A. Regelungsgegenstand

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 122 AO bestimmt, wem und wie ein Verwaltungsakt bekannt zu geben ist. Die diesbezüglich von den Finanzbehörden zu beachtenden Grundsätze sind ausführlich in AEAO zu § 122 geregelt. Die Wirkungen der Bekanntgabe ergeben sich nicht aus § 122 AO, sondern aus § 124 Abs. 1, § 355 Abs. 1 Satz 1 AO; § 54 Abs. 1 FGO.

 

Tz. 2

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Der Anwendungsbereich des § 122 AO erstreckt sich auf alle Verwaltungsakte (s. § 118 AO), also nicht nur auf Steuer- und diesen gleichgestellte Bescheide, sondern z. B. auch auf Haftungsbescheide. Er erfasst auch die Einspruchsentscheidung (s. § 366 AO Rz. 7). Sonderregelungen hinsichtlich der Bekanntgabe enthalten § 123 AO (Bekanntgabe an inländischen Empfangsbevollmächtigten), § 180 Abs. 2 Nr. 5 AO i. V. mit § 6 VO (s. § 180 AO Rz. 54 ff.) und § 183 AO für die Bekanntgabe von Feststellungsbescheiden an Empfangsbevollmächtigte. Zusätzliche Bestimmungen enthält § 197 AO für die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung. Die Bekanntgabe des Erbschaftsteuerbescheides an Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter, Nachlasspfleger regelt § 32 ErbStG (BFH v. 11.06.2013, II R 10/11, BStBl II 2013, 924). Im Zollrecht erfolgt gem. Art. 102 UZK keine Bekanntgabe, sondern eine "Mitteilung" des Verwaltungsaktes. Da Art. 101 ff. UZK die Bekanntgabe von Verwaltungsakten nicht eigens regeln, gilt § 122 AO auch für die Bekanntgabe von Entscheidungen der Zollbehörden (Seer in Tipke/Kruse, § 122 AO Rz. 2).

B. Begriff und Voraussetzungen der Bekanntgabe

I. Begriff

 

Tz. 3

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Voraussetzung für das Wirksamwerden eines Verwaltungsaktes ist neben seiner inhaltlichen Bestimmtheit (s. § 119 Abs. 1 AO), dass er demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen ist, bekannt gegeben wird (s. §§ 122 Abs. 1 Satz 1 AO, 124 Abs. 1 AO). Mit der Bekanntgabe beginnt die Rechtsbehelfsfrist (s. § 355 Abs. 1 AO), sodass dieser Zeitpunkt von entscheidender Bedeutung für die Frage der Verfristung ist.

II. Voraussetzungen

 

Tz. 4

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Eine Bekanntgabe nach § 122 Abs. 1 AO liegt vor, wenn der Verwaltungsakt gesteuert von dem Willen der Behörde dem richtigen Adressaten zugeht.

1. Bekanntgabewille

 

Tz. 5

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Erforderlich ist, dass ein Amtsträger der Behörde den Willen zur Bekanntgabe hat. Der Bekanntgabewille muss sich auf das "ob" und "wie" der Bekanntgabe erstrecken. Er wird dadurch dokumentiert, dass der Amtsträger den Verwaltungsakt abzeichnet und in den Geschäftsgang zwecks Absendung durch Poststelle gibt. Der zunächst vorhandene Wille kann später wieder aufgegeben werden, jedoch muss die Rechtzeitigkeit der Aufgabe des Bekanntgabewillens in den Akten hinreichend klar und eindeutig dokumentiert sein (BFH v. 23.08.2000, X R 27/98, BStBl II 2001, 662). Fehlt der Bekanntgabewille, wird der Verwaltungsakt nicht wirksam (BFH v. 24.11.1988, V R 123/83, BStBl II 1989, 344; BFH v. 28.05.2009, III R 84/06, BStBl II 2009, 949). Abzugrenzen hiervon ist die Bekanntgabe durch eine örtlich unzuständige Behörde; in diesem Falle gilt § 127 AO.

2. Zugang

 

Tz. 6

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Wirksamkeit des Verwaltungsakts setzt, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist (§ 122 Abs. 3 AO), den Zugang des Verwaltungsakts beim Betroffenen voraus. Entscheidend ist nicht das in dem Bescheid ausgewiesene Datum, sondern der Zugang selbst (BFH v. 20.11.2008, III R 66/07, BStBl II 2009, 185). Für den Begriff des Zugangs gelten die allgemeinen Grundsätze des § 130 Abs. 1 BGB. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist zugegangen, wenn das Geäußerte für den Empfänger verstehbar ist. Ein schriftlicher Verwaltungsakt ist zugegangen, wenn die Sendung derart in den Machtbereich des Empfängers (Inhaltsadressaten) gelangt ist, dass dieser unter Ausschluss unbefugter Dritter von dem Schriftstück Kenntnis nehmen und diese Kenntnisnahme nach den allgemeinen Gepflogenheiten auch von ihm erwartet werden kann (BFH v. 09.12.1999, III R 37/97, BStBl II 2000, 175). Bei einer Übermittlung durch Telefax erfordert dies, dass das empfangene Telefaxgerät den "schriftlich" erlassenen Verwaltungsakt ausdruckt (BFH v. 18.03.2014, VIII R 9/10, BStBl II 2014, 748). Die Übergabe an einen Empfangsboten (z. B. Familienangehörige oder Angestellte) ist ausreichend. Bei postlagernder Zustellung, Postfach oder Postnachsendeauftrag gelten keine Besonderheiten. Die tatsächliche Kenntnisnahme ist unerheblich, sodass ein Schriftstück auch dann zugeht, wenn sich der Empfänger im Urlaub befindet (zur Wiedereinsetzung s. § 110 AO Rz. 15). Wer die Kenntnisnahme verweigert, kann sich auf einen Nichtzugang nicht berufen (BFH v. 19.03.1998, VII B 175/97, BFH/NV 1998, 1447). Wird der Verwaltungsakt nach einem Umzug in die alte Wohnung zugestellt, ist mangels Zugangs die Bekanntgabe nicht erfolgt; denn es besteht nach der AO keine Verpflichtung von Privatpersonen, eine Adressenänderung dem Finanzamt mitzuteilen (s. FG München v. 16.02.1987, XIII 314/84 E, EFG 1987, 333; Seer in Tipke/Kruse, § 122 AO Rz. 13; Güroff in Gosch, § 122 AO Rz. 3).

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