Rz. 11

Nach § 6 Abs. 2 FGO ist die Übertragung grundsätzlich nur dann ausgeschlossen, wenn vor dem Senat mündlich verhandelt worden ist. Daraus folgt zum einen, dass bei Verzicht auf mündliche Verhandlung[1] und im Gerichtsbescheidsverfahren[2] (ggf. durch den Berichterstatter[3]) auch nach Ergehen einer die Instanz nicht abschließenden Entscheidung die Sache auf den Einzelrichter noch übertragen werden kann, und zum anderen, dass bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung eine Übertragung jederzeit möglich ist. Ein Verzicht auf eine mündliche Verhandlung vor einer Übertragung auf den Einzelrichter bezieht sich jedoch nur dann auf eine Entscheidung durch den Einzelrichter, wenn dies ausdrücklich erklärt wurde.[4] Eine Übertragung kommt allerdings frühestens in Betracht, wenn erkennbar ist, ob die Voraussetzungen nach § 6 Abs. 1 FGO für eine Übertragung (s. Rz. 11ff.) gegeben sind. Das dürfte regelmäßig erst dann der Fall sein, wenn dem Gericht Klagebegründung, Klagebeantwortung, die außergerichtliche Rechtsbehelfsentscheidung und die den Streitfall betreffenden Akten des Beklagten[5] vorliegen.[6] Denn abgesehen von wenigen Fällen offensichtlicher Unzulässigkeit oder Unbegründetheit einer Klage lässt sich erst nach Studium dieser Unterlagen entscheiden, ob die Sache besondere Schwierigkeiten aufweist oder von grundsätzlicher Bedeutung ist. Auf der anderen Seite sollte, um des Beschleunigungszwecks willen, die Übertragung möglichst frühzeitig erfolgen. Dies kommt einer u. U. möglichen frühzeitigen Durcharbeitung seitens des Vorsitzenden oder des Berichterstatters entgegen (s. Rz. 11). Eine Übertragung auf den Einzelrichter nach einem Erörterungstermin des Berichterstatters, in dem eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits gescheitert ist[7] und in dem die Beteiligten womöglich ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter nach § 79a Abs. 3 FGO verweigert haben, sollte um der Akzeptanz der Entscheidung willen möglichst unterbleiben, wenn sie auch von Gesetzes wegen nicht ausgeschlossen ist.

 

Rz. 12

Nicht mehr möglich ist eine Übertragung auf den Einzelrichter, wenn vor dem Senat mündlich verhandelt worden ist. Das gilt auch dann, wenn nach einer mündlichen Verhandlung des Senats der Einzelrichter durch Gerichtsbescheid nach § 90a FGO entscheidet.[8] Eine Übertragung ist auch dann nicht mehr möglich, wenn das Verfahren nach mündlicher Verhandlung vor dem Vollsenat gem. § 74 FGO ausgesetzt und nach Entfallen des Aussetzungsgrundes wieder fortgesetzt wurde.[9] Maßgebender Zeitpunkt, ab dem eine Übertragung nicht mehr möglich ist, ist der Aufruf der Sache, da hiermit die mündliche Verhandlung beginnt.[10] Wird vor Aufruf der Sache der Termin zur mündlichen Verhandlung aus einem erheblichen Grund aufgehoben und unter Verzicht auf die Ladungsfrist erörtert, ist eine Übertragung auf den Einzelrichter nach dem Erörterungstermin möglich.[11] Allerdings dürfte in derartigen Situationen nur ausnahmsweise noch ein Beschleunigungseffekt durch die Übertragung der Entscheidung auf den Einzelrichter eintreten, was bei der im Regelfall nicht nachprüfbaren Ermessensentscheidung des Senats zu berücksichtigen ist.

 

Rz. 13

Im schriftlichen Verfahren[12] ist maßgebender Zeitpunkt der Beginn der abschließenden Beratung.[13]

 

Rz. 14

Nachdem aufgrund mündlicher Verhandlung ein die Instanz noch nicht beendendes Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist, beginnt ein neues vorbereitendes Verfahren, um die abschließende Entscheidung, ggf. wieder aufgrund mündlicher Verhandlung, vorzubereiten. In diesem Stadium ist eine Übertragung auf den Einzelrichter wieder möglich, bis vor dem Senat erneut mündlich verhandelt wird. Die Konzentrationsmaxime[14] ist in solchen Verfahren ohnehin nicht durchzuhalten. Zum Teil- und Zwischenurteil s. Erl. zu § 95 FGO und §§ 9799 FGO. Ein Vorbehaltsurteil gem. § 155 FGO i. V. m. § 302 ZPO (Vorbehalt hinsichtlich einer erklärten Aufrechnung) oder § 599 ZPO (Urkunden- und Wechselprozess) kommt im Finanzgerichtsprozess wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes grundsätzlich nicht in Betracht, obwohl es in dem § 348 Abs. 3 ZPO nachgebildeten § 6 Abs. 2 FGO ausdrücklich erwähnt ist. Denkbar wäre ein Vorbehaltsurteil allenfalls im Rahmen von im Finanzgerichtsprozess sehr seltenen allgemeinen Leistungsklagen.[15]

[10] Gräber/Herbert, FGO, 9. Aufl. 2019, § 6 Rz. 13; nach Sunder-Plassmann, in HHSp, AO/FGO, § 6 FGO Rz. 46 soll die Eröffnung der mündlichen Verhandlung durch den Vorsitzenden maßgeblich sein.

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