Entscheidungsstichwort (Thema)

Zahlungsaufforderung für Steuerverbindlichkeiten einer insolventen griechischen Tochtergesellschaft gegenüber dem griechischen Staat

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Die Zahlungsaufforderung des inländischen FA, das dieses auf der Grundlage der Richtlinie 2010/24/EU erlässt zur Einziehung von Steuerrückständen gegenüber dem griechischen Staat, ist kein Verwaltungsakt, insbesondere kein Leistungsgebot i.S. des § 254 AO und kann demnach auch nicht angefochten werden.

2) Dies gilt selbst dann, wenn die Zahlungsaufforderung mit der Ankündigung von Vollstreckungsmaßnahmen verbunden ist, für den Fall, dass innerhalb einer bestimmten Frist nicht gezahlt wird.

3) Die Rechtswidrigkeit der Zahlungsaufforderung kann auch nicht mit einer Feststellungsklage verfolgt werden und eine (vorbeugende) Unterlassungsklage bzgl. zukünftiger Vollstreckungsmaßnahmen ist ebenfalls unzulässig, sofern das FA sich verpflichtet, aus dem Beitreibungsersuchen bis zum Abschluss entsprechender Verfahren in Griechenland nicht weiter vorzugehen.

 

Normenkette

AO §§ 347, 254; EUBeitrG §§ 9-10, 13; AO § 118

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 28.11.2017; Aktenzeichen VII R 30/15)

BFH (Urteil vom 28.11.2017; Aktenzeichen VII R 30/15)

 

Tatbestand

Der Kläger wird auf der Grundlage des Gesetzes vom 07.12.2011 über die Durchführung der Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Bundesgesetzblatt – BGBl – I 2011, 2592, nachfolgend EUBeitrG) sowie der diesem Gesetz zu Grunde liegenden Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16.03.2010 über Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen (ABl. L 84 vom 31.03.2010, nachfolgend EU-Beitreibungsrichtlinie) für Steuerverbindlichkeiten einer insolventen griechischen Tochtergesellschaft der A AG gegenüber dem griechischen Staat in Anspruch genommen.

Der Kläger trat am ….05.1989 als Leiter der Abteilung Finanzen in die A AG ein. Das Arbeitsverhältnis mit der A AG wurde zum ….09.2003 beendet. Im Rahmen seiner Tätigkeit bei der A AG übernahm der Kläger auch Aufgaben in der B S.A., einer nach griechischem Recht gegründeten einhundertprozentigen Tochtergesellschaft der A AG mit Sitz in Griechenland. Aufsichts- und Leitungsorgan einer griechischen S.A. ist ihr Verwaltungsrat (sog. monistisches System). Dieser wird von der Hauptversammlung der Gesellschaft berufen und vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Vom Verwaltungsrat wird regelmäßig ein Geschäftsführer bestellt, welcher die Geschäfte der S.A. wie der Verwaltungsrat leitet und die Gesellschaft nach außen vertritt. Der Kläger war vom ….07.1995 bis ….06.2001 einfaches Mitglied des Verwaltungsrats. Ab ….07.2001 war er neben einem weiteren vertretungsberechtigten Stellvertreter zum Vorsitzenden des Verwaltungsrats bestellt worden. Ab ….07.2001 war er zum Vorsitzenden des Verwaltungsrats bestellt worden, ohne dass es einen weiteren vertretungsberechtigten Vertreter gab. Aufgrund des Beschlusses des Verwaltungsrates vom ….09.2003 meldete die B S.A. nach griechischen Rechtsvorschriften Insolvenz an.

Ab dem Jahr 2000 führten die griechischen Finanzbehörden bei der B S.A. eine Betriebsprüfung durch. Die Gesellschaft wurde aufgefordert, die Buchführungsunterlagen mitsamt Rechnungen für die Jahre 1993 bis 1997 vorzulegen. Die Gesellschaft erklärte daraufhin, dass die angefragten Dokumente nicht vorhanden seien. In diesem Zusammenhang wurde von der Betriebsprüfung festgestellt, dass die Buchführung der B S.A. für diesen Zeitraum schwerwiegende Mängel aufwies. Darüber hinaus stellte die Betriebsprüfung fest, dass die B S.A. im Zeitraum 1996 bis 2000 mehrere Hundert fiktive Rechnungsgutschriften im Gesamtwert von rd. 2,7 Mio. EUR ausgestellt hatte. Daneben waren nach Auffassung der Betriebsprüfung mehrere Posten aus dem Zeitraum 1993 bis 2000 in Höhe von insgesamt rd. 10 Mio. EUR als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben zu qualifizieren. Als Folge der Nichtvorlage der Buchführungsunterlagen für die Jahre 1993 bis 1997 verwarfen die griechischen Finanzbehörden die Buchhaltung der B S.A. und nahmen Schätzungen vor. Letztlich wurden gegen die B S.A. für den Zeitraum 1993 bis 2000 Steuern in Höhe von insgesamt rd. 33,7 Mio. EUR festgesetzt. Die Gesellschaft hat gegen die Festsetzungen umfassende Rechtsmittel eingelegt.

Mit Schreiben vom 15.11.2012 erhielt der Kläger von dem Beklagten zwei – hier streitgegenständliche – Zahlungsaufforderungen. Es handelt sich zum einen um eine Zahlungsaufforderung über 19.068.169,90 EUR zuzüglich Säumniszuschlägen von 125.446,00 EUR, insgesamt 19.193.615,90 EUR, zum anderen um eine Zahlungsaufforderung über 17.728.938,83 EUR zuzüglich Säumniszuschlägen von 117.021,00 EUR, insgesamt 17.845.959,83 EUR. Die Zahlungsaufforderungen enthielten jeweils den Hinweis, dass der Kläger der griechischen Steuerverwaltung diese Beträge schulde und der Beklagte ...

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