Leitsatz

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob sich das für die Annahme eines Einzweck-Gutscheins bestehende Erfordernis, dass der Ort der Leistung feststehen muss (§ 3 Abs. 14 Satz 1 UStG und Art. 30a Nr. 2 MwStSystRL)

bezieht.

 

Normenkette

§ 3 Abs. 13, Abs. 14 Sätze 1 und 2, Abs. 15, § 3a Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 Nr. 3 UStG, Art. 30a Nr. 2, Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL), Art. 7 DVO (EU) Nr. 282/2011, § 69 Abs. 3, Abs. 2 Sätze 3 und 8 FGO

 

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten in der Hauptsache darüber, ob die Übertragung von Guthabenkarten oder Gutscheincodes für digitale Inhalte im X-Network (sog. X-Cards) der USt unterliegt.

Die Klägerin, eine GbR, vertrieb im Streitjahr (2019) über ihren Internetshop X-Cards. Herausgeber der X-Cards war im Streitjahr die Y mit Sitz im Vereinigten Königreich. Die X-Cards ermöglichten dem Erwerber die Aufladung eines Nutzerkontos mit einem Euro-Betrag. Nach der Kontoaufladung konnte der Kontoinhaber im X-Store digitale Inhalte der Y erwerben.

Die X-Cards wurden von Y mit einer Länderkennung über verschiedene Zwischenhändler vertrieben. Für Kunden mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthaltsort im Inland und einem deutschen X-Nutzerkonto war die Kennung DE vorgesehen. Der Kunde konnte nur Guthaben aktivieren, welches für das Land seines X-Kontos bestimmt war.

Bis Ende 2018 hatte die Antragstellerin Gutschein­codes über einen inländischen Zwischenhändler (V) von der inländischen Z-GmbH (Z) unter Ausweis deutscher USt erworben. Die Antragstellerin machte mit den Rechnungen des V den Vorsteuerabzug geltend, ohne Ausgangsumsätze zu versteuern.

Im Streitjahr bezog die Antragstellerin die X-Cards der Y von Lieferanten aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet (L) unter Angabe ihrer deutschen USt-Identifikationsnummer. Sie erklärte keine innergemeinschaftlichen Erwerbe und meldete die Übertragung der X-Cards an die Endkunden auch nicht als steuerbare Umsätze an, weil es sich bei den X-Cards um Mehrzweck-Gutscheine handele. Die von Y zugewiesene Länderkennung reiche zur sicheren Bestimmung des Leistungsorts nicht aus.

Das FA sah nach einer USt-Sonderprüfung die Umsätze der Antragstellerin mit den X-Cards als im Inland steuerbar an, weil diese mit der Kennung DE für Endkunden mit Wohnsitz im Inland und einem deutschen Nutzerkonto bestimmt seien, weshalb sich der Leistungsort gemäß § 3a Abs. 5 UStG im Inland befinde. Für die Einordnung der Karten als Einzweck-Gutscheine spreche auch, dass Y die Karten als solche in Verkehr gebracht habe und diese in der weiteren Leistungskette auch so behandelt worden seien.

Das Schleswig-Holsteinische FG wies mit Urteil vom 10.3.2021, 4 K 62/19 (Haufe-Index 14473525, EFG 2021, 1322) die Klage ab. Die Revision ist anhängig beim BFH unter Az. XI R 21/21.

Im vorliegenden Verfahren begehrt die Antragstellerin vom BFH die AdV des USt-Bescheids für 2019. Ihr drohten mit der Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz im Falle der Vollstreckung wesentliche Nachteile i.S.v. § 69 Abs. 2 Satz 8 Halbsatz 2 FGO.

 

Entscheidung

Der BFH gewährte (nur) für die ab dem 1.1.2019 ausgegebenen Gutscheine AdV und lehnte im Übrigen den Antrag ab. Die Gewährung der AdV hat der BFH wegen des offenen Ausgangs des Verfahrens und mangels entsprechender Glaubhaftmachung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht, obwohl die Antragstellerin ihre drohende Zahlungsunfähigkeit behauptet hatte. Außerdem muss die Antragstellerin anteilig die Kosten des Verfahrens tragen, weil sie zwar prozentual, aber nicht absolut, nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

 

Hinweis

1. Der Besprechungsbeschluss befasst sich im Verfahren der Gewährung von AdV im Kern mit der Umsatzbesteuerung von Gutscheinen nach neuem Recht (§ 3 Abs. 13 ff. UStG i.d.F. seit 2019).

  1. Konkret hält es der BFH für ernstlich zweifelhaft, ob ein seit dem 1.1.2019 ausgegebener Gutschein, der bei unmittelbarer Ausgabe an den Endkunden ein Einzweck-Gutschein (mit eindeutig feststehendem Leistungsort) wäre, dadurch zum Mehrzweck-Gutschein wird bzw. werden kann, dass er über Zwischenhändler vertrieben wird bzw. werden darf. Dazu könnte es kommen, wenn der Leistungsort des Übertragungsumsatzes an den Zwischenhändler nach § 3a Abs. 2 UStG zu bestimmen wäre, wenn dieser den Gutschein für sein Unternehmen (zum Zwecke des Weiterverkaufs) erwirbt, ohne den Leistungsort der Leistung im Blick zu haben, die im Gutschein verkörpert ist (im Streitfall: § 3a Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 UStG, weil die verkörperte Leistung auch von Unternehmern nicht für das Unternehmen, sondern privat bezogen würde, § 3a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UStG, Art. 19 MwStVO sowie EuGH, Urteil vom 17.3.2021, C-459/19, Wellcome Trust, Rz. 40, Haufe-Index 14392381, MwStR 2021, 417).
  2. Wäre für die Einstufung als Einzweck-...

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