Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist

 

Leitsatz (NV)

Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist ist nur dann ordnungsgemäß gestellt, wenn die zu seiner Begründung angeführten Tatsachen bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht werden.

 

Normenkette

FGO § 56 Abs. 1, 2 S. 2

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

In ihrem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1984 machten die Kläger und Revisionskläger (Kläger) die Aufwendungen für wöchentliche Heimfahrten des Klägers mit dem eigenen PKW nach Maßgabe der Pauschalen für Dienstreisen mit . . . DM geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ging jedoch davon aus, daß es sich um Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung handele und ließ die Fahrtkosten nur in Höhe von . . . DM als Werbungskosten zum Abzug zu.

Die nach erfolglosem Einspruch eingelegte Klage wurde vom Finanzgericht (FG) abgewiesen. Das finanzgerichtliche Urteil ist dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger am 18. September 1986 zugestellt worden. Hiergegen legten die Kläger mit am 3. Oktober 1986 beim FG eingegangenen Schreiben Revision ein. Mit am 5. November 1986 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenem Schreiben beantragte der Prozeßbevollmächtigte der Kläger, die Frist für die Begründung der Revision bis zum 1. Januar 1987 zu verlängern. Dies ist antragsgemäß geschehen. Die Revisionsbegründung vom 30. Dezember 1986 ist am 5. Januar 1987 beim BFH eingegangen.

Mit am 14. Januar 1987 dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger zugestellten Schreiben wurde dieser durch die Geschäftsstelle des VI. Senats des BFH darauf aufmerksam gemacht, daß die Revisionsbegründung erst am 5. Januar 1987, also verspätet, eingegangen sei; auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wurde hingewiesen. Daraufhin beantragte der Prozeßbevollmächtigte der Kläger mit Schreiben vom 28. Januar 1987, beim BFH eingegangen am 30. Januar 1987, Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist, hilfsweise, eine weitere Fristverlängerung für die Revisionsbegründung bis zum 5. Januar 1987. Zur Begründung trug er vor, die Revisionsbegründungsschrift sei am 30. Dezember 1986 vor 17 Uhr zur Post gegeben worden und hätte bei normaler Postlaufzeit am 1. Januar 1987 in den Postbriefkasten des BFH gelangen müssen. Aus welchen Gründen dies nicht geschehen sei, vermöge er nicht nachzuvollziehen; anzunehmen sei vielleicht, daß es mit den Feiertagen zum Jahreswechsel zusammenhänge.

Mit am 6. Februar 1987 zugestelltem Schreiben hat der Vorsitzende des VI. Senats des BFH den Prozeßbevollmächtigten der Kläger darauf hingewiesen, daß er die Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO, die am 28. Januar 1987 geendet hat, versäumt habe, da der Wiedereinsetzungsantrag erst am 30. Januar 1987 eingegangen sei; auf § 56 FGO wurde wiederum hingewiesen. Daraufhin beantragte der Prozeßbevollmächtigte der Kläger mit am 16. Februar 1987 beim BFH eingegangenen Schreiben nochmal Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und führte zur Begründung aus, er habe am . . . 1986 einen schweren Arbeitsunfall erlitten. Aufgrund dieses Vorfalls habe er sich längere Zeit in stationärer Behandlung befunden und sei bis zum 6. Januar 1987 arbeitsunfähig gewesen. Auf Anraten seines Arztes habe er im Anschluß hieran einen Erholungsurlaub angetreten, von dem er am 27. Januar 1987 zurückgekehrt sei. Vor Antritt des Urlaubs habe er sich davon überzeugt, daß keinerlei Fristen hätten versäumt werden können. Zu diesem Zeitpunkt sei ihm nicht bekannt gewesen, daß die Revisionsbegründungsschrift verspätet beim BFH eingegangen sei; er sei davon ausgegangen, daß sein Schriftsatz vom 30. Dezember 1986 rechtzeitig zum 1. Januar 1987, 24 Uhr, dem BFH vorliege. Das Hinweisschreiben des BFH vom 8. Januar 1987, das ihm am 14. Januar 1987 zugestellt worden sei, habe er sofort nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub am 28. Januar 1987 bearbeitet. Er habe nicht davon ausgehen können, daß die Revisionsbegründung nicht rechtzeitig zum 1. Januar 1987 vorliegen würde, so daß er in dieser Sache keine besonderen Vorkehrungen habe treffen müssen.

In der Sache beantragen die Kläger, unter Aufhebung der Vorentscheidung und unter Abänderung des Bescheids über den Lohnsteuer-Jahresausgleich vom 10. Oktober 1986 in der Form der Einspruchsentscheidung ,,die geltend gemachten Werbungskosten in Höhe von . . . DM" anzuerkennen.

Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

Die Kläger haben die Frist zur Begründung der Revision versäumt. Denn da diese Frist gemäß § 120 Abs. 1 Satz 2 FGO bis zum 1. Januar 1987 verlängert worden war, hätte die Revisionsbegründungsschrift, weil der 1. Januar 1987 ein Feiertag war, bis zum 2. Janaur 1987 beim BFH eingehen müssen.

Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist gemäß § 56 FGO kann den Klägern nicht gewährt werden. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist ist nicht ordnungsgemäß gestellt worden. Gemäß § 56 Abs. 2 Satz 2 FGO sind nämlich die zur Begründung des Antrags angeführten Tatsachen bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Dies ist nicht geschehen. Der Prozeßbevollmächtigte der Kläger hat vielmehr lediglich vorgetragen, der Brief mit der Revisionsbegründung sei am 30. Dezember 1986 vor 17 Uhr zur Post gegeben worden. Diesen für die Beurteilung der Verschuldensfrage wichtigen Umstand hätte der Prozeßbevollmächtigte der Kläger - bei der Antragstellung oder später - glaubhaft machen müssen. Hierauf kann um so weniger verzichtet werden, als der betreffende, bei den Senatsakten befindliche Briefumschlag den Freistempler des Prozeßbevollmächtigten vom 2. Januar 1987 trägt. Geht man davon aus, daß der Freistempler ordnungsgemäß verwandt worden ist, so kann der Vortrag des Prozeßbevollmächtigten nicht zutreffen. Ferner könnte dann auch von einem mangelnden Verschulden des Prozeßbevollmächtigten keine Rede sein, da ein am Tage des Fristablaufs (2. Januar 1987) in . . . zur Post gegebenes Schreiben nicht am selben Tage noch in den Briefkasten des BFH gelangen kann. Zumindest hätte der Prozeßbevollmächtigte der Kläger hiervon nicht ohne Verschulden ausgehen können.

Im übrigen kann auf eine Glaubhaftmachung auch deshalb nicht verzichtet werden, weil eine Postbeförderungsdauer der hier vorgetragenen Art (vom 30. Dezember 1986 bis 5. Januar 1987) auch unter Berücksichtigung der zum Jahreswechsel möglichen Verzögerungen in der Postbeförderung recht ungewöhnlich erscheint.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415643

BFH/NV 1988, 653

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