Rz. 52

Nach § 122 Abs. 1 S. 1 AO ist ein Verwaltungsakt grundsätzlich dem Beteiligten bekannt zu geben, wobei nach § 122 Abs. 1 S. 3 AO die Finanzbehörde den Verwaltungsakt auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt geben kann. Es steht daher grundsätzlich im Ermessen der Finanzbehörde, ob sie einen Verwaltungsakt dem Stpfl. selbst oder seinem Bevollmächtigten bekannt gibt. Für die Bekanntgabe von Verwaltungsakten wird § 122 AO als Spezialvorschrift durch die Regelung des § 80 Abs. 5 S. 1 AO nicht eingeschränkt.[1] § 122 AO findet auch dann Anwendung, wenn der Beteiligte zur Mitwirkung verpflichtet ist und ihm der Verwaltungsakt gem. § 80 Abs. 5 S. 2 AO unmittelbar bekannt gegeben werden könnte.[2]

 

Rz. 53

Nach § 80 Abs. 5 S. 4 AO i. V. m. § 122 Abs. 1 S. 4 AO soll ein Verwaltungsakt grundsätzlich dem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden, wenn der Finanzbehörde eine schriftliche oder nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorliegt. Anderenfalls ist die Bekanntgabe unwirksam.[3] Die Finanzbehörde hat in diesem Fall aufgrund des intendierten Ermessens kein Wahlrecht mehr zwischen der Bekanntgabe des Verwaltungsakts an den Beteiligten und den Bevollmächtigten, sondern muss den Verwaltungsakt regelmäßig an den Bevollmächtigten bekannt geben.[4] Eine Verpflichtung zur Bekanntgabe eines Verwaltungsakts an den Bevollmächtigten besteht hierbei dann, wenn ein Bevollmächtigter eindeutig und unmissverständlich auch als Bekanntgabeadressat bestellt worden ist und sich dies unmittelbar aus einer diesbezüglichen Erklärung des Stpfl. ergibt.[5] Dies ist insbesondere auch dann der Fall, wenn sich die Vollmacht auf bestimmte oder mehrere Steuerarten bezieht, aber nur eine Steuernummer genannt ist, wenn für jeden Fall eine neue Steuernummer vergeben wird, wie bei der Grunderwerb- oder Schenkungsteuer.[6]

Eine Bekanntgabe an den Beteiligten direkt kommt im Einzelfall daher nur dann in Betracht, wenn besondere Gründe gegen die Bekanntgabe an den Bevollmächtigten sprechen.[7]

 

Rz. 54

Dies gilt jedoch dann nicht, wenn dem Bevollmächtigten eine Zurückweisung nach § 80 Abs. 7 AO bekannt gegeben worden ist. Insoweit darf die Bekanntgabe nur noch gegenüber dem Stpfl. bzw. seinem ggf. neu bestellten Empfangsbevollmächtigten erfolgen.

 

Rz. 55

Liegt demgegenüber keine schriftliche oder nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht des Bevollmächtigten der Finanzbehörde vor, so muss diese Verwaltungsakte dem Beteiligten selbst bekannt geben[8], es sei denn, dass die besonderen Umstände des Einzelfalls das Interesse des Beteiligten an einer Bekanntgabe gegenüber seinem Bevollmächtigten eindeutig erkennen lassen.[9]

Der Beteiligte und der Bevollmächtigte können also durch Vorlage der schriftlichen oder nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte eindeutigen Empfangsvollmacht für die Finanzbehörde eine "Ermessensreduzierung auf Null" hinsichtlich der Bekanntgabe der Verwaltungsakte herbeiführen.[10]

[1] BFH v. 30.6.1980, I R 148/79, BStBl II 1981, 3; BFH v. 29.7.1987, I R 367, 379/83, BStBl II 1988, 242; BFH v. 5.10.2000, VII R 96/99, BStBl II 2001, 86; FG Hamburg v 22.8.2006, 5 K 199/05, EFG 2007, 370; Mues, in Gosch, AO/FGO, § 80 AO Rz. 77; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 80 AO Rz. 218; Koenig/Hahlweg, AO, 4. Aufl. 2021, § 80 Rz. 73ff.; a. A. wohl Niedersächsisches FG v. 16.7.1997, XII 640/96, EFG 1998, 344; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 80 AO Rz. 47a.
[7] FG Nürnberg v. 19.10.2005, III 38/2005, n. v., NWB direkt 2006, 2, Haufe-Index HI1480181.
[8] FG Bremen v. 29.5.2000, 299247K 2, 299248K 2, n. v., Haufe-Index HI426391.
[9] Vgl. für Ermessensfehler BFH v. 11.8.1954, II 239/53 U, BStBl III 1954, 327, wenn sich die Finanzbehörde bei gleich bleibenden Verhältnissen eine Zeit lang ständig an den Bevollmächtigten, dann aber ohne ersichtlichen Grund an den Stpfl. selbst wendet; BFH v. 25.10.1963, III 7/60 U, BStBl III 1963, 600, wenn die Finanzbehörde eine Einspruchsentscheidung nur dem Stpfl., nicht aber dem Bevollmächtigten zustellt, obwohl dieser den Einspruch eingelegt und das FA ihn als Bevollmächtigten in der Einspruchsentscheidung aufgeführt hat.
[10] FG Nürnberg v. 26.3.2003, V 234/00, n. v., Haufe-Index HI950910.

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