Schutz von Gesellschaftsorganen vor Haftungsrisiken

Die DVFA e.V. (Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management) hat im März dieses Jahres die Grundsätze für die Erstellung von Fairness Opinions neu gefasst. Dies gibt Anlass, die Frage zu untersuchen, ob solche Fairness Opinions geeignet sind, die Haftungsrisiken von Gesellschaftsorganen bei Unternehmenstransaktionen zu reduzieren.

Definition

Eine Fairness Opinion ist die Stellungnahme eines sachverständigen Dritten zur finanziellen Angemessenheit des Kauf – bzw. Angebotspreises bei einer Unternehmenstransaktion. Sie wird u. a. im Zusammenhang mit dem Kauf und Verkauf von Gesellschaftsanteilen und dem Erwerb börsennotierter Unternehmen im Rahmen von öffentlichen Übernahme - und Delisting - Angeboten im Auftrag der Organe der beteiligten Gesellschaften erstellt (Grundsätze Fairness Opinions Ziffer 1).

Methodik

Für die Beurteilung der finanziellen Angemessenheit des Transaktionspreises ist nach Auffassung der DFVA e.V. eine Unternehmensbewertung durchzuführen. Diese soll nach „in der Betriebswirtschaft anerkannten Methoden“ erfolgen. Hierunter sind insbesondere die gemäß Berufsstandard IDW S 1 des Instituts der Wirtschaftsprüfer e.V. („IDW“) vorrangig für Unternehmensbewertungen anzuwendenden Verfahren zur verstehen (vgl. IDW S 8 „Grundsätze für die Erstellung von Fairness Opinions“, Tz. 12).

Diese umfassen zum einen die kapitalwertorientierten Verfahren (Discounted Cash-Flow-Verfahren, Ertragswertverfahren) sowie zum anderen marktpreisorientierte Verfahren, wie z. B. Analysen von Börsenkursen des Transaktionsobjekts und Multiplikatorverfahren (Trading und Transactions Multiples). Sowohl kapitalwertorientierte als auch marktpreisorientierte Verfahren definieren den Unternehmenswert als Zukunftserfolgswert, da sie jeweils auf die aus dem Transaktionsobjekt zukünftig zu erzielenden finanziellen Überschüsse abstellen. Aus Gründen der Vergleichbarkeit mit den kapitalwertorientierten Verfahren sollten daher auch die Multiplikatorverfahren vorrangig auf prognostizierte Bezugsgrößen des Transaktionsobjekts (bspw. Umsatz- oder Ergebnisprognosen) Bezug nehmen.

Für Zwecke der Fairness Opinion ist dabei grundsätzlich von der Gleichwertigkeit der Bewertungsverfahren auszugehen.

Aus den angewandten Verfahren und Analysen zur Beurteilung des Transaktionspreises resultiert regelmäßig eine Bandbreite (vgl. IDW S 8, Tz. 30) möglicher Eigenkapitalwerte (Equity Value). Die Fairness Opinion sollte daher eine Gesamtwürdigung der Bewertungsergebnisse anhand der ermittelten Wertbandbreiten enthalten.

Für die Beurteilung der Fairness ist es ausreichend, dass der Ersteller der Opinion unter Abwägung der Wertbandbreiten verschiedener Bewertungsmethoden sowie der grundsätzlichen Vor- und Nachteile der einzelnen Methoden im Einzelfall zu der Überzeugung gelangt, dass die Gegenleistung für die zu beurteilende Transaktion für den Käufer bzw. Verkäufer finanziell angemessen ist.

Pflichtverletzung

Sowohl das Aktiengesetz (§ 93 Abs. 2 AktG) als auch das GmbH-Gesetz (§ 43 Abs. 2 GmbHG) sehen für Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer eine Haftung mit Schadensersatzverpflichtung vor, wenn diese ihre Pflichten bzw. Obliegenheiten verletzen. Eine solche Pflichtverletzung liegt bei einem Vorstandsmitglied nicht vor, wenn dieses „bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“ (§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG – sog. Business Judgement Rule). Diese Bestimmung findet auf Geschäftsführer von GmbHs entsprechende Anwendung.

Es ist anerkannt, dass eine Fairness Opinion bei M&A Transaktionen grundsätzlich Bestandteil der „angemessenen Informationen“ sein kann und damit geeignet ist, dazu beizutragen, eine Pflichtverletzung eines Vorstandsmitglieds oder Geschäftsführers bei Durchführung einer Unternehmenstransaktion zu vermeiden. Im Folgenden soll daher untersucht werden, in welchen Fällen die Einholung einer Fairness Opinion im Einzelnen sinnvoll und angezeigt ist.

Öffentliche Übernahmen, „private“ Transaktionen

Fairness Opinions sind bisher im Bereich öffentlicher Übernahmen nach dem Wertpapiererwerbs – und Übernahmegesetz (WpÜG) weit verbreitet. Im Durchschnitt der letzten drei Jahre wurden in nahezu 70% aller Übernahmen Fairness Opinions von Organen der beteiligten Gesellschaften eingeholt (Quelle: PVT/finexpert, Analyse Value Trust). Statistische Erhebungen über die Verwendung von Fairness Opinions bei anderen, „privaten“ Transaktionen sind nicht vorhanden, da hierzu keine veröffentlichten Daten vorliegen. Der Prozentsatz solcher Transaktionen, bei denen Fairness Opinions eingeholt werden, dürfte jedoch deutlich unter den vorgenannten 70 % liegen.

Bei der Frage, in welchen Konstellationen die Einholung einer Fairness Opinion sinnvoll erscheint, ist zwischen Aktiengesellschaften (AGs) und GmbHs zu unterscheiden.

AGs

Bei AGs entscheidet grundsätzlich der Vorstand über die Durchführung einer Transaktion, es sei denn, das AktG sieht eine Befassung der Hauptversammlung vor, wie z. B. bei der Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens (§ 179a AktG) oder bei sog. „Holzmüller / Gelatine“-Fällen (schwerwiegende Eingriffe in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren Anteilseigentum). Liegen solche Ausnahmefälle nicht vor, ist die alleinige Entscheidungsmacht des Vorstands allenfalls durch ein Zustimmungserfordernis des Aufsichtsrats zu der geplanten Transaktion eingeschränkt, das sich aus der Satzung, der Geschäftsordnung oder dem Anstellungsvertrag der Vorstandsmitglieder ergeben kann.

Selbst wenn aber der Aufsichtsrat in einem solchen Fall der Transaktion zugestimmt hat, kann dies nicht verhindern, dass Aktionäre die Angemessenheit des in der Transaktion vereinbarten Kaufpreises anzweifeln, gegen Vorstand und ggf. auch Aufsichtsrat vorgehen und Schadensersatzansprüche geltend machen, weil der Kauf – oder Verkaufspreis zu Lasten der Gesellschaft unangemessen und die Entscheidung nicht von der Business Judgement Rule gedeckt war. In all diesen Fällen verbessert der Vorstand seine Position im Falle einer Inanspruchnahme deutlich, wenn er vor Abschluss der Transaktion von einem unabhängigen Sachverständigen in einer Fairness Opinion eine Bestätigung für die Angemessenheit des jeweiligen Kauf - oder Verkaufspreises erhalten hat. Bei zustimmungspflichtigen Transaktionen kann auch der Aufsichtsrat seine Zustimmung durch eine Fairness Opinion bestätigen lassen, vor allem dann, wenn der Vorstand eine solche nicht eingeholt hat.

GmbHs

Anders liegt hingegen die Sachlage bei der GmbH. Hier kann die Gesellschafterversammlung Geschäftsführungsfragen, die ihr vorgelegt werden oder die sie von sich aus an sich zieht, mit einfacher Mehrheit durch Beschluss entscheiden. Meist enthalten Gesellschaftsverträge oder Anstellungsverträge von GmbH - Geschäftsführern einen Katalog zustimmungsbedürftiger Geschäftsführungsmaßnahmen, die nur mit Zustimmung der Gesellschafterversammlung vorgenommen werden dürfen. Selbst bei Fehlen eines solchen, vertraglich festgelegten, Zustimmungserfordernisses steht es den Geschäftsführern frei, die Entscheidung über die Durchführung einer Unternehmenstransaktion der Gesellschafterversammlung vorzulegen.

Entscheidet daher in solchen Fällen die Gesellschafterversammlung über die Durchführung oder Nichtdurchführung einer Transaktion und weist die Geschäftsführung ggf. an, diese durchzuführen, ist diese an die Entscheidung bzw. Weisung der Gesellschafterversammlung gebunden. Deren Befolgung kann somit in aller Regel (Ausnahme gesetzwidrige Weisungen) keinen Pflichtenverstoß begründen. Dies gilt auch und insbesondere, wenn es sich bei mehreren Gesellschaftern um eine ordnungsmäßig zustande gekommene Mehrheitsentscheidung in der Gesellschafterversammlung handelt. Liegen diese Voraussetzungen vor, scheidet eine Haftung der Geschäftsführer wegen deren Weisungsgebundenheit gegenüber der Gesellschafterversammlung aus, selbst wenn der der Transaktion zugrundeliegende Kaufpreis unangemessen sein sollte. Die Einholung einer Fairness Opinion durch die Geschäftsführer dürfte sich daher hier erübrigen.

Etwas Anderes könnte sich aber dann ergeben, wenn in einer GmbH die Geschäftsführer berechtigt sind, auch ohne Zustimmung der Gesellschafterversammlung eine Unternehmenstransaktion durchzuführen, weil Gesellschafts - oder Anstellungsvertrag keine zustimmungspflichtigen Geschäfte vorsehen. Bei einer solchen Konstellation erscheint es aber aus Sicht der Geschäftsführung angezeigt, bei Zweifeln über die Angemessenheit des der Unternehmenstransaktion zugrundeliegenden Kaufpreises, vor deren Durchführung die Zustimmung der Gesellschafterversammlung einzuholen. Lediglich wenn eine solche Vorlage, etwa wegen mangelnder Sachkunde der Gesellschafter, nicht angezeigt erscheint, wäre der Geschäftsführung die Einholung einer Fairness Opinion zur Absicherung der eigenen Entscheidung anzuraten.

Continuation Funds

Ein spezieller Anwendungsbereich für Fairness Opinions auch bei GmbHs liegt bei sog. Continuation Funds im Private Equity Bereich. Dabei werden - vereinfacht ausgedrückt - Beteiligungen eines Private Equity-Fonds an Portfolio Unternehmen, die weiteres Wachstumspotenzial aufweisen, nicht an Dritte verkauft sondern auf einen anderen Private Equity - Fonds übertragen, um dort dieses Wachstumspotenzial zu realisieren. Beide Fonds werden dabei vom selben Investmentmanager vertreten, so dass hier grundsätzlich ein Interessenskonflikt gegeben ist. Um ein aus diesem Interessenskonflikt möglicherweise entstehendes Haftungsrisiko für den Investmentmanager zu reduzieren, kann sich dieser durch eine Fairness Opinion bestätigen lassen, dass die Konditionen, zu denen die Beteiligungen übertragen werden, angemessen und marktüblich sind.