1 Grundlagen

1.1 Systematische Einordnung

 

Rz. 1

§§ 6568 AO regeln, unter welchen Voraussetzungen wirtschaftliche Geschäftsbetriebe als steuerbegünstigte Tätigkeiten zur Erreichung der Satzungszwecke – Zweckbetriebe – einzustufen sind; sie statuieren eine Rückausnahme von der partiellen Steuerpflicht wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe.[1]

Die Rechtsfigur des Zweckbetriebs leitet sich ab aus der Rechtsprechung des RFH, der die seinerzeit ohne Ausnahmen geregelte Steuerpflicht für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe gemeinnütziger Körperschaften teleologisch reduzierte und diejenigen Betätigungen als steuerbegünstigt einstufte, die "unmittelbar die Erfüllung der gemeinnützigen Aufgabe" der Körperschaft darstellten.[2] Der RFH hatte auf diese Weise wirtschaftliche Geschäftsbetriebe von der partiellen Steuerpflicht ausgenommen, die in ihrer Gesamtrichtung der Erfüllung der satzungsmäßigen steuerbegünstigten Zwecke der gemeinnützigen Körperschaft dienten und nicht lediglich zur Mittelbeschaffung betrieben wurden. Voraussetzung für die Steuerbegünstigung der wirtschaftlichen Betätigung war, dass der von der Tätigkeit ausgehende Wettbewerb zu steuerpflichtigen privaten Unternehmen auf das unvermeidbare Maß beschränkt blieb.[3] Die vom RFH aufgestellten Grundsätze sind über § 9 Abs. 4 Nr. 3 GemVO 1941, § 7 Abs. 1 GemVO 1953 nahezu unverändert in § 65 AO übernommen worden.[4]

Die Steuerbegünstigung für Zweckbetriebe berührt damit den Grundsatz wettbewerbsneutraler Besteuerung. Ein staatlicher Eingriff in den Wettbewerb ist durch Art. 3 Abs. 1 GG nur gerechtfertigt, wenn hierfür ein hinreichender sachlicher Grund vorliegt.[5] Die Rechtfertigung der steuerlichen Begünstigung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs einer gemeinnützigen Körperschaft gegenüber einem nicht begünstigten Wettbewerber – der Vorrang der Förderung des Gemeinwohls vor der Wettbewerbsneutralität des Steuerrechts – wird durch die eng gefassten Voraussetzungen des § 65 AO sichergestellt.

 

Rz. 2

§ 65 AO enthält eine allgemeine Zweckbetriebsdefinition. Ein Zweckbetrieb liegt danach nur vor, wenn die Voraussetzungen des § 65 Nr. 1–3 AO kumulativ erfüllt sind.[6] Die allgemeine Zweckbetriebsdefinition des § 65 AO wird ergänzt durch die in §§ 6668 AO enthaltene Aufzählung von wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben, die kraft Gesetzes als Zweckbetriebe anzusehen sind. §§ 6668 AO sind dabei leges speciales gegenüber § 65 AO mit der Folge, dass die steuerliche Begünstigung eines Betriebs als Zweckbetrieb nach §§ 66ff. AO nicht zugleich voraussetzt, dass die Voraussetzungen von § 65 AO erfüllt sind.[7]

Die Rechtsanwendung wird im Hinblick auf das Vorliegen eines Zweckbetriebs durch die speziellen Zweckbetriebe der §§ 6668 AO vereinfacht, da die dort geregelten tatbestandlichen Voraussetzungen konkreter gefasst sind als in § 65 AO.

[2] RFH v. 11.1.1934, III A 351/33, RStBl 1934, 246.
[3] RFH v. 24.9.1937, XIa A 42/37, RFHE 42, 131, 133.
[4] Zur Entstehungsgeschichte ausführlich Fischer, in HHSp, AO/FGO, § 65 AO Rz. 1-11.

2 Tatbestand

2.1 Allgemeines

 

Rz. 3

Ein Zweckbetrieb liegt nur vor, wenn die drei Voraussetzungen des § 65 AO gegeben sind; das Fehlen auch nur einer dieser Voraussetzungen führt zum Verlust der Eigenschaft als Zweckbetrieb und damit zum Verlust der Steuervergünstigungen für diesen Betrieb.

2.2 Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke (Nr. 1)

 

Rz. 4

Nach Nr. 1 muss der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb der Erfüllung der satzungsmäßigen Zwecke dienen, er muss also in seiner ganzen Ausgestaltung auf die Verwirklichung dieser Zwecke ausgerichtet sein. Der Zweckbetrieb ist selbst Teil der auf die Erreichung der begünstigten Zwecke gerichteten Tätigkeit; die Steuerfreiheit des Zweckbetriebs, trotz der damit verbundenen Wettbewerbsverzerrung, rechtfertigt sich nur dadurch, dass der Zweckbetrieb untrennbarer Teil der steuerbegünstigten Tätigkeit ist.

Maßgebend ist die Gesamtausrichtung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs. Einzelne nicht auf die Zweckverwirklichung gerichtete Tätigkeiten sind unschädlich, wenn sie im Rahmen einer Gesamtbetrachtung lediglich von ganz untergeordneter Bedeutung sind.[1] Kein Zweckbetrieb liegt vor, soweit ein Verein, dessen satzungsmäßiger Zweck in der Förderung der (sportlichen) Betätigung der Mitglieder besteht, seine Anlagen Nichtmitgliedern gegen Entgelt zur Verfügung stellt; der Verein wird insoweit außerhalb seiner satzungsmäßigen Zwecke tätig.[2]

Nicht erforderlich ist eine unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke; das Merkmal der "Unmittelbarkeit" ist kein Tatbestandsmerkmal des § 65 Abs. 1 AO.[3] Dementsprechend können Leistungen eines gemeinnützigen Vereins gegenüber dem Bundesamt für Zivilschutz einen Zweckbetrieb nach § 65 AO begründen, obwohl es an einem Tätigwerden unmittelbar gegenüber hilfsbedürftigen Personen fehlt.[4] Wird eine steuerbegünstigte Körperschaft im Rahmen einer arbeitsteiligen Aufgabenerfüllung als Hilfsperson einer anderen steuerbegüns...

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