Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Gemeinsames Mehrwertsteuersystem. Errichtung eines Immobilienkomplexes durch einen Zusammenschluss ohne Rechtspersönlichkeit. Zusammenschlussvertrag. Verkauf der Wohnungen des Immobilienkomplexes durch bestimmte Mitglieder des Zusammenschlusses. Bestimmung des Steuerpflichtigen. Grundsatz der steuerlichen Neutralität. Recht auf Vorsteuerabzug

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 9, 11

 

Beteiligte

DGRFP Cluj

ASA

DGRFP Cluj

 

Verfahrensgang

Curtea de Apel Cluj (Rumänien) (Beschluss vom 28.06.2021; ABl. EU 2021 Nr. C 513/16)

 

Tenor

1. Die Art. 9 und 11 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem

sind dahin auszulegen, dass

die Parteien eines Vertrags über einen Zusammenschluss ohne Rechtspersönlichkeit, der vor Aufnahme der betreffenden wirtschaftlichen Tätigkeit nicht bei der zuständigen Steuerbehörde registriert wurde, nicht als „Steuerpflichtige” – neben dem Steuerpflichtigen, der die Steuer auf den steuerbaren Umsatz zu entrichten hat – angesehen werden können.

2. Die Richtlinie 2006/112 sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Grundsatz der steuerlichen Neutralität

sind dahin auszulegen, dass

einem Steuerpflichtigen, der nicht über eine auf seinen Namen ausgestellte Rechnung verfügt, das Recht auf Abzug der von einer anderen Partei eines Zusammenschlusses ohne Rechtspersönlichkeit im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit dieses Zusammenschlusses entrichteten Vorsteuer selbst dann, wenn der Steuerpflichtige für diese Tätigkeit mehrwertsteuerpflichtig ist, nicht eingeräumt werden muss, sofern keine objektiven Nachweise dafür vorliegen, dass ihm andere Steuerpflichtige auf einer vorausgehenden Umsatzstufe tatsächlich die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Gegenstände oder Dienstleistungen, die seinen der Mehrwertsteuer unterliegenden Umsätzen dienten, geliefert bzw. erbracht haben.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Curtea de Apel Cluj (Berufungsgericht Cluj [Klausenburg], Rumänien) mit Entscheidung vom 28. Juni 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 24. August 2021, in dem Verfahren

ASA

gegen

DGRFP Cluj,

Beteiligte:

BP,

MB,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin M. L. Arastey Sahún (Berichterstatterin) sowie der Richter F. Biltgen und J. Passer,

Generalanwalt: N. Emiliou,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von ASA, vertreten durch S. I. Puţ, Avocat,
  • der rumänischen Regierung, vertreten durch E. Gane, A. Rotăreanu und A. Wellman als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Armenia und J. Jokubauskaitė als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) sowie der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der steuerlichen Neutralität und der Rechtssicherheit.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen ASA, einer natürlichen Person, und der Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Cluj-Napoca (Regionale Generaldirektion für öffentliche Finanzen Cluj-Napoca, Rumänien) (im Folgenden: Steuerbehörde) wegen der Mehrwertsteuerpflichtigkeit von Umsätzen aus dem Verkauf von Wohnungen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 1 Abs. 2 Unterabs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„Bei allen Umsätzen wird die Mehrwertsteuer, die nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstands oder der Dienstleistung errechnet wird, abzüglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat.”

Rz. 4

Art. 9 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Als ‚Steuerpflichtiger’ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt.

Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit’ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.”

Rz. 5

In Art. 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es:

„Nach Konsultation des Beratenden Ausschusses für die Mehrwertsteuer … kann jeder Mitgliedstaat in seinem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

Ein Mitgliedstaat, der die in Absat...

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