Leitsatz

Die Inanspruchnahme des gewerbesteuerlichen Bankenprivilegs setzt nicht voraus, dass das Unternehmen mit Bankgeschäften höhere Gewinne erzielt als mit sonstigen Geschäften; maßgeblich ist, dass die Aktivposten aus Bankgeschäften und dem Erwerb von Geldforderungen die Aktivposten aus anderen Geschäften überwiegen. Das gilt (jedenfalls in den Erhebungszeiträumen 2008 bis 2017) auch für Konzernfinanzierungsgesellschaften.

 

Normenkette

§ 8 Nr. 1 Buchst. a Satz 1, § 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e und f GewStG, § 19 Abs. 1 und 2 GewStDV

 

Sachverhalt

Die Klägerin gehörte zu einem Konzern. Sie nahm überwiegend im Konzernverbund Aufgaben in den Bereichen Finanzen, Buchhaltung, Controlling, Personal, EDV, Marketing und Recht wahr und fungierte zugleich auch als Konzernfinanzierungsgesellschaft. Sie erfüllte die Voraussetzungen des § 1 KWG. Unter Zugrundelegung des Aktivpostenvergleichs dominierten in allen Monaten der Streitjahre 2008 bis 2017 die Bankgeschäfte die Gesamttätigkeit. Allerdings waren die Erträge aus der Tätigkeit als Dienstleistungsunternehmen in den Streitjahren höher als die Erträge aus der Tätigkeit als Finanzierungsgesellschaft. Das FA versagte deshalb die Anwendung des Bankenprivilegs. Das FG (Hessisches FG, Urteil vom 26.8.2020, 8 K 622/19, Haufe-Index 14205263) wies die dagegen gerichtete Klage ab.

 

Entscheidung

Der BFH hielt die Revision der Klägerin für begründet und änderte die angefochtenen Bescheide entsprechend ab. Der Wortlaut des § 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e GewStG und des § 19 Abs. 1, Abs. 2 GewStDV, der systematische Zusammenhang, die Entstehungsgeschichte der Normen und der Sinn und Zweck des Bankenprivilegs sprächen dafür, dass es allein auf den Aktivpostenvergleich und keine anderen Kennzahlen ankomme.

 

Hinweis

1. Zur Bestimmung des gewerbesteuerrechtlichen Gewerbeertrags wird der nach den Vorschriften des EStG oder des KStG zu ermittelnde Gewinn um Hinzurechnungen und Kürzungen nach den §§ 8 und 9 GewStG korrigiert. Hinzugerechnet wird u.a. ein Viertel der Entgelte der Schulden (§ 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG), soweit die Summe der Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 GewStG den jeweils geltenden Freibetrag übersteigt.

2.§ 35c GewStG enthält eine Ermächtigung der Bundesregierung, mit Zustimmung des Bundesrates in bestimmten Bereichen Regelungen durch Rechtsverordnung zu erlassen. Dazu gehören nach § 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e GewStG auch Vorschriften über die Beschränkung der Hinzurechnung von Entgelten für Schulden und ihnen gleichgestellte Beträge (§ 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG) bei Kreditinstituten (sog. Bankenprivileg). Von dieser Ermächtigungsgrundlage wurde durch § 19 GewStDV Gebrauch gemacht.

3. Das Bankenprivileg soll der wirtschafts-, kredit- und währungspolitischen Funktion des Bankgewerbes angemessen Rechnung tragen und den Umstand berücksichtigen, dass bei einer Bank der Fremdmitteleinsatz typischerweise besonders groß ist (vgl. etwa BFH, Urteil vom 6.12.2016, I R 79/15, BFH/NV 2017, 851, Haufe-Index 10513571, Rz. 15 und BFH, Urteil vom 23.8.2000, I R 98/96, BFH/NV 2001, 271, Haufe-Index 447362, unter II.A.3.a, jeweils m.w.N.). Dem Bankenprivileg liegt auch der Gedanke zugrunde, dass Kreditinstitute wirtschaftlich nur Durchlauf­stellen des Geld- und Kreditverkehrs sind und das Passiv- und Aktivgeschäft artmäßig in etwa übereinstimmen (BFH, Urteil vom 10.2.1987, VIII R 257/81, BFH/NV 1987, 391, Haufe-Index 414994, unter a, m.w.N.).

4. Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Bankenprivilegs ist nach § 19 Abs. 1 Satz 1 GewStDV, dass es sich um ein Kreditinstitut i.S.d. § 1 Abs. 1 KWG handelt, also ein Unternehmen, das bezogen auf die Bankgeschäfte gewerbsmäßig handelt oder solche Geschäfte in einem Umfang betreibt, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Bis zum Erhebungszeitraum 2020 konnte auch eine nicht der Bankenaufsicht unterliegende Konzernfinanzierungsgesellschaft das Bankenprivileg in Anspruch nehmen. Ab dem Erhebungszeitraum 2021 wurde § 19 Abs. 1 Satz 1 GewStDV aufgrund Art. 3 Nr. 1 der 5. Verordnung zur Änderung steuerlicher Verordnungen vom 25.6.2020 (BGBl I 2020, 1495) um einen Verweis auf § 2 Abs. 1 KWG ergänzt. Darin ist geregelt, dass als Kreditinstitut u.a. solche Unternehmen nicht gelten, die Bankgeschäfte ausschließlich mit ihrem Mutterunternehmen oder ihren Tochter- oder Schwesterunternehmen betreiben (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 KWG).

5.§ 19 Abs. 1 und 2 GewStDVerfordern nicht, dass das Unternehmen ausschließlich Bankgeschäfte i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG durchführt oder Geldforderungen erwirbt. Soweit Konzernfinanzierungsgesellschaften unter das Bankenprivileg fallen, ist es daher grundsätzlich unschädlich, wenn das Unternehmen im Konzern auch andere Aufgaben (z.B. Dienstleistungen im Bereich Finanzen, Buchhaltung, Controlling, Personal, EDV, Marketing und Recht) wahrnimmt.

6. Allerdings muss es sich um ein im Wesentlichen am Geldverkehr und Kreditverkehr und damit an den eigentlichen Bankgeschäften ausgerichtetes Unternehmen handeln. Dies bes...

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