2.1 Zulässigkeit

 

Rz. 10

Der BFH prüft zunächst die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Beschwerde[1] wie Statthaftigkeit, Wahrung von Form und Frist, Beschwerdebefugnis, Beschwer und Rechtsschutzbedürfnis sowie ordnungsgemäße Prozessvertretung. Bei Fehlen einer Zulässigkeitsvoraussetzung ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Die Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen ist prozessual vorrangig.

Die Zulässigkeit der Beschwerde darf grundsätzlich nicht dahingestellt bleiben, selbst wenn die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Entscheidung nicht in materielle Rechtskraft erwächst; hier kann die Frage der Zulässigkeit offenbleiben und die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen werden.[2] In der Praxis des BFH wird häufig auf die Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht eingegangen, wenn die Unbegründetheit offensichtlich feststeht und mit wenigen Sätzen begründet werden kann. Die Beschwerde wird dann als unbegründet zurückgewiesen.[3]

Dagegen bestehen insofern Bedenken, als der Erfolg einer Verfassungsbeschwerde davon abhängen kann, ob die Beschwerde als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen wurde. Denn die Erschöpfung des Rechtswegs als Zulässigkeitsvoraussetzung der Verfassungsbeschwerde wird vom BVerfG grundsätzlich verneint, wenn ein Rechtsmittel vor dem BFH aus formellen Gründen keinen Erfolg hatte und deshalb als unzulässig verworfen wurde.[4]

Das Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen beurteilt sich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung. Eine zunächst unzulässige Beschwerde kann daher nach Beseitigung der Zulässigkeitsmängel später zulässig werden.

 

Rz. 11

Ist die Beschwerde unzulässig, wird sie vom BFH durch Beschluss verworfen.[5] Eine Entscheidung darf nicht deshalb unterbleiben, weil die Beschwerde offensichtlich unzulässig (unstatthaft) ist (Rz. 10). Auch eine solche Beschwerde ist dem BFH zur Entscheidung vorzulegen. Der BFH hat daher auch über eine nach der neueren Rspr. unstatthafte sog. außerordentliche Beschwerde durch Beschluss nach § 132 FGO zu beschließen.[6] Das FG darf eine solche Beschwerde nicht unbearbeitet liegen lassen, sondern muss sie auch in diesem Fall dem BFH vorlegen.[7]

[3] Bergkemper, in HHSp, AO/FGO, § 132 FGO Rz. 19.
[4] Bergkemper, in HHSp, AO/FGO, § 132 FGO Rz. 19; Gräber/Ratschow, FGO, 9. Aufl. 2019, § 132 Rz. 9.

2.2 Begründetheit

 

Rz. 12

Die Beschwerde ist begründet, wenn die angefochtene Entscheidung rechtswidrig ist (vgl. § 118 FGO Rz. 11ff.). Entscheidender Zeitpunkt für die Frage der Begründetheit ist der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung[1], wobei der BFH die Sach- und Rechtslage in vollem Umfang neu zu prüfen und neues Vorbringen und neue Beweismittel berücksichtigen muss (s. Rz. 5f.).

Bei einer Ermessensentscheidung beschränkt sich die Prüfungsbefugnis daher nicht auf die Nachprüfung des Ermessens des FG; der BFH hat vielmehr eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, sofern nicht ein über den bisherigen Streitgegenstand hinausgehender neuer Streitpunkt eingeführt wurde (Rz. 6). Der BFH kann allerdings auch von seiner Befugnis zur Zurückverweisung Gebrauch machen und die erneute Ermessensentscheidung dem FG überlassen.[2]

Bei mündlicher Verhandlung ist Entscheidungszeitpunkt der Schluss der mündlichen Verhandlung. Bei – wie i. d. R. – schriftlichem Verfahren ist nicht die Beschlussfassung, sondern der Zeitpunkt der Absendung (das "Hinausgehen") des Beschlusses durch den BFH maßgebend. Geht nach der (internen) Beschlussfassung, aber vor der Absendung der Entscheidung neuer schriftsätzlicher Sachvortrag ein oder ergeben sich sonst neue Gesichtspunkte oder erhebliche Tatsachen, ist dies durch eine erneute Beratung und Entscheidung (Beschlussfassung) zu berücksichtigen. Solange der Beschluss den BFH noch nicht verlassen hat, stellt er lediglich ein Internum dar, das jederzeit änderbar ist.[3] Der zunächst ergangene (interne) Beschluss ist vorher durch einen ebenfalls internen Beschluss aufzuheben. Diese internen Beschlüsse werden nicht bekannt gegeben, sondern lediglich in den Akten vermerkt.

 

Rz. 13

Ist die Beschwerde unbegründet, weist sie der BFH durch Beschluss als unbegründet zurück.

 

Rz. 14

Ist die Beschwerde begründet, weil der Beschluss des FG verfahrensrechtlich oder materiell-rechtlich fehlerhaft ist, wird die angefochtene Entscheidung aufgehoben. Sodann verfährt der BFH wie folgt:

  • Ist die Sache entscheidungsreif, d. h., reichen die vom FG festgestellten Tatsachen für eine abschließende Beurteilung der Sach- und Rechtslage aus, hebt der BFH den angefochtenen Beschluss ganz oder teilweise auf oder trifft anstelle des Beschlusses des FG eine andere Entscheidung.
  • Liegen keine ausreichenden Tatsachenfeststellungen vor, kann der BFH eigene...

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