Rz. 5

Zwischen den Aufgaben der Finanzbehörde und den ihr zur Aufgabenerfüllung eingeräumten Befugnissen ist zu unterscheiden. § 85 AO ist eine rein deklaratorische Aufgabenzuweisungsnorm.[1] Sie ist keine Befugnisnorm für Rechtseingriffe und vermag deshalb für Beteiligte keine Handlungs- und Duldungspflichten zu begründen. Die für die Aufgabenverwirklichung erforderlichen Ermächtigungsgrundlagen sind vielmehr gesondert geregelt und finden sich insbesondere in den §§ 92ff. AO sowie §§ 193, 210 AO. Die den Finanzbehörden durch diese Normen an die Hand gegebenen Instrumentarien müssen von ihr im Einzelfall ausgeschöpft werden, um dem Ziel einer zutreffenden Steuerfestsetzung möglichst nahezukommen.

 

Rz. 6

Als Aufgabenzuweisungsnorm kann die Vorschrift nur für solche behördlichen Handlungen Rechtsgrundlage sein, mit denen kein Eingriff in die Rechte Dritter verbunden ist. Zu diesen Tätigkeiten gehören z. B. allgemeine Hinweise an die Öffentlichkeit oder ähnliche vorbeugende Maßnahmen gegenüber Einzelnen sowie an andere Behörden gerichtete Ersuchen, Aufträge nur gegen Vorlage einer steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erteilen[2]. Darüber hinaus berechtigt § 85 AO zur Inanspruchnahme und Gewährung von Amtshilfe sowie zur Verschaffung, Sammlung und Auswertung allgemein zugänglicher Informationen im Vorfeld eines konkreten Besteuerungsverfahrens[3] Die nicht zuletzt durch die DSGVO notwendig gewordene Rechtsgrundlage für das Sammeln und Speichern allgemein wie nicht allgemein zugänglicher, aber im Rahmen anderer Besteuerungsverfahren erhobener Daten ergibt sich hierbei aus § 88a AO. Eine örtlich nicht zuständige Finanzbehörde ist letztlich sogar verpflichtet, tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse, die ihr im Rahmen amtlicher Tätigkeit bekannt geworden sind, im Wege einer Kontrollmitteilung an die örtlich zuständige Finanzbehörde weiterzuleiten.[4] Der BFH sieht in §§ 85, 88 AO außerdem die Rechtsgrundlage für die Durchführung eines Fremdvergleichs bei der Bewertung von Verträgen unter nahen Angehörigen.[5]

 

Rz. 7

Der Austausch steuererheblicher Informationen zwischen verschiedenen Behörden der Finanzverwaltung (hierzu gehört auch die Zollverwaltung) ist auch ohne Heranziehung des § 85 AO zulässig.[6] Zum einen bewirkt ein solcher Informationsaustausch keinen unmittelbaren Rechtseingriff gegenüber dem Bürger. Zum anderen ist das Finanzressort insoweit als Einheit anzusehen. Informationen, die sich eine Dienststelle der Finanzverwaltung rechtmäßig verschafft hat, dürfen deshalb von allen Dienststellen des Finanzressorts zur Erfüllung ihrer Aufgaben verwertet werden.[7] Eine mathematisch-statistische Auswertung der anlässlich eines Besteuerungsverfahrens erhobenen personenbezogenen Daten für steuerliche Zwecke bedarf ebenfalls keiner besonderen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.[8]

 

Rz. 8

Eine Auskunftserteilung an ausländische Finanzbehörden findet ihre Rechtsgrundlage in § 117 AO i. V. m. einer bi- oder multilateralen Völkerrechtsvereinbarung.[9] Die gesetzliche Ermächtigung (bzw. Verpflichtung) für Mitteilungen von Behörden, anderen öffentlichen Stellen (z. B. Gerichte) und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ergibt sich aus § 93a AO i. V. m. der Mitteilungsverordnung. Besondere Schutzvorschriften für Bankkunden beinhaltet § 30a AO.

[1] Klein/Rätke, AO, 15. Aufl. 2020, § 85 AO Rz. 1; Koenig/Wünsch, AO, 3. Aufl. 2014, § 85 Rz. 1; Roser, in Gosch, AO/FGO, § 85 AO Rz. 2.
[2] AEAO, zu § 85 Nr. 4; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 85 AO Rz. 18f.; Helsper, in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl. 1996, § 85 AO Rz. 3; Koenig/Wünsch, AO, 3. Aufl. 2014, § 85 Rz. 21.
[3] Helsper, in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl. 1996, § 85 AO Rz. 4; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 85 AO Rz. 19f.
[6] BFH v. 2.4.1992, VIII B 129/91, BStBl II 1992, 617; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 85 AO Rz. 35; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 85 AO Rz. 21; ­Helsper, in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl. 1996, § 85 Rz. 13; a. A. Carl/Klos, DStZ 1990, 341.
[8] BFH v. 27.10.1993, I R 25/92, BStBl II 1994, 210; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 85 AO Rz. 35.

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