Leitsatz (amtlich)

1. Das Vorliegen einer Beschwer gehört zu den von Amts wegen zu prüfenden Zulässigkeitsvoraussetzungen (Sachentscheidungsvoraussetzungen) einer Beschwerde.

2. Die Beschwerde des obsiegenden Steuerpflichtigen zwecks Festsetzung eines höheren Streitwerts ist unzulässig, wenn das FG dem FA die Kosten auferlegt hat und Gebühren für einen Prozeßbevollmächtigten nicht zu erstatten sind.

2. Der Miterbe als Prozeßbevollmächtigter einer Erbengemeinschaft gehört nicht zu den Personen, die zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt sind (§ 107a AO) und für die eine Erstattung von Gebühren nach § 139 Abs. 3 FGO in Betracht kommt.

 

Normenkette

FGO §§ 128, 132, 139 Abs. 3; AO § 107a

 

Tatbestand

Die beschwerdeführende Erbengemeinschaft, damals bestehend aus A, B und C, vertreten durch C als Bevollmächtigten, hatte ursprünglich die Zusammenfassung von drei Grundstücken, X-Straße a, b und c, zu einem HGA-Grundstück beantragt. Nach Ablehnung des Antrags hatte der BFH nach erfolglos eingelegten Rechtsmitteln klargestellt, daß für das Grundstück X-Straße b das Verfahren betreffend Herabsetzung der HGA gesondert durchzuführen sei. Das zuständige FA setzte daraufhin, dem Antrag der Erbengemeinschaft entsprechend, die HGA durch einen endgültigen Herabsetzungsbescheid vom 15. März 1967 gemäß § 104 LAG für das Grundstück X-Straße b auf 0 DM herab. Das FG, bei dem die Klage wegen Herabsetzung der HGA an den drei genannten Grundstücken anhängig war, trennte gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 FGO von dem zusammengefaßten Verfahren den Streit über die Herabsetzung der HGA an dem Grundstück X-Straße b durch Beschluß vom 9. Dezember 1968 ab. So entstand eine neue selbständige Hauptsache. Zuvor hatte das FA dem FG aber bereits mit Schreiben vom 16. Februar 1968 von dem oben genannten endgültigen Herabsetzungsbescheid vom 15. März 1967 auf 0 DM Kenntnis gegeben und den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Am 8. März 1968 hatte auch der Prozeßbevollmächtigte der Erbengemeinschft dem FG mitgeteilt, daß die Klage in vollem Umfange ihre Erledigung gefunden habe. Er beantragte gleichzeitig Kostenentscheidung nach § 138 Abs. 2 FGO, Erstattung der Kosten für das Vorverfahren und Streitwertfestsetzung. Mit Schriftsätzen vom 15. und 18. November 1968 beantragte er, den Bescheid vom 15. März 1967 gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.

Das FG sah durch die übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien die Hauptsache als erledigt an. Es erließ nachfolgenden Beschluß vom 9. Dezember 1968:

"I. Das Verfahren wird eingestellt.

II. Der Beklagte hat die Kosten der Sprungklage zu tragen.

III. Der Wert des Streitgegenstands wird auf X DM festgesetzt."

In den Gründen führte es aus, dem Antrag der Erbengemeinschaft vom 15. November 1968 auf Fortsetzung des Verfahrens sei nicht stattzugeben, da das Gericht an die vorausgegangenen übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien gebunden sei. Da das beklagte FA antragsgemäß die HGA-Schulden X-Straße b endgültig auf 0 DM herabgesetzt habe, sei es nach § 138 Abs. 2 FGO kostenpflichtig. Für einen Antrag gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO sei bei einer Sprungberufung kein Raum. Die Festsetzung des Streitwerts beruhe auf § 146 Abs. 1 Satz 2 FGO. Für eine Instanz seien zwar an sich unter Umständen mehrere Streitwerte festzusetzen. Es werde aber davon abgesehen, den für die Berufungseinlegung maßgebenden höheren Streitwert von Y DM und den für den Abschluß des Verfahrens maßgeblichen Streitwert von X DM festzusetzen, weil die Streitwertfestsetzung keine Grundlage für den Ansatz einer Gebühr nach dem GKG oder der BRAGebO bilde. Da aber eine Streitwertfestsetzung auf Antrag ergehen müsse, auch wenn sie ohne Auswirkung auf Gebührenansätze sei, werde der zuletzt maßgebliche Streitwert von X DM festgesetzt.

Der Beschluß wurde am 16. Dezember 1968 dem Bevollmächtigten der Erbengemeinschaft zugestellt. Gegen diesen Beschluß wandte sich die Erbengemeinschaft mit Schreiben vom 22. April 1969, eingegangen beim FG am 25. April 1969, und begehrte die Festsetzung des Streitwerts nach § 146 FGO. Sie beanstandete die festgesetzte Höhe des Streitwerts und beantragte die Festsetzung zweier Streitwerte, da der Rechtsvertreter als Vermögensverwalter zu dem Kreis der Bevollmächtigten nach § 107a AO gehöre und ihm die volle Gebühr nach dem höheren Anfangsstreitwert zustehe. Das FG sah den Antrag als Beschwerde gegen den Beschluß vom 9. Dezember 1968 an. Es half der Beschwerde nicht ab.

Der Bevollmächtigte reichte die Vollmacht der nach dem Tode von A nur noch aus ihm (C) und B bestehenden Erbengemeinschaft ein. Zur Frage der Wiedereinsetzung führte er aus, er habe den Beschluß des FG vom 9. Dezember 1968 dahin ausgelegt, daß der Streitwert nur vorläufig festgesetzt sei und eine endgültige Streitwertermittlung erst erfolgen werde, wenn ein Beteiligter die Festsetzung beantrage. Er halte die Ausführungen des FG in den Gründen wegen Nichtberücksichtigung der Rechtsprechung des BFH für nichtig.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde, die sich gegen die in dem FG-Beschluß vom 9. Dezember 1968 enthaltene selbständige Streitwertentscheidung richtet, wird als unzulässig verworfen; denn es fehlt die zur Zulässigkeit notwendige Beschwer.

Durch den vom FG festgestellten Streitwert ist weder die Erbengemeinschaft noch der Bevollmächtigte und Miterbe C beschwert. Die Kosten hat das FA zu tragen. An ihrer Erhöhung kann die von den Kosten freigestellte obsiegende Partei kein Interesse haben. Das Begehren auf einen höheren Streitwert könnte allenfalls einen Grund in der Erwartung haben, daß der Bevollmächtigte der Erbengemeinschaft vom FA als der unterlegenen Partei höhere Gebühren verlangen könnte. Diese Erwartung entbehrt jedoch einer rechtlichen Grundlage.

Der BFH hat die Sachentscheidungsvoraussetzungen für jeden bei ihm eingelegten Rechtsbehelf zu prüfen. Sofern es an einem dieser Erfordernisse fehlt, ist das Rechtsmittel unzulässig. Die Einzelheiten des Beschwerdeverfahrens sind in der FGO nicht geregelt (Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, § 132 Anm. 1). Die allgemeinen Verfahrensvorschriften der FGO und auch der ZPO sind, soweit sie mit dem Charakter der Beschwerde vereinbar sind, auch für Beschwerden maßgebend (Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 128 FGO Anm. 4, und Abs. 1 der Anmerkungen zu § 132 FGO). § 124 FGO führt nicht sämtliche Zulässigkeitsvoraussetzungen für Revisionen an; es gibt vielmehr noch weitere von Amts wegen zu prüfende Zulässigkeitsvoraussetzungen, zu denen insbesondere die Beschwer des Rechtsmittelführers gehört. Daran fehlt es hier. Die Festsetzung eines höheren Streitwerts für das durch Beschluß eingestellte HGA-Verfahren des Grundstücks X-Straße b würde ohne Auswirkungen für die Beschwerdeführerin bleiben. Der vom FG festgestellte Streitwert bedeutet weder für die Erbengemeinschaft noch für den als Bevollmächtigten der Erbengemeinschaft aufgetretenen C eine Beschwer. Da das FG die Kosten der Sprungklage dem FA auferlegt hat, könnte eine Auswirkung nur auf die von dem Bevollmächtigten begehrten Gebühren eintreten. Dem Miterben und Bevollmächtigten C steht aber kein Gebührenerstattungsanspruch zu.

Der für die Erbengemeinschaft auftretende Miterbe C ist kein Bevollmächtigter oder Beistand im Sinne von § 139 Abs. 3 Satz 1 FGO, der zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen für gesetzlich vorgesehene Gebühren und Auslagen befugt ist (§ 107a AO). Er gehört auch nicht zu den Bevollmächtigten im Sinne von § 139 Abs. 3 Satz 2 FGO, für die "Gebühren und Auslagen gesetzlich nicht vorgesehen sind". Auch bei dieser Vorschrift muß es sich um natürliche oder juristische Personen handeln, die zulässigerweise geschäftsmäßig Steuerhilfe im Sinne von § 107a AO leisten, für die jedoch eine amtliche Gebührenordnung nicht erlassen ist (Tipke-Kruse, a. a. O., § 139 FGO Anm. 23, und v. Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Finanzgerichtsordnung, § 139 Anm. 20). Ein Anspruch auf Erstattung der Gebühren bestände also nur, wenn der Bevollmächtigte C zum Kreis der Personen gehören würde, die zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt sind (Ziemer-Birkholz, a. a. O., § 139 Anm. 15). Das ist aber nicht der Fall; denn allgemeine Voraussetzungen des § 139 Abs. 3 FGO hinsichtlich der Erstattung von Gebühren und Auslagen für Bevollmächtigte und Beistände ist aber immer, daß diese zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt sind (vgl. Tipke-Kruse, a. a. O., § 139 FGO Anm. 10). Er ist in dem oben genannten HGA-Verfahren vielmehr als persönlicher Bevollmächtigter der Miterben aufgetreten. Der Miterbe C ist auch kein Verwahrer oder Verwalter fremden oder zu treuen Händen oder zu Sicherungszwekken übereigneten Vermögens (§ 107a Abs. 2 Nr. 4 AO).

 

Fundstellen

BStBl II 1970, 217

BFHE 1970, 505

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