Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 74 FGO gestattet die Aussetzung wegen tatsächlicher oder rechtlicher Abhängigkeit von der Entscheidung über ein Rechtsverhältnis, das den Gegenstand eines anderen, bei einem FG oder einem Gericht eines anderen Gerichtszweigs anhängigen Rechtsstreites bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist (z. B. Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG: BFH v. 24.11.2010, VII R 26/10, BFH/NV 2011, 291). Der Begriff des Rechtsverhältnisses ist weit zu fassen: Er umfasst jede konkrete rechtliche Beziehung zwischen Personen untereinander oder zwischen einer Person und einer Sache, wobei die Rechtsbeziehung nicht notwendigerweise zwischen den Beteiligten des auszusetzenden Verfahrens bestehen muss (Herbert in Gräber, § 74 FGO Rz. 3; Thürmer in HHSp, § 74 FGO Rz. 41). Eine künftige, mit Rückwirkung versehene Gesetzesänderung stellt kein Rechtsverhältnis in diesem Sinn dar (BFH v. 29.11.2006, VI R 14/06, BStBl II 2007, 129). Vorgreiflich ist ein solches Rechtsverhältnis, wenn es einen rechtlichen Einfluss auf das auszusetzende finanzgerichtliche Verfahren hat (BFH v. 14.02.2007, XI B 151/06, BFH/NV 2007, 967; BFH v. 16.05.2013, V R 23/12, BStBl II 2014, 325). Eine Aussetzung des Verfahrens kommt aber nicht mehr in Betracht, wenn das vorgreifliche (Verwaltungs-)Verfahren abgeschlossen ist (BFH v. 06.10.2016, IX B 81/16, BStBl II 2017, 196; BFH v. 02.10.2017, VI B 9/17, BFH/NV 2018, 200). Der Ausgang eines anhängigen Strafverfahrens (BFH v. 02.08.2006, VI B 6/06, BFH/NV 2006, 2039) oder die strafprozessuale Beschlagnahme von Unterlagen (BFH v. 05.10.2006, VIII B 276/05, BFH/NV 2007, 458) ist nicht vorgreiflich i. S. von § 74 FGO für ein wegen des gleichen Vorgangs anhängiges finanzgerichtliches Verfahren (s. § 76 FGO Rz. 2). Der BFH nimmt gleichwohl an, dass eine Aussetzung nicht ausgeschlossen sei (BFH v. 23.01.2013, VII B 135/12, BFH/NV 2013, 948; Thürmer in HHSp, § 74 FGO Rz. 51). Auch Fragen des Abrechnungsverfahrens (§ 218 AO) sind für die Steuerfestsetzung nicht vorgreiflich (BFH v. 16.05.2007, V B 75/06, juris). Ein Rechtsstreit darf nicht allein deshalb nach § 74 FGO ausgesetzt werden, weil beim BFH ein Revisionsverfahren anhängig ist, das eine vergleichbare Rechtsfrage betrifft oder als Musterverfahren geführt wird (BFH v. 24.09.2012, VI B 79/12, BFH/NV 2013, 70). In einem solchen Fall können bei FG anhängige Parallelverfahren nur gem. § 155 Satz 1 FGO i. V. m. § 251 ZPO zum Ruhen gebracht werden (s. Rz. 9 f.). Im Übrigen s. § 363 AO Rz. 4.

 

Tz. 3a

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Folgende Einzelfälle sind hervorzuheben:

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