Rz. 1

[Autor/Stand] Erscheinungsformen. Man muss das Problem der Hinzurechnungsbesteuerung vor dem Hintergrund sehen, dass sich die Wirtschaft seit Jahrzehnten grenzüberschreitend ausdehnt. Dies führt zur Gründung von Kapitalgesellschaften durch Steuerinländer im Ausland. Die Kapitalgesellschaften können einer eigenen unternehmerischen Tätigkeit im Ausland nachgehen. Es kann sich aber auch um Gesellschaften handeln, die nur gegründet werden, um bestimmte Vermögensteile oder Einkunftsquellen ins Ausland zu verlagern ("stateless income"), um daraus steuerliche Vorteile zu erzielen. Insoweit besitzen die sog. Niedrigsteuerländer eine besondere Anziehungskraft (so z.B. zum Ausdruck gebracht in den "Panama Papers"). Es gibt ferner Staaten, die bestimmten Unternehmen bzw. für bestimmte Gebiete besondere steuerliche Vergünstigungen anbieten (z.B. Tax Holidays, Offshore-Besteuerungsregime, Patent-Boxen, Holding-Privilegien). Dies ist eine Frage des Steuerwettbewerbs zwischen den Staaten. Insbesondere die beiden letztgenannten Aspekte (Einkünfteverlagerungen in Niedrigsteuerländer sowie unsachgerechter Steuerwettbewerb) haben die OECD veranlasst, im Rahmen des BEPS-Projekts in Aktionspunkt 3 "Designing Effective Control to Foreign Company Rules (CFC)" Empfehlungen und eine Vielzahl von Vorschlägen zur Ausgestaltung bzw. Verbesserung der Hinzurechnungsbesteuerungssysteme abzugeben (zu Einzelheiten vgl. Rz. 5 ff.).[2] Darüber hinaus sieht die Anti-Tax Avoidance Directive der EU[3] (ATAD) in ihrem Art. 7 Vorschriften zur Hinzurechnungsbesteuerung vor, um "die Resilienz des Binnenmarkts insgesamt gegenüber grenzüberschreitenden Steuervermeidungspraktiken zu stärken"[4] (dazu im Einzelnen Rz. 12 ff. und in Bezug auf die Hinzurechnungsbesteuerung Rz. 18 ff.). Auch aus deutscher Sicht besteht ein Problem dann, wenn ausländische Gesellschaften keinen oder nur geringen unternehmerischen Aktionen nachgehen ("Briefkastenfirmen"), was auch die sehr schwer zu beurteilende Frage des Ortes ihrer Geschäftsleitung aufwirft. Insoweit kann § 42 AO einschlägig sein und die Grenze zur Steuerhinterziehung überschritten werden (vgl. Rz. 52 ff.). Die Zwischengesellschaft kann aber auch einen steuerrechtlich anzuerkennenden Zweck haben. Sieht man einmal von Fällen des § 42 AO ab, so geht es darum, die mit der Besteuerung von Kapitalgesellschaften verbundene Abschirmwirkung "aufzuheben", um die durch die ausländische Kapitalgesellschaft erwirtschafteten Einkünfte direkt beim inländischen Gesellschafter zu besteuern. Im Prinzip bestehen dazu vier Möglichkeiten, die Abschirmwirkung in der Form einer Sonderregelung zu unterlaufen. Man kann

  1. die unbeschränkte Steuerpflicht auf ausländische Gesellschaften ausdehnen, was jedoch völkerrechtliche Probleme aufwirft[5] und Kollisionen mit bereits bestehenden DBA heraufbeschwört;
  2. die Zwischenschaltung der ausländischen Basisgesellschaft entsprechend dem Rechtsgedanken des § 42 AO negieren und das Einkommen anteilig unmittelbar den unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaften zurechnen (in dieser Alternativen wäre die ausländische Basisgesellschaft nicht einmal mehr Einkünfteerzielungssubjekt);
  3. die ausländische Basisgesellschaft wie einen transparenten Rechtsträger behandeln und die Steuerpflicht für die von ihr erzielten Einkünfte anteilig analog § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG beim unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner ansetzen (in diesem Fall bliebe die ausländische Basisgesellschaft Einkünfteerzielungssubjekt);
  4. die Existenz der ausländischen Gesellschaft als solche und auch deren Einkünfteerzielung anerkennen und die Besteuerung der unbeschränkt steuerpflichtigen Personen bei einer zum frühestmöglichen Zeitpunkt fiktiv angenommen Dividendenerzielung ansetzen. Die §§ 7 ff. bauen bereits seit 1972 auf diesem Denkmodell auf (Rz. 43 ff.). Auch die von der OECD in Aktionspunkt 3 des BEPS-Projekts definierten Bausteine ("Building Blocks") orientieren sich an der Zielsetzung, dass unter bestimmten Voraussetzungen Einkünfte einer im Ausland ansässigen Kapitalgesellschaft auch ohne Ausschüttung dem im Inland ansässigen Anteilseigner hinzugerechnet und hier besteuert werden. International wird insoweit von einem CFC-System ("Controlled Foreign Corporation") gesprochen.[6]

Als Problem ist zu bedenken, dass die Hinzurechnungsbesteuerung eigentlich nur Gewinnverlagerungen aus dem eigenen Staat ("parent-stripping") und nicht auch solche aus Drittstaaten erfassen soll. Es ist kaum vertretbar, dass mehrere Staaten dasselbe Einkommen einer Zwischengesellschaft einer Hinzurechnungsbesteuerung unterwerfen, wie dies z.B. im Bereich des § 5 denkbar ist. Im Einzelfall kann allerdings die Feststellung schwierig sein, zu Lasten welchen Staates die Einkommensverlagerung vorgenommen wurde. Insoweit empfiehlt es sich, die Hinzurechnungsbesteuerung mit der unbeschränkten Steuerpflicht des Anteilseigners zu verknüpfen. Dies schließt jedoch die unbeschränkte Steuerpflicht des Anteilseigners in mehreren Staaten ni...

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