1.5.1 Duldungsbescheid

 

Rz. 16

Die materielle Duldungspflicht ist nach § 191 Abs. 1 AO durch Duldungsbescheid geltend zu machen, in dem das Bestehen der materiellen Pflicht festgestellt wird.[1] Der Duldungsbescheid ist der das Vollstreckungsverfahren eröffnende Verwaltungsakt. Der Erlass des Duldungsbescheids setzt nach § 191 AO voraus, dass sich die Duldungspflicht "kraft Gesetzes" ergibt. Die Duldungspflicht kann einmal originär aus Steuergesetzen erwachsen, wie die Duldungspflicht des Vermögensverwalters nach § 77 Abs. 1 AO (s. Rz. 20) und des Grundeigentümers nach § 77 Abs. 2 AO (s. Rz. 29). Die Duldungspflicht kann sich aber auch derivativ aus zivilrechtlichen Rechtsnormen ergeben, wobei nach h. M. diese zivilrechtlichen Duldungspflichten durch § 191 Abs. 1 AO zu steuerrechtlichen Duldungspflichten transformiert werden.

 

Rz. 17

Der Erlass des Duldungsbescheids liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde, sofern der Erlass nicht entsprechend § 191 Abs. 4, 5 AO ausgeschlossen ist.[2] Der Duldungsbescheid hat deklaratorischen Charakter. Eine Befristung entsprechend der Festsetzungsfrist für den Haftungsanspruch nach § 191 Abs. 3 AO gibt es für die Geltendmachung des Duldungsanspruchs nicht.[3] Die Vorschriften über die Festsetzungsfrist in §§ 169ff. AO gelten nämlich nur für die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis.[4] Der Duldungsanspruch kann solange geltend gemacht werden, als der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis (s. Rz. 13) vollstreckbar ist und die Voraussetzungen der Duldungsnorm gegeben sind (s. Rz. 11, 16).

[2] Einzelheiten zum Duldungsbescheid bei Gehm, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 191 AO Rz. 65ff.
[3] BVerwG v. 13.2.1987, 8 C 25/85, NJW 1987, 2098.
[4] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 77 AO Rz. 3, Klein/Rüsken, AO, 14. Aufl. 2018, § 77 Rz. 3.

1.5.2 Vollstreckungsverfahren

 

Rz. 18

Nach § 249 Abs. 1 AO kann die Finanzbehörde den Duldungsbescheid selbst voll­strecken. Der Duldungspflichtige ist Stpfl. und als Beteiligter am Vollstreckungsverfahren Vollstreckungsschuldner gemäß § 253 AO. Erforderlich für den Beginn der Vollstreckung ist ein dem Leistungsgebot entsprechendes Duldungsgebot[1] gegen den Duldungspflichtigen. In die betroffenen Vermögensgegenstände wird vollstreckt nach den jeweiligen Bestimmungen der AO, sofern nicht der Duldungspflichtige dies durch freiwillige Erfüllung des Anspruchs (s. Rz. 6) bzw. durch freiwillige Herausgabe des Vermögensgegenstands (s. Rz. 5) abwendet. Da die Duldungspflicht einen Unterfall der Haftung darstellt (s. Rz. 7), setzt der Erlass des Duldungsgebots in entsprechender Anwendung des § 219 S. 1 AO die Aussichtslosigkeit der Vollstreckung gegen den Leistungspflichtigen voraus.[2]

 

Rz. 19

Im Vollstreckungsverfahren kann der Duldungspflichtige nicht mehr einwenden, dass der Duldungsbescheid rechtswidrig sei.[3] Er kann jedoch gegen die Art und Weise der Vollstreckung Einspruch[4] einlegen. Dies gilt insbesondere bei Einwendungen, die zur Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung[5] führen. Wird in einen Gegenstand vollstreckt, auf den sich die Duldungspflicht nicht bezieht, so kann der Duldungspflichtige nach § 262 AO widersprechen bzw. Widerspruchsklage erheben.

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