Rz. 5

Das Schriftstück muss in den Machtbereich des Empfangsberechtigten gelangt sein.[1] Beweispflichtig dafür, dass der Empfangsberechtigte das Schriftstück tatsächlich erhalten hat, ist die Behörde.[2] Hierfür kann sich die Behörde aller Beweismittel bedienen; auch aus einem schlüssigen Verhalten des Empfängers bzw. des Empfangsberechtigten können Schlüsse gezogen werden. Der Beweis, dass der Empfangsberechtigte das Schriftstück tatsächlich erhalten hat, ist z. B. erbracht, wenn der Adressat über den Inhalt des Verwaltungsakts mit der Behörde oder vor Gericht verhandelt, ohne einzuwenden, dass der Verwaltungsakt nicht zugestellt worden sei.[3]

Der tatsächliche Zugang ist unersetzbare Voraussetzung für die Heilung; fehlt es an dem tatsächlichen Zugang, kann damit auch keine Heilung eintreten.[4] Die Vermutung des § 122 Abs. 3 AO kann nicht herangezogen werden; der Zugang muss von der Behörde in vollem Umfang bewiesen werden.[5]

Das Schriftstück muss der Empfangsberechtigte tatsächlich erhalten haben, also derjenige, an den die Zustellung nach dem Gesetz zu richten war. Das ist der Bevollmächtigte, wenn nach § 7 VwZG an ihn zuzustellen war.[6] Eine Heilung tritt auch dann ein, wenn das Schriftstück nicht dem Adressaten, sondern einem (allgemeinen) Bevollmächtigten tatsächlich bekannt geworden ist, der nicht Empfangsbevollmächtigter i. S. d. § 7 VwZG ist.[7]

 

Rz. 6

Eine Heilung ist nur möglich, wenn der Vorgang der Zustellung (nicht der Umstand, dass das Dokument dem Empfänger auf sonstige Weise zur Kenntnis gelangt ist, vgl. Rz. 4) auf dem behördlichen Willen beruht. Fehlt es hieran, liegt nicht eine formell fehlerhafte Zustellung, sondern überhaupt keine Zustellung vor; eine Heilung ist dann nicht möglich.[8]

Dagegen braucht der Vorgang, der dazu geführt hat, dass der Empfangsberechtigte das Schriftstück tatsächlich erhalten hat, nicht auf behördlichem Willen zu beruhen. Es genügt z. B., dass jemand, der das Schriftstück irrtümlich erhalten hat, dieses an den richtigen Empfänger weitergibt (vgl. Rz. 4).

 

Rz. 7

Zur Heilung des Mangels der Zustellung bei einem Verwaltungsakt führt es auch, wenn die Einspruchsentscheidung wirksam zugestellt wird; Voraussetzung ist jedoch, dass diese Einspruchsentscheidung sachlich über den Einspruch entscheidet und ihn nicht nur (wegen Fristversäumung) als unzulässig zurückweist.[9] Anfechtungsgegenstand ist der Verwaltungsakt in der Form, die er durch die Einspruchsentscheidung erhalten hat; damit wird der Zustellungsmangel des Verwaltungsakts durch die Zustellung der Einspruchsentscheidung geheilt.

 

Rz. 8

Soweit der Fehler der Zustellung nicht geheilt wird (weil der Empfänger die Sendung tatsächlich nicht erhalten hat), ist sie unwirksam; sie kann auch nicht in eine einfache Bekanntgabe nach § 122 Abs. 2 AO umgedeutet werden, auch dann nicht, wenn eine einfache Bekanntgabe ausgereicht hätte.[10] Zustellung und Bekanntgabe sind unterschiedlich ausgestaltet, da bei der Zustellung auf den tatsächlichen Zugang, bei der Bekanntgabe auf die Aufgabe zur Post abgestellt wird. Die Behörde hat sich eindeutig für die Zustellung entschieden, was eine Umdeutung in die anders strukturierte Bekanntgabe nach § 122 Abs. 2 AO ausschließt.

[1] Scholtz, DStR 1986, 182.
[2] FG Berlin v. 6.11.1981, III 205/81, EFG 1982, 443.
[3] FG Rheinland-Pfalz v. 14.2.1978, II 191/77, EFG 1978, 301.
[5] BFH v. 8.2.1972, VIII R 14/68, BStBl II 1972, 506; FG Baden-Württemberg v. 7.11.1973, V 111/72, EFG 1974, 134.
[6] BFH v. 9.12.1980, VIII R 122/78, BStBl II 1981, 450; FG Berlin v. 23.9.1981, II 391/80, EFG 1982, 216.
[10] BFH v. 9.9.1970, I R 113/69, BStBl II 1971, 9; BFH v. 25.1.1994, VIII R 45/92, BStBl II 1994, 603; FG Rheinland-Pfalz v. 31.3.1994, 5 K 2714/93, EFG 1994, 906; zu Unrecht a. A. FG Thüringen v. 18.4.1994, I K 84/93, EFG 1994, 907 für Nichtabgabe eines Empfangsbekenntnisses.

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