1 Grundsätzliches

1.1 Begriff Steuerbilanz

 

Rz. 1

Der Begriff "Steuerbilanz" ist gesetzlich nicht definiert. § 4 Abs. 2 EStG geht von einer "Vermögensübersicht (Bilanz)" aus. Die Vorschrift knüpft an § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG an, wonach der Gewinn als Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen, definiert wird.

In diesem Zusammenhang hat die "Vermögensübersicht (Bilanz)" den Zweck, den steuerlichen Gewinn zu ermitteln. Da § 4 EStG eine Steuerrechtsvorschrift ist, ist mit "Bilanz" die Steuerbilanz gemeint.

Nach § 5b Abs. 1 EStG ist die Bilanz als sog. E-Bilanz nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz (XBRL-Datensatz) durch Datenfernübertragung zu übermitteln. Für Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung ist damit auch ein steuerrechtliches Gliederungsschema verbunden (Steuer-Taxonomie).[1]

[1] Zur Steuerbilanz vgl. § 5b Abs. 1 Satz 2 EStG; Weber-Grellet, in Schmidt, EStG, 40. Aufl. 2021, § 5b EStG Rz. 3; Schubert/Haußer/Waubke/Adrian, in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 266 Rz. 301.

1.2 Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz

1.2.1 Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung

 

Rz. 2

Für Gewerbetreibende bestimmt § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG, wenn sie gesetzlich zur Buchführung verpflichtet sind oder freiwillig Bücher führen, dass sie ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG zu ermitteln haben. Es ist ausdrücklich vorgeschrieben, dass hierbei die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung[1] zu beachten sind.

 

Rz. 3

Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung sind aber von allen bilanzierenden Steuerpflichtigen einheitlich zu befolgen. Andernfalls wäre die Gleichmäßigkeit der Besteuerung von Gewerbetreibenden und nicht buchführungspflichtigen, aber Bücher führenden Freiberuflern nicht gewährleistet.[2]

1.2.2 Materielle Bindung der Steuerbilanz an die Handelsbilanz

 

Rz. 4

Bei der Gewinnermittlung ist das Betriebsvermögen nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen.[1] Diese sind daher auch für die Steuerbilanz maßgebend, sog. Maßgeblichkeitsgrundsatz.[2] Es besteht also eine materielle Bindung der Steuerbilanz an die Handelsbilanz, unabhängig davon, ob tatsächlich eine Handelsbilanz aufgestellt wird (materieller Maßgeblichkeitsgrundsatz).

Bezüglich der Pflicht zum Ansatz des nach den handelsrechtlichen GoB auszuweisenden Betriebsvermögens in der Steuerbilanz wird auf den Beitrag "Maßgeblichkeitsprinzip: Grundsatz und Auswirkungen" verwiesen.

 

Rz. 5

Kapitalgesellschaften dürfen den Jahresabschluss nach internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS) aufstellen. Sie müssen dann zusätzlich eine Bilanz und eine Gewinn- und Verlustrechnung nach den Vorschriften des 1. Abschnitts und des 1. Unterabschnitts des 2. Abschnitts des HGB aufstellen und in den Anhang aufnehmen.

Der Maßgeblichkeitsgrundsatz besagt, dass die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung auch für die Steuerbilanz maßgebend sind. Es besteht also eine materielle Bindung der Steuerbilanz nur an die Handelsbilanz. Damit wird auch klargestellt, dass das nach den internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS) ermittelte Betriebsvermögen nicht nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG ermittelt wird und damit auch nicht Grundlage für die steuerliche Gewinnermittlung ist. Maßgebend für die steuerliche Gewinnermittlung im Sinne des Maßgeblichkeitsgrundsatzes (Rz. 4 f.) ist also nach wie vor ein handelsrechtlicher Jahresabschluss, der auf den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung beruht.

Lediglich für Zwecke der Offenlegung kann nach § 325 Abs. 2a HGB ein Jahresabschluss nach internationalen Rechnungslegungsstandards treten. § 325 Abs. 2b HGB definiert, welche Anforderungen dieser Abschluss erfüllen muss.[3]

1.2.3 Grenzen der Maßgeblichkeit aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzung von Handels- und Steuerbilanz

 

Rz. 6

Der Maßgeblichkeitsgrundsatz ist jedoch weitgehend durchbrochen. Das folgt bereits aus den unterschiedlichen Zielsetzungen des handelsrechtlichen und des steuerrechtlichen Jahresabschlusses.

1.2.3.1 Zweck der Handelsbilanz

 

Rz. 7

Die auf den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung beruhende Handelsbilanz ist in erster Linie Ausschüttungsbilanz. Sie soll den Gewinn ermitteln, der ohne Gefährdung des Fortbestehens des Unternehmens an seine Inhaber ausgeschüttet werden kann. Eines der wichtigsten Ziele ist daher die Kapitalerhaltung, um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern.

Ihm dient der Vorsichtsgrundsatz, allerdings nicht im Sinne von "der Kaufmann muss sich möglichst arm machen". Denn das Legen von stillen Reserven um jeden Preis birgt die Gefahr, dass in Zeiten, in denen das Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten ist, die stillen Reserven unkontroll...

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