BGH zur fristgerechten Berufung über beA

Der rechtzeitige Eingang eines fristgebundenen Schriftsatzes bei Gericht scheitert nicht daran, dass die rechtzeitig über das beA übersandte elektronische Nachricht vom Gerichtsrechner wegen eines im Dokument enthaltenen Umlauts nicht von der virtuellen Poststelle des Gerichts abgeholt werden kann.

In regelmäßigen Abständen muss der BGH sich mit der Versendung fristgebundener Schriftsätze über das beA befassen. Dabei erweist sich die komplexe Technik des beA häufig als Haftungsfalle für Anwälte. In einer jetzt bekannt gewordenen Entscheidung hat der BGH allerdings zugunsten des Absenders entschieden und die Vorinstanz für ihre dürftige Sachaufklärung gerügt.


Berufungsbegründung über beA rechtzeitig versandt


Der aktuellen Entscheidung lag die Klage einer Käuferin eines Dieselfahrzeuges auf Schadenersatz wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasrückführung zu Grunde. Gegen das klageabweisende Urteil des LG hatte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin rechtzeitig Berufung eingelegt und diese mittels eines über sein beA versandten Schriftsatzes aus seiner Sicht fristgerecht begründet.


Berufungsbegründung angeblich bei Gericht nicht eingegangen


Umso überraschter war der Prozessbevollmächtigte als die eingelegte Berufung vom OLG als unzulässig verworfen wurde mit der Begründung, eine Berufungsbegründungsschrift sei bei Gericht nicht eingegangen. Auch eine vom Prozessbevollmächtigten erneut über sein beA an das Gericht versandte Berufungsbegründungsschrift kam dort angeblich nicht an.


Ordnungsgemäße Übermittlung durch Sendeprotokolle belegt


Trotz Übermittlung der Sendeprotokolle sowie eines Screenshots der Nachrichtenanzeige aus dem Webportal der Bundesrechtsanwaltskammer, die sämtlich eine ordnungsgemäße Versendung dokumentierten, hat das Berufungsgericht den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt.


Probleme beim gerichtsinternen Intermediär-Server


Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde hatte beim BGH Erfolg. Wie der BGH feststellte, bestand die nicht fernliegende Möglichkeit, dass Besonderheiten des internen Gerichtsrechners beim Berufungsgericht ursächlich für die aufgetretenen Probleme waren. Nach den Feststellungen interner IT-Experten sei es nicht unwahrscheinlich, dass Dateinamen der Anhänge eines elektronischen Dokuments von dem gerichtsinternen Intermediär-Server nicht heruntergeladen werden können, wenn der Dateiname Umlaute oder Sonderzeichen enthält. Diese Probleme seien seit längerem bekannt (BGH, Urteil v. 14.5.2020, X ZR 119/18).


Anwalt durfte auf ordnungsgemäßen Eingang der Berufungsbegründungsschrift vertrauen


Diese Möglichkeit hätte das Berufungsgericht nach der Entscheidung des BGH nicht außer Acht lassen dürfen, zumal der Anwalt umfangreiche elektronische Belege für die ordnungsgemäße und fristgerechte Versendung der Berufungsbegründungsschrift vorgelegt habe. Der Anwalt habe auch auf einen fristgerechten Eingang der Berufungsbegründung vertrauen dürfen, da er über sein beA eine automatisierte Bestätigung über den Eingang des Berufungsbegründungsschriftsatzes gemäß § 130 a Abs. 5 ZPO erhalten habe (BGH, Beschluss v. 11.5.2021, VIII ZB 9/20).


Der Umlaut „ü“ in Berufungsbegründung war schuld


Der BGH stellte klar, dass es der Wirksamkeit des Eingangs der über das beA übersandten Dokumente nicht entgegenstehen kann, wenn die mangelnde Weiterleitungsfähigkeit einer Nachricht durch die Verwendung von Umlauten im Dateinamen – z.B. das „ü“ in dem Begriff Berufungsbegründung – entsteht. § 130 a Abs. 2 Satz 1 ZPO schreibe zwar vor, dass ein eingereichtes elektronisches Moment für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein muss. Die Geeignetheit zur Bearbeitung durch das Gericht sei aber ausschließlich nach den Regeln des Verordnungsgebers zu § 130 a Abs. 2 Satz 2 ZPO zu beurteilen (BGH, Urteil v. 14.5.2020, X ZR 119/18).


Umlaute im Dateinamen sind erlaubt


§ 2 der „Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach“ sieht nach der Auslegung des Senats ein Verbot von Umlauten im Dateinamen nicht vor. Im Umkehrschluss sei die Verwendung von Umlauten daher zulässig. Der fristgerechte Eingang eines solchen Dokuments könne daher nicht daran scheitern, dass der Gerichtsrechner ein solches Dokument wegen eines Umlauts im Dateinamen nicht herunterladen oder lesen könne.


Berufungsgericht muss technische Hintergründe aufklären


Da das Berufungsgericht die technischen Bedingungen auf diese maßgeblichen Faktoren für die Beurteilung des fristgerechten Eingangs des Berufungsschriftsatzes bisher nicht geklärt hatte, hat der BGH das Verfahren zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.


Einem Antrag auf Wiedereinsetzung wäre wohl stattzugeben


Der BGH wies das Berufungsgericht an - sollte es erneut zu dem Ergebnis gelangen, die Berufungsbegründungsfrist sei versäumt - hinsichtlich der Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu berücksichtigen, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht damit habe rechnen müssen, dass der interne Rechner des Gerichts Dokumente, deren Dateiname Umlaute enthält, nicht abholen könne wie, obwohl über sein beA die erfolgreiche Übermittlung des Dokuments bestätigt worden ist.


(BGH, Beschluss v. 8.3.2022, VI ZB 25/20)


Hintergrund:


Immer wieder besteht für Gerichte Veranlassung, sich mit den Anforderungen an die Versendung elektronischer Dokumente über das beA zu befassen. Für Anwälte ergibt sich hieraus eine Reihe haftungsrechtlicher Fallstricke u.a. bei der elektronischen Signatur.


Haftungsfalle elektronische Signatur


In einer kürzlich bekannt gewordenen Entscheidung hat das BSG die Anforderungen an die einfache Signatur unter einen über das beA versandten Schriftsatz präzisiert (BSG, Beschluss v. 16.2.2022, B 5 R 198/21). Besteht die Signatur lediglich aus einem unleserlichen Gekritzel, so ist nach Auffassung des BSG der Schriftsatz dem Gericht nicht wirksam zugegangen und eine davon abhängige Frist gegebenenfalls versäumt (BAG, Beschluss v. 14.9.2020, 5 AZB 23/20). Nach dieser Entscheidung muss ein elektronisches Dokument

  • entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) der verantwortenden Person oder
  • mit einer auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereichten einfachen leserlichen Signatur der verantwortenden Person versehen sein (BAG, Beschluss v. 5.6.2020, 10 AZN 53/20).

Der DAV rät zur Vermeidung von Problemen grundsätzlich zur Verwendung der sicheren qeS.