Rz. 6

Der nicht im Eigentum des Unternehmers stehende, ihm aber möglicherweise gemäß § 39 AO steuerlich zuzurechnende Gegenstand dient dann dem Unternehmen, wenn er im Unternehmen nicht nur kurzfristig und vorübergehend eine Aufgabe erfüllt, eingesetzt, genutzt oder verwertet wird oder eine ähnliche Funktion erfüllt. Wegen des Zwecks der Haftungsvorschrift (vgl. Rz. 1) genügt es zur Haftungsbegründung nicht, wenn es sich um den Einsatz einzelner, für die Führung des Unternehmens völlig unbedeutender Sachen handelt.[1]

Umgekehrt braucht der Gegenstand aber auch nicht von ausschlaggebender, entscheidender Bedeutung für das Unternehmen zu sein. Es kommen nicht nur solche Gegenstände für die Haftung nach § 74 AO in Betracht, die zu den wesentlichen Grundlagen des Unternehmens i. S. d. § 75 AO gehören.[2] Die Abgrenzung bei der Haftung nach § 75 AO ist nämlich danach auszurichten, welche Wirtschaftsgüter ein Erwerber des Unternehmens zur Weiterführung des Unternehmens in gleicher Form benötigt. Für § 74 AO ist dagegen nur erforderlich, dass der Gegenstand eine Funktion im Unternehmen erfüllt. Er braucht im Übrigen nicht zum Betriebsvermögen i. S. d. EStG zu gehören. Die rechtliche Grundlage für das Dienen ist nicht maßgebend. Es kann durch Pacht- oder Unterpacht, Miet- oder Untermietvertrag oder auch durch schlichte Nutzungseinräumung herbeigeführt werden.[3]

 

Rz. 7

Bei einem kurzfristigen, vorübergehenden Zurverfügungstellen des Gegenstands kann eine Haftung nicht angenommen werden, da die betriebliche Substanz nicht verstärkt worden ist. Dient ein Gegenstand nur zu einem Teil dem Unternehmen, während ein anderer Teil unter Ausschluss des Unternehmens vom Eigentümer selbst oder von einer anderen Person genutzt wird, so scheidet eine Haftung mit dem gesamten Gegenstand aus, es sei denn, die andere teilweise Nutzung ist wegen Geringfügigkeit[4] zu vernachlässigen.[5] Die Begründung für die Haftung wäre nur für den im Unternehmen eingesetzten Teil gegeben. Wenn auch die Haftung nach dieser Vorschrift nicht tatsächlich nur eine Duldungspflicht ist (vgl. Rz. 16), so erfordert die gegenständliche Beschränkung der Haftung doch die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung. Nur wenn und soweit diese Möglichkeit für Teile des Gegenstands vorhanden ist, kommt eine Haftung in Betracht.[6] Dient z. B. eine genau abgrenzbare Teilfläche eines Grundstücks dem Unternehmen, so ist eine Haftung möglich, wenn die Teilfläche grundbuchmäßig abgetrennt ist bzw. § 7 GBO einen Zwangsvollstreckungsweg eröffnet.[7] Einzelne Räume dagegen sind einer Zwangsvollstreckung nicht zugänglich.[8] Allein die Möglichkeit der Bildung von Sondereigentum nach § 8 WEG reicht für die Haftung nach § 74 AO nicht aus. Nicht erforderlich ist es dagegen, dass der Gegenstand ausschließlich dem Unternehmen zur Verfügung steht und von diesem genutzt wird. Eine Mitbenutzung durch den Eigentümer, einen anderen Unternehmer oder sonstigen Dritten in der Form der gemeinsamen Nutzung schließt ein Dienen nicht aus.[9] Die Haftung nach § 74 AO wird nicht nur bei einem geringfügigen Dienen für andere Zwecke[10], sondern auch darüber hinaus nicht ausgeschlossen. Maßgebend für das Dienen müsse es sein, dass der Einsatz für das Unternehmen im Vordergrund steht.[11]

[2] BFH v. 15.9.2000, V B 93/00, BFH/NV 2001, 199, Boeker, in HHSp, AO/FGO, § 74 AO Rz. 22, Klein/Rüsken, AO, 14. Aufl. 2018, § 74 Rz. 8; vgl. auch § 75 AO Rz. 18–28a.
[4] bis zu 20 %; vgl. Delcker, BB 1984, 57.
[5] FG Nürnberg v. 6.7.1993, II 38/93, EFG 1993, 759.
[6] Delcker, BB 1984, 58.
[8] FG Bremen v. 9.9.1977, II 27/75, EFG 1978, 2; ebenso Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 74 AO Rz. 6.
[10] Blesinger, in Kühn/v.Wedelstädt, AO,/FGO, 22. Aufl. 2018, § 74 AO Rz. 6: weniger als 20 %.
[11] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 74 AO Rz. 6, FG Düsseldorf v. 12.10.2006, 11 K 2025/06 F, EFG 2007, 13.

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