Rz. 9

Ebenso wie bei der vollstationären Behandlung hinsichtlich der Frage der Notwendigkeit und Erforderlichkeit einer stationären Krankenhausbehandlung kommt auch bei der tagesstationären Behandlung den behandelnden Ärztinnen und Ärzten die Aufgabe zu, zu entscheiden, in welchen medizinischen Fällen eine tagesstationäre Behandlung anstelle einer vollstationären Behandlung möglich und ausreichend ist. Die Schwierigkeit einer derartigen Entscheidung wird schon angesichts der normativen Vor- und Nachrangregelung in § 39 gerade nicht dadurch erleichtert, dass Abs. 1 Satz 1 den weiteren unbestimmten Begriff "in medizinisch geeigneten Fällen" anfügt. Dies gilt bei einer Entscheidung für die Erbringung von tagesstationärer Behandlung in medizinisch nicht geeigneten Fällen umso mehr für den entbehrlichen Hinweis in der amtlichen Begründung (BT-Drs. 20/4708 (neu) S. 98), dass das Krankenhaus für entstandene Schäden der Patientin oder des Patienten in gleicher Weise hafte, wie wenn es die Behandlung ambulant oder teilstationär erbringt, obwohl aus medizinischer Sicht eine vollstationäre Behandlung erforderlich gewesen wäre (krit. hierzu Weber, Rz. 21). Für eine etwaige zivilrechtliche Haftung versteht sich das von selbst. Für die sozialversicherungsrechtliche Frage hinsichtlich der Behandlungskosten gelten die in der Rechtsprechung erarbeiteten Kriterien für die Abwicklung in dem Dreiecksverhältnis zwischen Versichertem-Krankenhaus-Krankenkasse. In Streitfällen hat das Sozialgericht eine uneingeschränkte Überprüfung vorzunehmen, bei der nachträglichen Prüfung aber hinsichtlich der Notwendigkeit im Nachhinein vom verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes bei der stationären Aufnahme oder Weiterbehandlung auszugehen (vgl. ausführlich die Komm. zu § 39 Rz. 24 ff.).

 

Rz. 10

Eine Hilfestellung gibt das Gesetz insoweit, als es vorgibt, welche Leistungen von vornherein einen medizinisch nicht geeigneten Fall in diesem Sinne darstellen können. So scheidet ein solcher Fall schon bei Patienten aus, die Leistungen nach § 37 (häusliche Krankenpflege) erhalten. Ebenso können gemäß Abs. 1 Satz 3 Leistungen nach den §§ 115b (Ambulantes Operieren im Krankenhaus), 115f (Spezielle sektorengleiche Vergütung), 121 (Belegärztliche Leistungen), Leistungen, die auf der Grundlage der §§ 116 (Ambulante Behandlung durch Krankenhausärzte), 116a (Ambulante Behandlung durch Krankenhausärzte bei Unterversorgung), 117 (Hochschulambulanzen), 118a (Geriatrische Institutsambulanzen), 119 (Sozialpädiatrische Zentren) oder sonstiger Ermächtigung erbracht werden, nach § 116b ambulant erbringbare Leistungen sowie eintägige Behandlungen ohne Einweisungen und Behandlung in der Notaufnahme eines Krankenhauses von vornherein nicht als tagesstationäre Behandlung erbracht werden.

 

Rz. 11

Damit kommen für die tagesstationäre Behandlung nur Leistungen in Betracht, die bislang vollstationär durchgeführt wurden und für die die Infrastruktur des Krankenhauses erforderlich ist. Innerhalb dieses Spektrums wird für große, komplexe oder risikoreiche Behandlungen eine tagesstationäre Behandlung von vornherein regelhaft nicht in Betracht kommen. Bei der Entscheidungsfindung hat das Krankenhaus neben der medizinischen Indikation auch die soziale, insbesondere häusliche Versorgungssituation der Patientin oder des Patienten zu berücksichtigen. Ist eine erforderliche häusliche Versorgung über Nacht nicht sichergestellt, scheidet eine tagesstationäre Behandlung von vornherein aus. Als Entscheidungshilfe empfiehlt es sich, die Kriterien für die Beurteilung der Notwendigkeit stationärer Behandlungen (G-AEP-Kriterien/Kontextfaktoren), die in der Anl. 2 zu dem ab 1.1.2023 geltenden AOP-Vertrag vereinbart worden sind, zu berücksichtigen (https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/amb_stat_vers/ambulantes_operieren/aop_vertrag/KH_G-AEP-Kriterien_2004-04-06.pdf). Diese nehmen unter anderem die Schwere der Erkrankung, die Intensität der Behandlung, die Komorbiditäten i. V. m. Operationen oder krankenhausspezifischen Maßnahmen und die Notwendigkeit intensiver Betreuung sowie soziale Faktoren, aufgrund derer eine medizinische Versorgung des Patienten nicht möglich wäre wie fehlende Kommunikationsmöglichkeit, mangelnde Einsichtsfähigkeit des Patienten oder fehlende Versorgungsmöglichkeiten mit in den Blickpunkt.

 

Rz. 12

Es steht zu befürchten, dass diese Regelungskonzeption mehr Fragen aufwirft, als Probleme löst. So bleibt abzuwarten, ob es aus medizinisch-fachlicher Perspektive überhaupt eine nennenswerte Zahl von Indikatoren gibt, bei denen eine Patientin/ein Patient bei medizinisch notwendiger tagesstationärer Behandlung über Nacht gut zu Hause aufgehoben ist, am nächsten Tag aber wiederum zwingend für mindestens 6 Stunden ins Krankenhaus zurückkehren muss. Legt man ferner den Begriff "vollstationär" in Abs. 1 Satz 1 "anstelle einer vollstationären Behandlung" qua definitione der Rechtsprechung aus, so entbehren die Begrün...

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