 1985, 8) ausgeführt, daß der Beschluß unanfechtbar sei.

Mit Schreiben vom 31. Oktober 1986 hat das FA gegen den Beschluß ,,Beschwerde" erhoben. Zur Begründung trägt es vor: Es werde nicht der Inhalt der Kostenentscheidung in dem Beschluß des FG angegriffen. Vielmehr werde bestritten, daß die Voraussetzungen für den Erlaß einer Kostenentscheidung gemäß § 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorgelegen hätten. Es fehle an übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten bezüglich der Hauptsache in vollem Umfang. Deshalb hätte das FG durch Urteil über die Klage entscheiden müssen.

Das FA beantragt, den angegriffenen Beschluß vom 7. Juli 1986 aufzuheben.

Die Klägerin beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die vom FA mit Schreiben vom 31. Oktober 1986 eingelegte ,,Beschwerde" ist als Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens vor dem FG zu verstehen.

Rechtsbehelfsanträge sind der Auslegung fähig; hierbei ist davon auszugehen, daß der Rechtsbehelfsführer denjenigen Rechtsbehelf einlegen wollte, der bei verständiger Würdigung seinen Belangen entspricht (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 22. Januar 1971 III R 108/69, BFHE 101, 277, BStBl II 1971, 295, unter 2.).

Die Beurteilung der ,,Beschwerde" als Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens entspricht dem Begehren des FA. Mit seinen Einwendungen gegen die isolierte Kostenentscheidung des FG gemäß § 138 Abs. 1 FGO verfolgt das FA ausschließlich das Ziel, das FG zu veranlassen, durch Urteil das finanzgerichtliche Verfahren abzuschließen, weil übereinstimmende Erledigungserklärungen der Beteiligten nicht vorgelegen hätten. Dieses Ziel kann nur mit einem Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens erreicht werden. Zur Entscheidung über den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens wird die Sache an das FG zurückgegeben.

 

Fundstellen

BFH/NV 1988, 573

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