Leitsatz

Der Begriff "Beteiligung" bei der Berechnung der Beteiligungsschwelle des § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG für sogenannte Streubesitzdividenden (10 %) nimmt auf die allgemeinen Grundsätze der steuerrechtlichen Zurechnung von Wirtschaftsgütern (§ 39 AO) Bezug. Entscheidend ist somit das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen.

 

Normenkette

§ 8b Abs. 4 Satz 1 KStG, § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, und X waren Aktionäre der Y‐AG; deren Grundkapital war in … Stückaktien aufgeteilt, die als Namensaktien nur mit Zustimmung der Y‐AG übertragbar waren. Die Klägerin hielt hiervon … Stückaktien (9,898 %); Hauptaktionär war X mit … Stückaktien (85,1 %).

Am 16.12.2013 schloss die Klägerin mit X einen Kauf- und Übertragungsvertrag (Vertrag) über … nicht verbriefte Stückaktien. Der von der Klägerin als Käuferin zu zahlende Kaufpreis betrug insgesamt … EUR und war am 16.12.2013 fällig. Unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Zahlung des Kaufpreises trat X nach § 3 Abs. 1 des Vertrags sämtliche Mitgliedschaftsrechte aus den verkauften Aktien nach den §§ 413, 398 BGB an die Klägerin ab. Der auf die Aktien entfallene Gewinn des laufenden Geschäftsjahres und etwaige noch nicht verteilte Gewinne früherer Geschäftsjahre sollten nach § 1 Abs. 2 des Vertrags allein der Klägerin zustehen.

Die Überweisung des Kaufpreises am 16.12.2013 schlug fehl, da sie bei der Klägerin zu einer Gutschrift statt zu einer Belastung führte. In der Folge kam es erst nach dem 1.1.2014 zu einer Überweisung des Kaufpreises an X. Die Y‐AG stimmte der Übertragung der Aktien am 19.12.2013 zu.

Die Klägerin bezog im Jahr 2014 (Streitjahr) von der Y‐AG Dividenden i.H.v. … EUR (für den Zeitraum 1.1.2012 bis 31.12.2012) und … EUR (für den Zeitraum 1.1.2013 bis 31.12.2013). In der für das Streitjahr eingereichten KSt-Erklärung erklärte sie insoweit steuerfreie Bezüge i.S.d. § 8b Abs. 1 KStG und nicht abziehbare Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 KStG i.H.v. … EUR.

Das FA lehnte eine Anwendung des § 8b Abs. 1 KStG ab und berücksichtigte die Dividenden in voller Höhe bei der Ermittlung des Einkommens der Klägerin. Die Klägerin habe zu Beginn des Jahres 2014 noch nicht die nach § 8b Abs. 4 KStG erforderliche Beteiligungsschwelle von 10 % erreicht. Ein Einspruch blieb erfolglos.

Das FG München gab der hiergegen gerichteten Klage mit der Begründung statt, dass die Beteiligungsschwelle des § 8b Abs. 4 KStG bereits zu Beginn des Streitjahres erreicht gewesen sei, da die Klägerin zu diesem Zeitpunkt zwar noch nicht zivilrechtliche, aber wirtschaftliche Eigentümerin der am 16.12.2013 erworbenen Anteile geworden sei (FG München, Urteil vom 11.9.2019, 7 K 2605/17, Haufe-Index 13687941, EFG 2020, 476).

 

Entscheidung

Die Revision des FA blieb ohne Erfolg. Der BFH führte zur Begründung die in den Praxis-Hinweisen genannten Gesichtspunkte an.

 

Hinweis

1. Bei der vorliegenden Entscheidung dürfte es sich nicht um ein "Überraschungsurteil" handeln. Denn die Entscheidung, dass die im Rahmen des § 8b KStG maßgebliche Beteiligung dem wirtschaftlichen Eigentümer zuzurechnen ist, war durch frühere Entscheidungen des BFH bereits vorgezeichnet.

2. So hatte der I. Senat im Zusammenhang mit Cum-Ex-Gestaltungen bereits entschieden, dass Bezüge i.S.d. § 8b Abs. 1 KStG dem wirtschaftlichen Eigentümer i.S.d. § 39 AO zuzurechnen sind (§ 20 Abs. 5 EStG, vgl. BFH, Urteil vom 2.2.2022, I R 22/20, BFH/NV 2022, 443, BStBl II 2022, 324, Kommentierung in BFH/PR 2022, 134).

3. Auch für die Anwendung der Veräußerungsgewinnbefreiung des § 8b Abs. 2 KStG hatte der BFH jüngst entschieden, dass diese dem wirtschaftlichen Eigentümer des Anteils zusteht (BFH, Urteil vom 23.11.2022, I R 36/19, BFH/NV 2023, 557, Kommentierung in BFH/PR 2023, 557).

4. Konsequenterweise hat der BFH die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Besprechungsurteil jetzt auch für die Anwendung der Streubesitzregelung gemäß § 8b Abs. 4 KStG ("10-Prozent-Schwelle") für maßgeblich erklärt.

5. Dass die Klägerin im konkreten Fall zu Beginn des Streitjahres als wirtschaftliche Eigentümerin diese Schwelle überschritten hatte, war vom FG im Einzelnen festgestellt worden. Dagegen war aus revisionsrichterlicher Sicht nichts zu erinnern.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 7.6.2023 – I R 50/19

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