BMF, 19.7.2023, IV C 2 - S 2701/19/10001 :004

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt hinsichtlich der steuerlichen Folgen einer nach dem 31. Dezember 2020 vorgenommenen Löschung einer nach dem Recht des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland (Vereinigtes Königreich) gegründeten Limited aus dem britischen Handelsregister (Companies House) Folgendes:

 

I. Zivilrechtliche Behandlung einer Limited nach dem Brexit

1

Aufgrund des Ausscheidens des Vereinigten Königreichs aus der EU (Brexit) können sich nach dem Recht des Vereinigten Königreichs gegründete Unternehmen, unter anderem in der Rechtsform einer „private company limited by shares” (Limited), die ihren Ort der Geschäftsleitung im Inland haben, nach Ablauf der zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich vereinbarten Übergangsfrist zum 31. Dezember 2020 nicht mehr auf die Grundfreiheiten des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), namentlich die Niederlassungsfreiheit und die auf diese gestützte Anerkennung der Gesellschaft aufgrund der Gründungstheorie, berufen. Aus deutscher Sicht handelt es sich um Drittstaatengesellschaften.

2

Für Gesellschaften aus Drittstaaten bestimmt sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) das anwendbare Gesellschaftsstatut nach der sogenannten „Sitztheorie”. Demnach ist auf eine Gesellschaft das Recht desjenigen Staates anzuwenden, in dem die betroffene Gesellschaft ihren Verwaltungssitz hat (vgl. Urteil des BGH vom 27. Oktober 2008, II ZR 158/06, „Trabrennbahn”, NJW 2009, 289).

3

Demgemäß unterfällt eine nach dem Recht des Vereinigten Königreichs gegründete Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland ab dem 1. Januar 2021 dem deutschen Gesellschaftsrecht. Da das deutsche Gesellschaftsrecht nicht die Gesellschaftsform der „Limited” kennt, ist nach dem Prinzip des Typenzwangs die Limited unabhängig von ihrer Bezeichnung als diejenige Rechtsform zu qualifizieren, deren Voraussetzung sie tatsächlich erfüllt. Dies kann eine GbR, eine OHG oder, bei nur einem Gesellschafter, eine natürliche oder juristische Person sein.

4

Eine nach dem Recht des Vereinigten Königreichs gegründete Mehr-Personen-Limited wahrt mit Ablauf des Übergangszeitraums am 31. Dezember 2020 ihre zivilrechtliche Identität und besteht als GbR oder OHG fort. Hierfür ist es ohne Belang, ob die Gesellschaft weiterhin im Companies House registriert ist. Nach deutschem Personengesellschaftsrecht, das nach der Sitztheorie maßgeblich ist, ist eine Gesellschaft als GbR oder OHG zu qualifizieren, wenn sie den gesetzlich vorgegebenen Tatbestand der jeweiligen Rechtsform erfüllt. Eine Registrierung im Companies House fällt nicht hierunter. Umgekehrt hat auch eine Löschung der Limited im Companies House keine Auswirkungen auf den Fortbestand der Gesellschaft als GbR oder OHG im Inland. Die nach Ablauf des Übergangszeitraums zivilrechtlich als GbR oder OHG zu qualifizierende Gesellschaft besteht also auch nach einer Löschung im Companies House unverändert fort.

5

Ist nur eine Person an der Limited beteiligt, tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2020 zivilrechtlich der bisherige Alleingesellschafter als natürliche oder juristische Person an die Stelle der Limited. Im Falle einer Ein-Personen-Limited ist deren Vermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf ihren Alleingesellschafter übergegangen (vgl. BMF-Schreiben vom 30. Dezember 2020, BStBl 2021 I S. 46).

 

II. Steuerliche Behandlung einer Limited nach dem „Brexit”

6

Die steuerverfahrensrechtliche Behandlung nach dem Ablauf der zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich vereinbarten Übergangsfrist zum 31. Dezember 2020 ergibt sich aus dem BMF-Schreiben vom 30. Dezember 2020, a. a. O.

7

Ertragsteuerlich ist eine Limited mit statutarischem Sitz im Vereinigten Königreich und Ort der Geschäftsleitung im Inland, die nicht im Companies House gelöscht ist, nach dem Rechtstypenvergleich weiterhin als Kapitalgesellschaft zu beurteilen (vgl. Abschnitt IV des BMF-Schreibens vom 19. März 2004, BStBl 2004 I S. 411 sowie Tabellen 1 und 2 zum BMF-Schreiben vom 24. Dezember 1999, BStBl 1999 I S. 1076 unter Berücksichtigung der Änderungen durch BMF-Schreiben vom 20. November 2000, BStBl 2000 I S. 1509, vom 29. September 2004, BStBl 2004 I S. 917, vom 25. August 2009, BStBl 2009 I S. 888, vom 16. April 2010, BStBl 2010 I S. 354, vom 20. Juni 2013, BStBl 2013 I S. 980, vom 26. September 2014, BStBl 2014 I S. 1258 Rn. 4.1.4.2 und vom 22. Dezember 2016, BStBl 2017 I S. 182; BFH-Urteil vom 8. September 2010, I R 6/09, BStBl 2013 II S. 186).

8

Sie unterliegt mit ihren sämtlichen Einkünften der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 KStG (vgl. auch § 8 Absatz 1 Satz 4 KStG). Befindet sich der Ort der Geschäftsleitung nicht im Inland, unterliegt die Limited mit ihren inländischen Einkünften i. S. d. § 49 EStG der beschränkten Steuerpflicht nach § 2 Nummer 1 KStG.

9

Tritt die Limited vor der Löschung im Companies House im Rechtsve...

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