I. Grundfall

 

Rz. 16

[Autor/Stand] Im Gegensatz zur Bewertung nach den Regelverfahren (Vergleichswertverfahren, Ertragswertverfahren, Sachwertverfahren) und zur Bewertung der Erbbaurechte und Erbbaugrundstücke konnte für die Bewertung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden nicht auf Vorschriften der Verkehrswertermittlung[2] zurückgegriffen werden. Daher ist das Verfahren zur Wertermittlung bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden stark typisiert und gegenüber der Bewertung eines Erbbaurechts (§§ 192193 BewG) wesentlich vereinfacht worden. Maßgeblich für die Bewertung ist die Sicht eines möglichen Erwerbers des Gebäudes. Dieser würde für das Objekt im Regelfall nur den aktuellen Gebäudewert (Gebäudeertragswert oder Gebäudesachwert) zahlen wollen.

 

Rz. 17

[Autor/Stand] Die Bewertung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist in § 195 Abs. 2 BewG geregelt. Demnach ergibt sich der Grundbesitzwert des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden bei der Bewertung im Ertragswertverfahren aus dem Gebäudeertragswert (s. § 185 BewG Rz. 3 ff.). Bei der Bewertung des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden im Sachwertverfahren ergibt sich der Grundbesitzwert aus dem Gebäudesachwert (s. § 190 BewG a.F. Rz. 6 ff. für Bewertungsstichtage bis zum 31.12.2015 bzw. § 190 BewG n.F. Rz. 16 ff. für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2016). Eine Anpassung des Gebäudesachwerts an den gemeinen Wert durch einen Marktanpassungsfaktor bzw. eine Wertzahl (s. § 191 BewG Rz. 9 ff. bzw. 21 ff.) erfolgt im Gegensatz zum Sachwertverfahren nicht. Damit kann es im Einzelfall durchaus zur Überbewertung kommen. Eine vorrangige Bewertung des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden im Vergleichswertverfahren kommt – im Gegensatz zum Erbbaurecht – nicht in Betracht[4].

 

Rz. 17.1

[Autor/Stand] Bei der Bewertung eines Gebäudes auf fremdem Grund und Boden kann es zu einem negativen Gebäudeertragswert kommen. Denn nach § 195 Abs. 2 Satz 1 BewG wird das Gebäude auf fremdem Grund und Boden bei einer Bewertung im Ertragswertverfahren mit dem Gebäudeertragswert nach § 185 BewG bewertet. Dieser kann aufgrund des Abzugs der Bodenwertverzinsung nach § 185 Abs. 2 BewG negativ ausfallen. Der Ansatz des negativen Gebäudeertragswerts wird beim Ertragswertverfahren nach § 184 Abs. 3 Satz 2 BewG ausgeschlossen, da als Grundbesitzwert nach dem Ertragswertwertverfahren (§§ 184188 BewG) mindestens der Bodenwert anzusetzen ist. Auf diesen im § 184 BewG verankerten Mindestwertansatz nimmt § 195 BewG beim Gebäude auf fremdem Grund und Boden jedoch keinen Bezug. Dies hat zur Folge, dass diese Regelung beim Gebäude auf fremdem Grund und Boden nicht greift. Folglich kann es an dieser Stelle zum Ansatz eines negativen Gebäudeertragswerts kommen. Dies wird z.B. dann der Fall sein, wenn das Gebäude auf fremdem Grund und Boden auf einem Grundstück mit hohem Bodenwert errichtet wurde, für das Gebäude jedoch aufgrund des Alters oder des Zustandes nur eine geringe Miete erzielt werden kann (älteres Ladenlokal in guter oder sehr guter Lage).

 

Rz. 17.2

 

Beispiel

In Innenstadtlage wurde 2005 ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden in Form eines kleineren eingeschossigen und mittlerweile etwas renovierungsbedürftigen Verbrauchermarktes errichtet. Das Gebäude geht bei Ablauf des Nutzungsrechts (30.9.2035) gegen Entschädigung des Verkehrswerts auf den Eigentümer des Grund und Bodens über. Der Verbrauchermarkt ist für monatlich 1.200 EUR vermietet (dies entspricht der üblichen Miete für einen vergleichbaren Verbrauchermarkt). Das Grundstück ist 500 m[2] groß. Der Bodenrichtwert ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen und beträgt zum 1.1.2022 380 EUR/m[2]. Der örtliche Gutachterausschuss hat weder Erfahrungssätze für Bewirtschaftungskosten noch Liegenschaftszinssätze im Grundstücksmarktbericht zur Verfügung gestellt. Für Zwecke der Erbschaftsteuer ist der Grundbesitzwert auf den 30.6.2022 zu ermitteln.

[Autor/Stand] Der auf fremdem Grund und Boden errichtete Verbrauchermarkt stellt ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden dar. Da das Gebäude ausschließlich zu fremden gewerblichen Zwecken genutzt wird, handelt es sich um ein Geschäftsgrundstück (§ 181 Abs. 6 BewG). Für das Geschäftsgrundstück lässt sich die übliche Miete auf dem örtlichen Grundstücksmarkt ermitteln (sie entspricht der tatsächlich vereinbarten Miete), so dass die Bewertung im Ertragswertverfahren (§ 182 Abs. 3 Nr. 2 BewG) erfolgt. Da der Gutachterausschuss weder Erfahrungssätze für Bewirtschaftungskosten noch einen Liegenschaftszinssatz zur Verfügung stellt, sind jeweils die gesetzlichen Werte anzusetzen. Der Grundbesitzwert ermittelt sich wie folgt (§ 195 Abs. 2 i.V.m. § 185 BewG):

 
Rohertrag (1.200 EUR × 12 Monate) 14.400 EUR
abzüglich Bewirtschaftungskosten: 14.400 EUR × 23 % –  3.312 EUR
gesetzliche Bewirtschaftungskosten nach Anlage 23 zum BewG  
wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer (GND) für das Geschäftsgrundstück lt. Anlage 22 zum BewG = 30 Jahre, Alter am Bewertungsstichtag = 17 Jahre (2022 – 2005), Restnutzungsdauer = 13 Jahre (mind. 30 % ...

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