1 Arbeitsrecht

1.1 Arbeitgeber dürfen Beschäftigte im Rahmen des Direktionsrechts auch ins Ausland versetzen

BAG, Urteil v. 30.11.2022, 5 AZR 336/21; Vorinstanz: LAG Nürnberg, Urteil v. 23.4.2021, 8 Sa 450/20

Weil die Versetzung des Ryanair Piloten bereits aufgrund des Weisungsrechts des Arbeitgebers wirksam war, hatte das Gericht über die Wirksamkeit der vorsorglich ausgesprochenen Änderungskündigung nicht mehr zu entscheiden. Das BAG wies zudem die Revisionen weiterer Ryanair Piloten in 3 Parallelverfahren (Az. 5 AZR 352/21, 5 AZR 369/21, 5 AZR 462/21) ebenfalls zurück.

Grundsätzlich dürfen Arbeitgeber die Versetzung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen einseitig anordnen. Das ergibt sich aus dem arbeitsvertraglichen Direktionsrechts gem. § 106 GewO. Den Anordnungen müssen Arbeitnehmende prinzipiell Folge leisten. Über den genauen Umfang des Direktionsrechts kommt es immer wieder zu arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen.

1.2 Mehrarbeitszuschläge: Urlaubszeiten sind zu berücksichtigen

BAG, Urteil v. 16.11.2022, 10 AZR 210/19; Vorinstanz: LAG Hamm, Urteil v. 14.12.2018; 13 Sa 589/18

Sind Urlaubszeiten für Mehrarbeitszuschläge zu berücksichtigen? Diese Frage hatte der zehnte Senat des BAG zunächst dem Europäischen Gerichtshof gestellt und das Revisionsverfahren ausgesetzt. Mit Urteil v. 13.1.2022 (Az C-514/20) hat der EuGH daraufhin in aller Deutlichkeit entschieden: Eine Regelung im Tarifvertrag, nach der bei der Berechnung von Mehrarbeitszuschlägen nur die tatsächlich geleisteten Stunden, nicht aber Urlaubszeiten berücksichtigt werden, verstößt gegen EU-Recht. Dementsprechend hat das BAG nun in dem Verfahren die tarifliche Regelung unionrechtskonform ausgelegt. Die Revision eines Zeitarbeitnehmers hatte somit Erfolg. Das BAG entschied: Er hat einen Anspruch darauf, dass bei der Berechnung von Mehrarbeitszuschlägen auch Urlaubstage berücksichtigt werden.

2 GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer

2.1 GmbH: Haftung trotz Entlastung eines Geschäftsführers

OLG Brandenburg, Urteil v. 29.6.2022, 7 U 60/21

Dreh- und Angelpunkt der Haftung des Geschäftsführers trotz erteilter Entlastung ist stets die Frage nach der Erkennbarkeit der haftungsbegründenden Tatsachen. Durch die irreführende Bezeichnung und die verschleiernde Darstellung der Anschaffungskosten hatte der Geschäftsführer im zugrundeliegenden Fall gerade verhindert, dass die Gesellschafter Anlass zur Nachfrage hatten. Ein Geschäftsführer soll jedoch nicht für eine besonders geschickte, irreführende und verschleiernde Darstellung durch eine Haftungsprivilegierung belohnt werden. Denn es ist Aufgabe und Pflicht des Geschäftsführers, die Gesellschafter hinreichend und transparent über alle relevanten Vorgänge und Vorkommnisse zu informieren. Etwas anderes kann nur gelten, wenn die Gesellschafter die Augen vor erkennbaren Tatsachen verschließen.

Haben die Gesellschafter dem Geschäftsführer trotz Kenntnis von haftungsbegründenden Tatsachen bzw. trotz Erkennbarkeit dieser Tatsachen Entlastung erteilt, können die Gesellschafter die Entlastung in einer nachfolgenden Periode nicht wieder zurücknehmen. Die Entlastung ist unwiderruflich. Sie ist außerdem unanfechtbar. Die Entlastung ist dem Geschäftsführer deshalb auch nicht vorschnell und ohne nähere Prüfung der vorgelegten Unterlagen zu erteilen. Den Gesellschaftern ist zu empfehlen, bei Zweifeln, Widersprüchen oder Unklarheiten stets kritisch nachzuhaken. Erst wenn alle Zweifel ausgeräumt sind, sollte dem Geschäftsführer Entlastung erteilt werden. Andernfalls droht die Gefahr, dass die Gesellschaft den Geschäftsführer nicht mehr auf Schadenersatz in Anspruch nehmen kann.

2.2 GmbH-Alleingesellschafter und die Zuordnung von Schadensersatzansprüchen bei Zahlungsausfällen

BGH, Urteil v. 29.6.2022, XII ZR 6/21

Der BGH erteilt den Schlussfolgerungen des KG eine deutliche Absage. Einmal mehr macht der Senat deutlich, dass die Unabhängigkeit der Rechtsträger und die verschiedenen Vermögensmassen von GmbH und ihrem Gesellschafter – sei es auch nur eine Alleingesellschafterin – bei einer Prüfung von Schadensersatzansprüchen beachtet werden müssen.

Bei der Vertragsstrafe hätte die Beklagte auch einwenden können, dass die an die Tochtergesellschaft ggf. zu leistende Vertragsstrafe das Vermögen der Klägerin im Ergebnis nicht belastet. Für die Praxis wären Ausführungen zur Frage der Vorteilsausgleichung in dieser Konstellation interessant gewesen. Diese Frage brauchte der BGH allerdings nicht zu entscheiden, da von der Beklagten hierzu nichts vorgetragen wurde.

Die Grundsätze zur Schadensberechnung dürften auch in anderen Konstellationen, in denen kein Auftragsverhältnis und Mietverhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft vorliegt, Geltung beanspruchen. Bei einer Alleingesellschafterin (ebenfalls eine juristische Person) und Muttergesellschaft muss nicht zwangsläufig auch ein Schaden bei der Tochtergesellschaft vorliegen, damit diese Schadensersatzansprüche geltend machen kann. Diese Klarstellung ist eine Weiterentwicklung der Rechtsprechung zum Schadensersatzrecht in gesellschaftsrechtlichen Konstellationen, in denen eine Tochtergesellschaft lediglich eine Muttergesellschaft und Alleingesellschafterin hat.

2.3 Wie werden Rechtsverfolgungskosten zur Rückabwicklung einer Fonds-Beteiligung behandelt?

BFH, Urteil v. 19.7.2022, IX R 18/20

Für die steuerrechtliche Qualifikation von Rückflüssen kommt es nicht darauf an, ob die Aufwendungen, mit denen sie wirtschaftlich zusammenhängen, als We...

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