Entscheidungsstichwort (Thema)

Wechselbezüglichkeit einer Ersatzschlusserbeneinsetzung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeneinsetzung lässt nicht von vornherein den Schluss auf die Wechselbezüglichkeit und damit die Bindung des längstlebenden Ehegatten an die Einsetzung auch eines Ersatzschlusserben zu, wenn beide nur mit diesem Längstlebenden verwandt sind. Aus dem Gesamtzusammenhang des Testamentes, seinem Wortlaut und seiner Systematik unter Einbezug von Feststellungen über gute Beziehungen des Ersatzerben zu dem erstverstorbenen Ehegatten - auch wenn diese noch nicht ein hinreichendes Näheverhältnis i.S.v. § 2270 Abs. 2 BGB ergeben - kann sich jedoch im Wege der individuellen Auslegung des Testamentes als tatsächlicher Erblasserwille die Wechselbezüglichkeit der Ersatzschlusserbeneinsetzung entnehmen lassen.

 

Normenkette

BGB § 2270 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Pinneberg (Beschluss vom 28.12.2009; Aktenzeichen 56 VI 529/09)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 3. gegen den Beschluss des AG - Nachlassgericht - Pinneberg vom 28.12.2009 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beteiligte zu 3. nach einem Geschäftswert von 40.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten um die Erbfolge nach der am 5.9.2009 93-jährig verstorbenen X (Erblasserin). Der Beteiligte zu 1. ist der (einzige) Neffe der Erblasserin und die Beteiligte zu 2. ihre beim Erbfall noch lebende Schwester. Drei weitere Geschwister sind vorverstorben, zwei von ihnen kinderlos. Die dritte Schwester hinterließ einen Sohn, den Beteiligten zu 1. Die Beteiligte zu 3. war eine Nachbarin der Erblasserin.

Die Erblasserin war zweimal verheiratet. Der ersten Ehe entstammte eine am ... geborene Tochter Y, die am ... verstorben ist. Ihr zweiter Ehemann ... ist am ... verstorben.

Die Eheleute X hatten am 28.10.1980 ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten und zur Alleinerbin nach dem Tode des Längstlebenden die Tochter der Erblasserin und bei deren Wegfall den Beteiligten zu 1. bestimmten. Die Erblasserin setzte in einem allein von ihr verfassten, handschriftlichen Testament vom 1.6.2007 die Beteiligte zu 3. zur "Erbin" ihrer beiden Hunde und ihrer Wohnung ein. Der Wortlaut der Testamente ist aus den beglaubigten Abschriften auf Bl. 3 und 26 der Beiakte ... zu ersehen.

Für die Erblasserin bestand seit dem 18.4.2007 eine Betreuung für den Bereich der Gesundheits- und Vermögenssorge einschließlich eines weitgehenden Einwilligungsvorbehalts der Betreuerin, der Vertretung gegenüber Behörden usw., Wohnungsangelegenheiten und der Regelung des Postverkehrs (...). Seit Januar 2009 lebte sie in einem Seniorenpflegeheim.

Der Beteiligte zu 1. hat am 16.12.2009 unter Berufung auf das erste Testament die Erteilung eines Erbscheines für sich als Alleinerben beantragt. Das zweite Testament hat er für unwirksam gehalten. Er hat gemeint, die Erblasserin habe nach dem Tode ihres Ehemannes keine letztwilligen Verfügungen mehr treffen können, die im Widerspruch zu dem gemeinschaftlichen Testament stünden. Das AG - Nachlassgericht - Pinneberg hat mit Beschluss vom 28.12.2009 die Erteilung eines Erbscheines nach Antrag angekündigt.

Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte zu 3. Beschwerde eingelegt. Sie hat ausgeführt, dass das Testament vom 1.6.2007 eine Erbeinsetzung zu ihren Gunsten beinhalte, weil die Wohnung praktisch der alleinige Nachlassgegenstand sei. Eine Wechselbezüglichkeit der Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1. für den Fall des Vortodes des Ehemannes der Erblasserin hat sie verneint, weil der Beteiligte zu 1. allein mit der Erblasserin verwandt gewesen sei und kein besonderes Näheverhältnis zwischen ihm und dem Ehemann der Erblasserin bestanden habe. Demgegenüber hat der Beteiligte zu 1. seine Erbeinsetzung als für beide Ehegatten X als wechselseitig bindende Verfügung gewertet und behauptet, dass er zu den Eheleuten X schon immer Kontakt gehabt habe. Außerdem sei die Erblasserin bei Errichtung des zweiten Testaments nicht mehr testierfähig gewesen.

Das AG hat ein Gutachten des Sachverständigen Dr. J. zur Frage der Testierfähigkeit eingeholt. Dieser hat unter dem 18.5.2010 ein Gutachten vorgelegt, dem das AG zusammen mit einem weiteren Gutachten, welches der Sachverständige im Betreuungsverfahren erstellt hatte, entnommen hatte, dass die Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments nicht mehr testierfähig gewesen sei. Sie habe ausweislich der Gutachten bereits im Februar/März 2007 an einer mittelgradig ausgeprägten senilen Demenz vom Alzheimertyp gelitten. Da sie nach Auffassung des Sachverständigen nicht mehr ohne Einwilligungsvorbehalt ihres Betreuers am Rechtsverkehr habe teilnehmen können, sei sie nicht mehr in der Lage gewesen die Tragweite einer Erbeinsetzung zu verstehen. Aus diesem Grunde hat das AG der Beschwerde nicht abgeholfen (Beschluss vom 18.6.2010, Bl. 40 d.A.).

Nach Einsicht in die Betreuungsakte hat die Beteiligte zu 3. ihre Beschwerde weiter b...

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