Rz. 38

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.[1] Durch Hinwirken auf sachdienliche und klare Anträge[2] ist das wirkliche Klagebegehren zu ermitteln. An dessen Inhalt ist das Gericht gebunden. Maßgeblich ist der in der mündlichen Verhandlung protokollierte Antrag[3], wobei dieser das Begehren des Klägers wiedergeben muss. Lediglich unklare Formulierungen im Antrag sind unbeachtlich. Das Gericht darf inhaltlich über den Klageantrag nicht hinausgehen und auch nicht ein "aliud", etwas wesensmäßig anderes als das Begehrte, zusprechen.[4] Dies ist z. B. der Fall, wenn das Gericht von einem anderen Lebenssachverhalt ausgeht als dem, der dem Verwaltungsakt zugrunde gelegt wurde.[5] Wohl aber kann das Gericht hinter dem Antrag zurückbleiben, indem es der Klage nur teilweise stattgibt, sie im Übrigen jedoch abweist. Das Gericht darf jedoch das Klagebegehren auch nicht unterschreiten.

 

Rz. 39

Eine Ausnahme will der BFH dann zulassen, wenn nach Auffassung des Gerichts der angefochtene Bescheid insgesamt rechtswidrig oder nichtig ist, der Kläger aber nur Änderung beantragt hat, z. B. bei unwirksamer Bekanntgabe oder inhaltlicher Unbestimmtheit.[6] § 96 Abs. 1 S. 2 FGO soll dann nicht gelten und der angefochtene Bescheid kassiert werden, weil sonst eine dem Gesetz entsprechende Entscheidung über den Streitpunkt nicht möglich sei.[7] Fraglich erscheint es, in diesen Fällen ebenfalls über das Klagebegehren hinauszugehen. Allerdings können bei einer Anfechtungsklage im Fall der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts zur Beseitigung des Rechtsscheins die Feststellung der Nichtigkeit und die gleichzeitige (klarstellende) Aufhebung sachdienlich sein. Diese Fallgestaltung sollte aber auf wenige Ausnahmefälle begrenzt werden.

 

Rz. 40

Der Beklagte wird regelmäßig den Antrag stellen, die Klage abzuweisen. Ob allerdings der Beklagte überhaupt einen Antrag stellt und welchen Inhalt der Antrag hat, ist verfahrensrechtlich ohne Bedeutung. Denn wegen des Amtsermittlungsprinzips und weil der Streitgegenstand allein vom Kläger bestimmt wird, haben Stellungnahmen und Anträge des Beklagten lediglich die Bedeutung einer prozessualen Anregung an das Gericht.[8] Das FA, das regelmäßig Beklagter ist, hat jedoch als Beteiligter am Verfahren mitzuwirken. Im Rahmen der Würdigung des Gesamtergebnisses kann das Gericht aus dem Schweigen bzw. den Einlassungen des FA seine Schlüsse ziehen.[9] Allerdings kann beispielsweise nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ein Parteiwechsel eintreten und das FA die Rolle des Klägers übernehmen.[10]

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