Rz. 136

[Autor/Stand] Die Neufassung des § 11 Abs. 2 BewG i.d.F. des Erbschaftsteuerreformgesetzes[2] regelt die Ermittlung des gemeinen Werts von Anteilen an Kapitalgesellschaften, die nicht unter § 11 Abs. 1 BewG fallen. Das bedeutet, der Anteilswert wird nach Maßgabe des § 11 Abs. 2 BewG ermittelt, wenn die Anteile nicht an der Börse gehandelt werden.

 

Rz. 137

[Autor/Stand] Die Wertermittlung richtet sich nach dem Willen des Gesetzgebers nunmehr nach den allgemeinen Methoden einer ertragsabhängigen Bewertung. Daneben sind auch andere anerkannte übliche Methoden zulässig, die auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nicht steuerliche Zwecke angewandt werden. Sowohl die Bewertung unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft als auch nach anderen anerkannten Bewertungsmethoden, die allgemein üblich sind. Insoweit handelt es sich also nicht um rein steuerliche Unternehmensbewertungen.

 

Rz. 138

[Autor/Stand] Für steuerliche Zwecke bietet der Gesetzgeber in § 11 Abs. 2 Satz 4 BewG durch den Verweis auf §§ 199 bis 203 BewG ein vereinfachtes Ertragswertverfahren an, das mit den bisherigen vorsichtigen steuerlichen Bewertungsmethoden keine wesentlichen Gemeinsamkeiten mehr aufweist. Vielmehr verlangt das vereinfachte Ertragswertverfahren die Kapitalisierung des zukünftig nachhaltig erzielbaren Jahresertrags mit einem gesetzlich festgelegten Kapitalisierungsfaktor (§ 203 BewG). Zunächst hing der Faktor vom Basiszinssatz ab, der zu Beginn des Kalenderjahrs vom BMF im Bundessteuerblatt zu veröffentlichen war. In der Praxis wurden zum Teil Überbewertungen befürchtet, wobei belastbare empirische Untersuchungen fehlen. Seit dem 1.7.2016 gilt kein jährlich wechselnder Faktor mehr. Vielmehr beträgt der Faktor seitdem einheitlich 13,75; s. Rz. 82).

 

Rz. 139

[Autor/Stand] Unabhängig von der – durchaus kontrovers diskutierten – Wahl des maßgebenden Bewertungsverfahrens ist mindestens der sich nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG ergebende Substanzwert anzusetzen, der als Mindestwertansatz nicht unterschritten werden darf. Der Substanzwert ergibt sich aus der Summe der gemeinen Werte der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze abzüglich der zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden und sonstigen Abzüge der Gesellschaft. Dabei sind § 99 BewG (Ansatz der Betriebsgrundstücke) und § 103 BewG (Regelung zur Abzugsfähigkeit von Schulden) zu berücksichtigen.

 

Rz. 140

[Autor/Stand] Das vereinfachte Ertragswertverfahren enthält eine Vielzahl von Typisierungen. Schwerwiegend ist die seit dem 1.1.2016 undifferenzierte Maßgeblichkeit eines einheitlichen Vervielfältigers von 13,75. Aber auch zuvor war die Tatsache, dass unabhängig von der Branche des jeweiligen Unternehmens von einem einheitlichen (Risiko-) Zuschlag von 4,5 % ausgegangen wurde, eine sehr weitgehende Typisierung. Dies kann dazu führen, dass die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens erheblich von den Bewertungsergebnissen allgemeiner Bewertungsmethoden abweicht.

 

Rz. 141

[Autor/Stand] In der Praxis existieren verschiedene Bewertungsmethoden zur Ermittlung von Unternehmenswerten. Zu den bekannten Verfahren gehören beispielsweise IDW S1 oder Discounted-Cashflow-Methoden. Daneben existieren für viele freiberufliche Tätigkeiten so genannte Multiplikatorenverfahren, mit denen der gemeine Wert einer freiberuflichen Praxis ermittelt werden kann. Auch für Handwerksberufe sind von den Handwerkskammern individuelle Methoden zur Ermittlung des Unternehmenswerts entwickelt worden.

 

Rz. 142

[Autor/Stand] Zwar soll sich bei allen Methoden der Unternehmensbewertung stets der gemeine Wert als Zielgröße ergeben. Unabhängig von der angewandten Methode sollte sich somit idealtypisch derselbe Betrag ergeben. Jedoch dürfte dies in erster Linie eine theoretische Annahme sein. Die Vorstellung, dass sich in der Praxis – unabhängig von der Wahl der Bewertungsmethode – stets derselbe Betrag ergibt, ist nicht realitätsnah. Dies liegt insbesondere an den vielen Einflussgrößen, die das rechnerische Ergebnis und damit den gemeinen Wert unmittelbar beeinflussen können. Die in erster Linie notwendige Prognostizierung der zukünftig nachhaltig erzielbaren Jahreserträge ist ebenso von subjektiven Einschätzungen abhängig wie die ebenfalls wichtige und unverzichtbare Bewertung der Risikofaktoren des Unternehmens. Unterschiedliche Einschätzungen können zu erheblichen Schwankungen der Bewertungsergebnisse führen. Dies wird zum Teil zwar bestritten, weil bei einer seriösen Unternehmensbewertung von verschiedenen Szenarien ausgegangen werden muss, so dass letztendlich die Bandbreite des Unternehmenswerts relativ klein ausfallen muss. Bei einer "seriösen" Unternehmensbewertung dürfte dies tatsächlich so sein. In der Praxis lässt sich jedoch auch ein anderes Bild kaum vermeiden. Dabei bekennen sich die mit der Unternehmensbewertung befassten Personen zum Teil relativ offen dazu, dass es einerseits den "echten" Unternehmenswerts nicht gebe und andererseits mit der en...

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