Rz. 6

Da die tagesstationäre Behandlung anstelle einer vollstationären Behandlung erbracht werden soll, muss sie – was § 39 Abs. 1 Satz 5 ausdrücklich klarstellt – grundsätzlich einer vollstationären Behandlung entsprechen. Die vollstationäre Behandlung bedingt eine physische und organisatorische Eingliederung in das spezifische Versorgungssystem eines Krankenhauses; allerdings muss sich die Behandlung nach dem Behandlungsplan des Krankenhausarztes in der Vorschau zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstrecken (BSG, Urteil v. 4.3.2004, B 3 KR 4/03 R). Da die tagesstationäre Behandlung demgegenüber gemäß § 39 Abs. 1 Satz 4 nur in Betracht kommt, wenn sie ohne Übernachtung im Krankenhaus durchgeführt wird, ist das normative Element "anstelle einer vollstationären Behandlung" systematisch schief. Vielmehr stellt sich tagesstationäre Behandlung eher als eine Modifikation der teilstationären Behandlung dar. Diese ist durch eine regelmäßige, aber nicht durchgehende Anwesenheit der Versicherten im Krankenhaus gekennzeichnet ist. Versicherte können teilstationäre Krankenhausbehandlung in Gestalt mehrstündiger Behandlungen an einzelnen Tagen erhalten (BSG, Urteil v. 19.4.2016, B 1 KR 21/15 R). Teilstationäre Behandlung ist nicht auf eine Aufnahme rund um die Uhr ausgerichtet, sondern umfasst nur jeweils einen Teil des Tages (vgl. hierzu die Komm. zu § 39, Rz. 10 ff.). Diesen "Teil des Tages" konkretisiert die tagesstationäre Behandlung mit einem täglich mindestens 6-stündigen Aufenthalt der Patientin/des Patienten im Krankenhaus. Dieser zeitliche Mindestumfang ist neben der Voraussetzung einer tagsüber und nicht auch nachts gebotenen Behandlung damit das maßgebliche Kriterium zur Unterscheidung von teilstationärer und tagesstationärer Behandlung. In diesem Zeitraum soll überwiegend ärztliche oder pflegerische Behandlung erbracht werden. Die gesetzliche Formulierung lässt auch im Hinblick auf die gebotene Abgrenzung zu einer teilstationären oder ambulanten Behandlung nur den Schluss zu, dass damit der ärztliche und/oder pflegerische Zeitaufwand mehr als 3 Stunden betragen muss. Ferner muss zwischen Aufnahme- und Entlasstag mindestens eine Übernachtung außerhalb des Krankenhauses erfolgen.

 

Rz. 7

Vor dem Hintergrund des in § 39 Abs. 1 normierten Vor- und Nachrangverhältnisses der verschiedenen Behandlungsformen kommt von vornherein eine tagesstationäre Behandlung nicht in Betracht in Fällen, in denen der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) Abrechnungsmöglichkeiten für die Behandlung von mehr als 6 Stunden vorsieht. Das ist z. B. nach der GOP 01512 in Form einer Zusatzpauschale für Beobachtung und Betreuung mit einer Dauer von mehr als 6 Stunden u. a. bei Beobachtung und Betreuung eines Kranken mit konsumierender Erkrankung (fortgeschrittenes Malignom, HIV-Erkrankung) in einer Arztpraxis oder praxisklinischen Einrichtung gemäß § 115 Abs. 2, in ermächtigten Einrichtungen oder durch einen ermächtigten Arzt gemäß §§ 31, 31a Ärzte-ZV unter parenteraler intraversaler Behandlung mittels Kathetersystem der Fall.

 

Rz. 8

Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 5 hat die tagesstationäre Behandlung hinsichtlich der Inhalte sowie der Flexibilität und Komplexität der Behandlung einer vollstationären Behandlung zu entsprechen. Der Krankenhausträger hat daher gemäß § 115e Abs. 1 Satz 5 sicherzustellen, dass die notwendigen Leistungen nach § 39 Abs. 1 Satz 3 bei Bedarf jederzeit zur Verfügung stehen. Das bedeutet, dass Krankenhausstrukturen im Rahmen der tagesstationären Behandlung vorzuhalten sind und die Möglichkeit der notfallmäßigen Behandlung sowie bei einem ungünstigen Verlauf einem unmittelbaren Wechsel der tagesstationären Behandlung in eine Behandlung über Nacht bestehen muss. Folglich müssen bei Komplikationen im Rahmen der tagesstationären Behandlung die erforderlichen Ärztinnen und Ärzte, nichtärztliche Fachkräfte und Bettenkapazitäten auch nachts zur Verfügung stehen (amtliche Begründung in BT-Drs. 20/4708 (neu) S. 98).

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