Rz. 29

Der Einwilligung des Beklagten in die Rücknahme bedarf es, wenn die Rücknahme nach Schluss der mündlichen Verhandlung erklärt wird.[1] Nach Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung lebt das Recht auf Zurücknahme der Klage ohne Einwilligung des Beklagten wieder auf.[2] In der Revisionsinstanz ist für wirksame Klagerücknahme schon im Hinblick auf die erstinstanzliche mündliche Verhandlung eine Einwilligung des Beklagte erforderlich.[3]

Hat der Kläger die Klage während des Revisionsverfahrens mit Zustimmung des Beklagten zurückgenommen, ist die Unwirksamkeit des erstinstanzlichen Urteils und die Gegenstandslosigkeit der Revision aus Gründen der Rechtsklarheit vom BFH ausdrücklich auszusprechen.[4]

 

Rz. 30

Der Einwilligung des Beklagten bedarf es ferner, wenn die Rücknahme erst nach Verzicht auf mündliche Verhandlung erklärt wird. Der Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist allerdings gem. § 90 Abs. 2 FGO erst wirksam, wenn alle Verfahrensbeteiligten entsprechende übereinstimmende Prozesserklärungen abgegeben haben.[5] Sofern noch die Verzichtserklärungen anderer Beteiligter ausstehen, kann der Kläger auch nach eigenem Verzicht auf mündliche Verhandlung noch ohne Einwilligung des Beklagten die Klage zurücknehmen. Findet trotz übereinstimmenden Verzichts eine mündliche Verhandlung statt, ist bis zu ihrem Schluss die Klagerücknahme ebenfalls wieder ohne Einwilligung des Beklagten möglich.[6] Ebenso verhält es sich, wenn zwar im ersten Rechtsgang auf mündliche Verhandlung verzichtet worden war, nicht jedoch nach Zurückverweisung der Sache an das FG im zweiten Rechtsgang auf mündliche Verhandlung verzichtet worden ist.[7]

 

Rz. 31

Schließlich bedarf es auch dann der Einwilligung des Beklagten, wenn die Rücknahme erst nach Ergehen eines Gerichtsbescheids i. S. d. § 90a FGO erfolgen soll. Selbst wenn nach Erlass des Gerichtsbescheids ein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt wird, ist die Einwilligung des Beklagten zur Klagerücknahme erforderlich.[8] Maßgebend ist der Zeitpunkt der Zustellung des Gerichtsbescheids nach § 106 i. V. m. § 104 Abs. 3 FGO. Allerdings erlangt der Beklagte erst dann eine schutzwürdige Position, wenn der Gerichtsbescheid allen Beteiligten zugestellt worden ist.[9] Bis zu diesem Zeitpunkt kann der Kläger daher seine Klage auch ohne Einwilligung des Beklagten zurücknehmen.

[2] FG Baden-Württemberg v. 17.5.1997, 6 K 71/95, EFG 1997, 1031; h. M.: Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 72 FGO Rz. 21; Birkenfeld, in HHSp, AO/FGO, § 73 FGO Rz. 105.
[6] Gräber/Herbert, FGO, 9. Aufl. 2019, § 72 FGO Rz. 24; Schoenfeld, in Gosch, AO/FGO, § 72 FGO Rz. 70; Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 72 FGO Rz. 20; Birkenfeld, in HHSp, AO/FGO, § 72 FGO R. 107.
[9] Schoenfeld, in Gosch, AO/FGO, § 72 FGO Rz. 72; a. A. Birkenfeld, in HHSp, AO/FGO, § 72 FGO Rz. 109.

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