2.5.6.1 Statthaftigkeit

 

Rz. 53

Die sog. (vorbeugende) Unterlassungsklage richtet sich gegen ein künftiges, ggf. schon beabsichtigtes bzw. angekündigtes, oder gegenwärtiges Handeln der Finanzbehörde. Die Unterlassungsklage ist daher ein Unterfall der allgemeinen Leistungsklage, die aber nicht auf ein Tun, sondern auf ein Unterlassen des Klagegegners gerichtet ist.[1]

 

Rz. 54

Während die Statthaftigkeit der allgemeinen Unterlassungsklage gegen eine gegenwärtige bzw. andauernde Beeinträchtigung subjektiver Rechte – d. h. Rechtsverletzung i. S. des § 40 Abs. 2 FGO – durch finanzbehördliches Handeln unzweifelhaft ist, setzt die Abwehr einer künftig erwarteten Beeinträchtigung durch eine vorbeugende Unterlassungsklage eine gewisse Wahrscheinlichkeit voraus, dass die befürchtete Beeinträchtigung auch eintreten kann. Die drohende Handlung der Finanzbehörde muss sich insoweit hinreichend konkret abzeichnen. Daran fehlt es, solange sich noch nicht mit dafür erforderlicher Bestimmtheit übersehen lässt, welche Maßnahmen drohen oder unter welchen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen sie ergehen werden.[2] Eine solche Klage ist nur zulässig, wenn substantiiert und in sich schlüssig dargetan wird, durch ein bestimmtes, künftig zu erwartendes Handeln einer Behörde in den Rechten verletzt zu sein, weil die Rechtsverletzung sich dann nicht oder nur schwerlich wiedergutmachen lasse.[3]

Eine vorbeugende Unterlassungsklage ist allerdings nicht zulässig, wenn zwar die Verletzung subjektiver Rechte bzw. eine entsprechende Beeinträchtigung durch hoheitliches Verwaltungshandeln bereits erfolgt ist, weitere aber nicht zu besorgen sind (fehlende Wiederholungsgefahr).[4]

 

Rz. 55

Einer vorbeugenden Unterlassungsklage fehlt insoweit jedoch bereits dann im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung das Rechtsschutzbedürfnis, solange die Finanzbehörde ausdrücklich erklärt, dass in Rede stehende Verhalten bzw. die erwartete Handlung zu unterlassen.[5] Dasselbe wird auch zu gelten haben, wenn der Unterlassungsanspruch nicht zuvor gegenüber der Finanzbehörde geltend gemacht wurde.[6]

 

Rz. 56

Die Unterlassungsklage richtet sich als Unterfall der allgemeinen Leistungsklage ebenfalls vorrangig gegen drohendes schlichtes hoheitliches Handeln (z. B. Realakt, Mitteilungen, Innenrechtsakte zwischen zwei Finanzbehörden und bloße Verfahrenshandlungen). Sie kann sich darüber hinaus aber grundsätzlich auch gegen solche bevorstehenden Maßnahmen der Finanzbehörden richten, gegen die nach ihrem Erlass eine andere Klageart als die allgemeine Leistungsklage statthaft wäre. Daher kommt eine Unterlassungsklage auch gegen einen drohenden Verwaltungsakt in Betracht.[7]

Eine vorbeugende Unterlassungsklage ist nach ihrer Erledigung (z. B. eingetreten durch zwischenzeitlichen Vollzug des angedrohten Verwaltungshandelns) nicht in eine Fortsetzungsfeststellungsklage umstellbar; sie kann allerdings als Feststellungsklage zulässig bleiben, wenn es prozessökonomisch sinnvoll ist, die maßgebliche Rechtsfrage in dem bereits anhängigen und aufwendig betriebenen Verfahren zu klären.[8]

[2] BVerwG v. 30.9.1981, 3 B 39/81, DokBer A 1982, 71; BVerwG v. 19.3.1974, I C 7.73, NJW 1974, 1153; FG Berlin v. 25.10.1979, II 317/79 (NV).
[3] Rz. 57; FG Rheinland-Pfalz v. 24.3.2022, 6 K 1865/21.
[4] BVerwG v. 26.9.1969, VII C 65.68, NJW 1970, 292; FG Baden-Württemberg v. 22.4.2016, 13 K 1934/15, EFG 2016, 1133; OVG Rheinland-Pfalz v. 21.1.2004, 6 A 11743/03, NVwZ-RR 2004, 344.
[6] Gräber/Teller, FGO, 9. Aufl. 2019, § 40 Rz. 34 zur allgemeinen Leistungsklage; zum allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis s. Ossinger, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, Vor §§ 40-50 FGO Rz. 11ff.

2.5.6.2 Besonders qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis

 

Rz. 57

Eine vorbeugende Unterlassungsklage – die sowohl auf das Unterlassen eines künftigen schlichten Handelns der Finanzbehörde als auch auf das Unterlassen eines Verwaltungsakts gerichtet sein kann – setzt allerdings ein besonders qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung voraus.[1] Hiernach ist eine vorbeugende Unterlassungsklage ausnahmsweise nur zulässig, wenn substantiiert und in sich schlüssig dargetan wird, durch ein bestimmtes, künftig zu erwartendes Handeln einer Behörde in den Rechten verletzt zu sein, und dass ein Abwarten der tatsächlichen Rechtsverletzung unzumutbar sei, weil die Rechtsverletzung dann nicht oder nur schwerlich wiedergutzumachen sei.[2] Eine solche Einschränkung der Rechtsschutzmöglichkeit liegt insbesondere aufgrund des Primats des nachgängigen Rechtsschutzes auch deshalb nahe, weil ein vorbeugender Rechtsschutz gegen behördliches Handeln im Regelfall nicht erforderlich ist. Dem Betroffenen ist regelmäßig zuzumuten, einen belastenden Verwaltungsakt bzw. das schlichte Verwaltungshandeln abzuwarten und sich dann mit einem Einspruch...

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