1. "Nahestehen" i.S.v. § 2270 Abs. 2 BGB ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu entscheiden, wobei an den Begriff hohe Anforderungen zu stellen sind. Eine bindende Schlusserbeinsetzung des Bruders des Erblassers kann vorliegen, wenn im gemeinschaftlichen Testament ein besonderer Grund für die Erbeinsetzung angegeben ist.

2. Die Wechselbezüglichkeit der Erbeinsetzung erfasst auch einen angewachsenen Erbanteil.

OLG Köln v. 29.3.2023 – 2 Wx 39/23

BGB § 2094, § 2270, § 2271

Beraterhinweis Nahestehende Personen i.S.v. § 2270 Abs. 2 BGB sind nur solche, zu denen der jeweilige Ehegatte enge persönliche und innere Bindungen hatte, die mindestens dem üblichen Verhältnis zu nahen Verwandten entsprechen (OLG Hamm v. 10.12.2009 – 15 Wx 344/08, FamRZ 2010, 1201; Weidlich in Grüneberg, BGB, § 2270 Rz. 9). In Betracht kommen Stiefkinder, Pflegekinder, enge Freunde oder langjährige Angestellte, insb. wenn eine häusliche Gemeinschaft bestanden hat (BayObLG v. 31.12.1982 – BReg. 1 Z 98/82, BayObLGZ 1982, 474; Weidlich in Grüneberg, BGB, § 2270 Rz. 9). Ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis oder verträgliches Miteinanderauskommen reicht regelmäßig nicht aus, weil die Ehegatten ohnehin nur Personen bedenken, zu denen sie ein spannungsfreies und ungetrübtes Verhältnis haben (BayObLG v. 31.12.1982 – BReg. 1 Z 98/82, BayObLGZ 1982, 474).

Ob verschwägerte Personen einander nahestehen, kann nicht allgemein beantwortet werden, sondern ist im Einzelfall aufgrund des konkreten persönlichen Verhältnisses zu entscheiden (KG v. 16.2.1993 – 1 W 6261/91, OLGZ 1993, 393; Weidlich in Grüneberg, BGB, § 2270 Rz. 9). Wenn der überlebende Ehegatte nach § 2270 Abs. 2 BGB im Zweifel an die Schlusserbeinsetzung der Verwandten des Erstversterbenden gebunden ist, kann daraus im Umkehrschluss entnommen werden, dass er an die Schlusserbeinsetzung seiner eigenen Verwandten, die mit dem Erstversterbenden nur verschwägert sind, grundsätzlich nicht gebunden sein soll (KG v. 16.2.1993 – 1 W 6261/91, OLGZ 1993, 393; OLG Koblenz v. 13.12.2006 – 2 U 80/06, NJW-RR 2007, 1599; OLG Schleswig v. 5.9.2011 – 3 Wx 64/10, FamRZ 2012, 402; OLG Saarbrücken v. 16.9.2014 – 5 W 47/14, FamRZ 2015, 877). Nach der allgemeinen Lebenserfahrung soll der überlebende Ehegatte i.d.R. das Recht behalten, die Schlusserbeinsetzung seiner eigenen Verwandten zu ändern, insb. im Hinblick auf eine mögliche Verschlechterung seiner Beziehung zu ihnen (OLG Hamm v. 10.12.2009 – 15 Wx 344/08, FamRZ 2010, 1201).

In solchen Fällen bedarf es deshalb der Feststellung weiterer Umstände für die Annahme, dass zwischen dem Erstversterbenden und den Verwandten des überlebenden Ehegatten ein derartiges Näheverhältnis bestanden hat, das eine Bindung des überlebenden Ehegatten rechtfertigt (KG v. 16.2.1993 – 1 W 6261/91, OLGZ 1993, 393). Vorliegend war im gemeinschaftlichen Testament als Motiv für die Schlusserbeinsetzung des Bruders des Erblassers dessen Unterstützung bei der Pflege der Ehefrau des Erblassers angegeben. Im Hinblick darauf konnte ein entsprechendes Näheverhältnis angenommen werden.

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