EuGH-Vorlage zur Besteuerung von Gutscheinen

Hintergrund: Übertragung von Gutscheinen für eine elektronische Dienstleistung über eine Leistungskette
Die A-GbR vertrieb in 2019 über ihren Internetshop Guthabenkarten bzw. Gutscheincodes, sog. X-Cards (PSN-Cards), zum Aufladen von Nutzerkonten für X (Play-Station-Network). Herausgeber der X-Cards war Y (Fa. Sony Europe) mit Sitz in London. Die X-Cards ermöglichten dem Erwerber die Aufladung eines Nutzerkontos mit einem Nennwert in Euro. Nach der Kontoaufladung konnten vom Kontoinhaber im X-Store von Y (Playstation Store) digitale Inhalte erworben werden.
Die X-Cards wurden von Y mit unterschiedlicher Länderkennung über verschiedene Zwischenhändler vertrieben. Für Kunden im Inland mit einem deutschen Nutzerkonto war die Kennung "DE" vorgesehen.
In 2019 bezog die A-GbR die X-Cards von Lieferanten (L1 und L2) aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet, die die X-Cards zuvor von X erworben hatten.
Die A-GbR erfasste weder den Erwerb der X-Cards von L1 und L2 noch die Übertragung der X-Cards an die Endkunden. Sie ging davon aus, es handele sich um nicht steuerbare Wert- oder Mehrzweck-Gutscheine. Denn bei der Veräußerung der X-Cards sei der Wohnsitz oder der Ansässigkeitsort des Endkunden nicht sicher bekannt, so dass der Leistungsort nach § 3a Abs. 5 UStG nicht sicher bestimmbar sei. Die von Y den jeweiligen Gutscheinen zugewiesene Länderkennung reiche zur Bestimmung des Leistungsorts nicht aus, da Y die Angaben der Kunden nicht überprüfe. Eine Vielzahl im Ausland ansässiger X-Kunden habe u.a. aufgrund von Preisvorteilen ein deutsches Nutzerkonto eröffnet und bei ihr, der A-GbR, Karten mit der Kennung DE eingekauft.
Das FA sah die Umsätze der A-GbR mit den X-Cards als im Inland steuerbar an, da die Kennung DE den Leistungsort nach § 3a Abs. 5 UStG im Inland ergebe. Für die Einordnung der Karten als Einzweck-Gutscheine spreche auch, dass Y sie als solche in Verkehr gebracht habe und sie in der Leistungskette auch so behandelt worden seien.
Das FG wies die Klage ab. Es handele sich um Einzweck-Gutscheine, so dass bereits die Übertragung des Gutscheins als Erbringung der sonstigen Leistung zu qualifizieren sei. Aufgrund der Gutscheinbedingungen sei der Leistungsort (Inland) hinreichend bestimmt.
Entscheidung: Vorlage an den EuGH
Der BFH setzte das Revisionsverfahren aus und legte die Problematik dem EuGH vor (Art. 267 Abs. 3 AEUV).
Die Beurteilung als Einzweck-Gutscheine ist fraglich
Der BFH hält es für nicht eindeutig, ob es sich bei den Gutscheinen um Einzweck-Gutscheine handelt, deren Übertragung jeweils als Lieferung oder sonstige Leistung gilt (§ 3 Abs. 14 UStG). Denn dafür müssten der Ort der Lieferung oder der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Umsätze geschuldete Steuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen (Art. 30a Nr. 2 MwStSystRL, § 3 Abs. 14 Satz 1 UStG).
Jedoch wird eine sonstige Leistung, die an einen Unternehmer (für dessen Unternehmen) ausgeführt wird, grundsätzlich an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt (§ 3a Abs. 2 Satz 1 UStG), d.h. vorliegend am Sitz von L1 und L2 im übrigen Gemeinschaftsgebiet. Ist der Empfänger der in § 3a Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 UStG bezeichneten sonstigen (elektronischen) Leistung hingegen kein Unternehmer (wie im Streitfall die Kunden der A-GbR) wird die sonstige Leistung an dem Ort ausgeführt, an dem der Leistungsempfänger seinen Wohnsitz (gewöhnlichen Aufenthaltsort oder Sitz; § 3a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UStG) hat. Daraus folgt, dass für Leistungen an Unternehmer, die als solche handeln, und für Leistungen an Nichtunternehmer sowie an Unternehmer, die nicht als solche handeln, unterschiedliche Leistungsorte vorgesehen sind.
Unionsrechtliche Zweifel
Hiervon ausgehend ist unionsrechtlich zweifelhaft, ob zum Zeitpunkt der Ausstellung der X-Cards der Ort der sonstigen Leistung und die geschuldete Steuer feststanden. Denn fraglich ist, ob sich das für die Annahme eines Einzweck-Gutscheins bestehende Erfordernis, dass der Ort der Leistung feststehen muss (Art. 30a Nr. 2 MwStSystRL, § 3 Abs. 14 Satz 1 UStG), nur auf die Ausgabe ("Verkauf eines Gutscheins an Kunden") oder auch auf eine dem vorausgehende Übertragung nach Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 1 MwStSystRL, § 3 Abs. 14 Satz 2 UStG ("Verkauf eines Gutscheins zwischen Unternehmern") bezieht.
Hinweis: Verwaltungsauffassung
Die Verwaltung geht in Abschn. 3.17 Abs. 2 Satz 1 UStAE entsprechend dem Wortlaut des Art. 30a Nr. 2 MwStSystRL, § 3 Abs. 14 Satz 1 UStG für einen Einzweck-Gutschein davon aus, dass der Ort der Lieferung oder der Dienstleistungen, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Umsätze geschuldete Steuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins (bzw. dessen Ausgabe oder erstmaliger Übertragung) feststehen.
Vertragsgemäße Nutzung des X-Netzwerks
Die Einwendungen der A-GbR, der Leistungsort sei wegen wahrheitswidriger Angaben der Kunden nicht überprüfbar, weist der BFH zurück. Wegen der Androhung der Sperrung des Nutzerkontos bei Identitäts- oder Wohnsitztäuschung sei im Regelfall von einer vertragsgemäßen Nutzung des Netzwerks auszugehen.
Entscheidung bei Verneinung eines Einzweck-Gutscheins
Falls das Vorliegen eines Einzweck-Gutscheins verneint wird (erste Vorlagefrage) liegt ein Mehrzweck-Gutschein vor (Art. 30a Nr. 3 MwStSystRL, § 3 Abs. 15 Satz 1 UStG). In diesem Fall unterliegt nach § 3 Abs. 15 Satz 2 UStG die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die der leistende Unternehmer einen Mehrzweck-Gutschein als Gegenleistung annimmt, der USt, während jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht der USt unterliegt. Ergänzend verweist der BFH dazu auf Parallelüberlegungen zu Telefonkarten (EuGH-Urteil "Lebara" v. 3.5. 2012, C-520/10, EU: 2012-264, Rz. 26 ff., 42 f.).
Mögliche Bejahung eines Einzweck-Gutscheins
Dem Vorlagebeschuss dürfte zu entnehmen sein, dass der BFH der Annahme eines Einzweck-Gutscheins zuneigt. Er zieht dazu ergänzend eine EU-Richtlinie aus 2016 heran, in der eine Klärung der mehrwertsteuerlichen Behandlung von Gutscheinen angemahnt wird.
BFH EuGH-Vorlage vom 03.11.2022 - XI R 21/21 (veröffentlicht am 09.02.2023)
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