Rz. 38

Die Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO erfolgt von Amts wegen. Im Unterschied zum Ruhen des Verfahrens nach § 155 S. 1 FGO i. V. m. § 251 ZPO ist ein Antrag der Beteiligten nicht erforderlich und kann daher auch gegen den ausdrücklichen Willen eines Beteiligten erfolgen.[1] Die Verfahrensaussetzung kann allerdings auch auf Anregung der Beteiligten erfolgen. Ein solches Begehren der Beteiligten ist für das Gericht aber nicht bindend. Eine gleichwohl vom Beteiligten gegebene Zustimmungserklärung ist jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufbar.[2] Jedenfalls hat das FG bei seiner Aussetzungsentscheidung aber die Interessen der Beteiligten an einer Aussetzung bzw. Fortführung des Verfahrens zu berücksichtigen, sodass den Beteiligten vor der Entscheidung rechtliches Gehör zu gewähren ist.[3]

 

Rz. 39

Das Gericht kann über eine Aussetzung des Verfahrens in jedem Verfahrensstadium eine Entscheidung treffen. Hierfür ist im vorbereitenden Verfahren gem. § 79a Abs. 1 Nr. 1 FGO der Vorsitzende des Senats bzw. der nach § 79a Abs. 4 FGO bestellte Berichterstatter zuständig. Ergeht die Entscheidung hingegen innerhalb der mündlichen Verhandlung und damit nicht mehr im vorbereitenden Verfahren, entscheidet der Senat unter Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter. Eine Aussetzungsentscheidung kann auch dann nicht mehr allein durch den Berichterstatter getroffen werden, wenn zuvor der Vollsenat einen Beweisbeschluss gefasst hat.[4] Nur wenn der Rechtsstreit gem. § 6 Abs. 1 FGO dem Einzelrichter übertragen worden ist, verbleibt die alleinige Zuständigkeit über die Aussetzung des Verfahrens auch bei ihm.

 

Rz. 40

Die Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens ergeht durch Beschluss. Solange ein solcher Beschluss nicht erlassen wurde, ist das Verfahren nicht ausgesetzt.[5] Der Beschluss ist gem. § 113 Abs. 2 S. 1 FGO zu begründen. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, weil es sich bei der Aussetzung des Verfahrens um eine unselbstständige Nebenentscheidung handelt.[6] Der Beschluss kann gem. § 155 S. 1 FGO i. V. m. § 248 Abs. 2 ZPO sowohl aufgrund einer mündlichen Verhandlung als auch ohne mündliche Verhandlung ergehen. Eines Beschlusses über die Aussetzung des Verfahrens bedarf es allerdings nur, wenn das Gericht den Rechtsstreit aussetzt.[7] Das Gericht muss daher über eine von den Beteiligten beantragte Aussetzung des Verfahrens nicht in einem gesonderten Beschluss entscheiden, sondern kann die Ablehnung mit der Entscheidung in der Hauptsache verbinden.[8] Es ist unschädlich, wenn die Aussetzung des Verfahrens in dem darüber gefassten Beschluss als Ruhen des Verfahrens bezeichnet wird.[9]

 

Rz. 41

Ergeht ein gesonderter Beschluss über die Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO ist gem. § 128 Abs. 1 FGO die Beschwerde zum BFH gegeben. Ein Fall des § 128 Abs. 2 FGO, wonach die Beschwerde u. a. gegen "prozessleitende Verfügungen" ausgeschlossen ist, liegt nicht vor, denn die Aussetzung eines Verfahrens dient nicht unmittelbar der Vorbereitung einer Entscheidung des Gerichts über das Klagebegehren, sondern soll im Gegenteil das Gericht vorläufig von der Pflicht entbinden, über das Klagebegehren alsbald zu entscheiden.[10] Eine Beschwerde ist allerdings nicht schon deshalb statthaft, weil das FG eine Entscheidung über eine begehrte Aussetzung des Verfahrens verzögert.[11] Wird der gesonderte Aussetzungsbeschluss, mit der die beantragte Aussetzung des Verfahrens abgelehnt wird, nicht prozessual mit der Beschwerde angegriffen, kann eine insoweit auf eine Verfahrensrüge gestützte Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Endurteil keine Aussicht auf Erfolg haben.[12] Im Beschwerdeverfahren ist vom BFH allein über die Frage zu entscheiden, ob das FG das Verfahren wegen vorgreiflicher Rechtsverhältnisse, die Gegenstand eines anderen Rechtsstreits sind, hätte aussetzen müssen.[13] Hierbei hat der BFH bei der Überprüfung der Ermessensentscheidung des FG aber ein eigenes Ermessen auszuüben.[14] Hat das FG die Aussetzung abgelehnt, obwohl es hätte aussetzen müssen, stellt dies einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens und damit einen Verfahrensmangel i. S. d. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dar.[15] Eine Beschwerde gegen einen die Aussetzung des Verfahrens ablehnenden Beschluss wird allerdings unzulässig wegen Entfallen des Rechtsschutzbedürfnisses, sobald der Rechtsstreit in der Sache durch Urteil abgeschlossen worden ist und diese Entscheidung rechtskräftig geworden ist.[16] In einem solchen Fall der "prozessualen Überholung" ist es dem BFH als Beschwerdegericht unmöglich geworden, den die Aussetzung ablehnenden Beschluss – sollte er fehlerhaft sein – aufzuheben und das Verfahren beim FG in den Stand vor Ergehen des ablehnenden Beschlusses zurückzuversetzen. Gleiches gilt bei einer noch nicht rechtskräftigen Entscheidung der Vorinstanz, weil das mit der Beschwerde verfolgte Ziel, das Klageverfahren ohne Sachentscheidung des FG durch eine Aussetzung gem. § 74 FGO zum Ruhen zu bringen, nach Ergehen eines Urteils in der Hauptsa...

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