Rz. 4

Der Augenschein ist grundsätzlich von der für das konkrete Besteuerungsverfahren örtlich und sachlich zuständigen Finanzbehörde einzunehmen. Es können aber auch andere Behörden im Weg der Amtshilfe[1] hierzu ersucht werden.

 

Rz. 5

Die Anordnung der Augenscheinseinnahme ist ein Verwaltungsakt.[2] Es gelten die allgemeinen Vorschriften der §§ 119, 121, 122 AO. Der Verwaltungsakt kann schriftlich oder mündlich ergehen.[3] Er muss inhaltlich hinreichend bestimmt[4] und grundsätzlich mit einer Begründung versehen sein.[5] Die Finanzbehörde muss in der Anordnung deshalb grundsätzlich das Beweisthema[6], das Objekt bzw. das Subjekt des Augenscheins sowie Datum und Ort der Augenscheinseinnahme benennen. Vor der Anordnung ist dem Beteiligten oder dem Dritten (vgl. Rz. 7) rechtliches Gehör zu gewähren.[7] Auf die vorherige Anhörung sowie z. B. die Nennung von Datum und Objekt der Augenscheinseinnahme kann aber in Einzelfällen verzichtet werden, wenn durch die Ankündigung der Maßnahme die Sachverhaltsaufklärung vereitelt oder beeinträchtigt würde.[8] In Betracht kommen Fälle, in denen die betriebliche Nutzung, bzw. Zuordnung zum Unternehmen von wertvollen, auch einer privaten Nutzung zugänglichen Wirtschaftsgütern untersucht werden soll.

 

Rz. 6

Die Finanzbehörde bedient sich des Beweismittels der Augenscheinseinnahme nach pflichtgemäßem Ermessen.[9] Hierbei sind die allgemeinen und spezifischen Ermessensgrenzen zu beachten. Die Einnahme des Augenscheins muss insb. geeignet, erforderlich, verhältnismäßig und, soweit der Beteiligte oder ein Dritter zur Mitwirkung verpflichtet ist, für diesen erfüll- und zumutbar sein.[10] Darüber hinaus müssen die besonderen Voraussetzungen der §§ 99, 100 AO erfüllt sein. Aus §§ 99 Abs. 2, 100 Abs. 2 AO ergibt sich, dass durch Einnahme des Augenscheins nicht nach unbekannten Gegenständen geforscht werden darf.[11]

Die Ermessensausübung betrifft auch die Frage, wo und wann der Augenschein einzunehmen ist. Bei Immobilien ergibt sich der Ort allerdings schon aus der Natur der Sache. Dient die Augenscheinseinnahme dem Nachweis eines für den Betroffenen begünstigen Umstands, sind die Belastungen durch die Einnahme des Augenscheins immer gegen die Folgen der Nichterweislichkeit, mithin die Versagung der begünstigenden Wirkung, abzuwägen.

 

Rz. 7

Von einer Augenscheinseinnahme können nicht nur Beteiligte[12], sondern auch am Verfahren nicht beteiligte Dritte betroffen sein. Dritte sind immer dann Betroffene, wenn sie die tatsächliche Sachherrschaft über den Gegenstand der Augenscheinseinnahme haben (unmittelbare Besitzer – z. B. Mieter einer Immobilie im Verfahren des Vermieters) oder selbst Objekt des Augenscheins sind.[13] Diese sind dann zur Duldung, notfalls auch unter Anwendung von Zwangsmitteln nach § 328ff. AO, verpflichtet.

 

Rz. 8

Mit dem Beweiserhebungsrecht der Behörde korrespondiert die Duldungspflicht der von der Maßnahme Betroffenen. Die Duldungspflichten folgen zum einen aus ausdrücklicher gesetzlicher Regelung[14] und zum anderen aus den allgemeinen Mitwirkungspflichten.[15]

[3] Formfreiheit, § 119 Abs. 2 AO.
[6] Wenzig, StBp, 1991, 149.
[8] Koenig/Haselmann, AO, 4. Aufl. 2021, § 98 Rz. 6.
[11] Verbot des Ausforschungsbeweises; Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 98 AO Rz. 15.
[12] § 78 AO.
[13] Schuster, in HHSp, AO/FGO, § 98 AO Rz. 11; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 98 AO Rz. 6; Koenig/Haselmann, AO, 4. Aufl. 2021, § 98 Rz. 3.

2.1 Protokollierung der Augenscheinseinnahme (§ 98 Abs. 1 AO)

 

Rz. 9

Das Ergebnis der Augenscheinseinnahme ist nach § 98 Abs. 1 AO aktenkundig zu machen. Dies wird regelmäßig durch ein Protokoll geschehen. Zu den formellen Anforderungen an dieses Protokoll trifft das Gesetz keine Aussage.[1] Durch die obligatorische Anfertigung eines Protokolls sollen spätere Beweisschwierigkeiten verhindert werden.[2] Um die bei der Augenscheinseinnahme getroffenen Wahrnehmungen zuverlässig dokumentieren zu können, sollte die Protokollierung möglichst zeitnah erfolgen.[3] Das Protokoll sollte Angaben zum Beweisthema, zum Ort und der Zeit des Augenscheins, zu den besichtigten Gegenständen sowie eine Beschreibung des Wahrgenommenen enthalten. Eine Unterschrift des Amtsträgers ist zweckmäßig, aber nicht erforderlich.[4] Zweckmäßig dürfte es regelmäßig sein, das Protokoll den Betroffenen zur Kenntnis zu geben, damit diese ihre Rechte wahrnehmen können.

Von dem Ergebnis der Augenscheinseinnahme ist deren Würdigung zu unterscheiden.[5] Gegenstand der Feststellungen sind nur die getroffenen Wahrnehmungen, nicht hingegen die hieraus zu ziehenden rechtlichen Folgerungen.[6]

 

Rz. 9a

Die zulässige Anordnung der Augenscheinseinnahme kann mit Zwangsmitteln[7] durchgesetzt werden.[8] Bei einer ungerechtfertigten Weigerung, die Einnahme des Augenscheins zu dulden, kann die Finanzbehörde vom Beteiligten zu beweisende – regelmäßig steuerbefreiende bzw. -minde...

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