Rz. 10

§ 413 AO benennt mit den Grundrechten auf körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person gem. Art. 2 Abs. 2 GG, des Briefgeheimnisses sowie des Post- und Fernmeldegeheimnisses gem. Art. 10 GG und der Unverletzlichkeit der Wohnung gem. Art. 13 GG die Grundrechte (unter Angabe ihres Artikels) , die "nach Maßgabe dieses Gesetzes", also durch die oder aufgrund der AO, eingeschränkt werden.

 

Rz. 11

Die Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person i. S. des Art. 2 Abs. 2 GG werden insbesondere eingeschränkt durch

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird durch das BVerfG aus den Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG und nicht aus Art. 2 Abs. 2 GG[1] hergeleitet.[2] Diese unterliegen aber nicht dem Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG[3], weil sie nicht "durch ein Gesetz" oder "aufgrund eines Gesetzes" eingeschränkt werden können. Entsprechend werden die Einschränkungen etwa durch §§ 30 Abs. 6, 31a, 88a, 139a bis 139d, 249 Abs. 2 S. 2 AO, nicht durch das Zitat des § 413 AO umfasst.[4]

 

Rz. 12

Das von Art. 10 GG gewährleistete Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis wird durch § 404 S. 1 i. V. m. § 100a StPO eingeschränkt.

Keine Einschränkung erfolgt dagegen durch § 105 AO (und den auf diese Vorschrift verweisenden § 111 Abs. 5 AO[5]). Denn die in § 105 Abs. 1 AO gegenüber den Finanzbehörden geregelte Freistellung von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit gilt nach § 105 Abs. 2 AO gerade nicht, soweit eine Verpflichtung zur Wahrung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses besteht.[6]

 

Rz. 13

Das durch Art. 13 GG geregelte Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung wird z. B. eingeschränkt durch

  • § 99 AO (Betreten von Grundstücken und Räumen),
  • § 200 Abs. 3 S. 2 AO (Betreten von Grundstücken und Betriebsräumen während einer Außenprüfung),
  • § 210 Abs. 2 AO (Betreten von Grundstücken und Räumen bei der Nachschau im Rahmen der Steueraufsicht bei Verbrauchsteuern),
  • § 287 AO (Betreten zur Durchsuchung durch den Vollziehungsbeamten),
  • § 399 Abs. 2, 404 AO i. V. m. den Vorschriften der StPO (Durchsuchung im Steuerstrafverfahren).

Auch § 146 Abs. 1 S. 3 AO (Betreten von Wohnräumen bei der Kassen-Nachschau) schränkt das Grundrecht des Art. 13 GG ein. Da die Vorschrift jedoch nachträglich in die AO eingefügt worden ist[7] und nicht durch § 413 AO erfasst ist (s. Rz. 3), enthält § 146b Abs. 1 S. 4 AO eine eigene Zitierung.

 

Rz. 14

Die von § 413 AO genannten Grundrechte werden "nach Maßgabe dieses Gesetzes" eingeschränkt. Das Zitiergebot des § 413 AO erstreckt sich damit nur auf die erfassten Vorschriften der AO, nicht jedoch auf die der Einzelsteuergesetze.[8] So betrifft z. B. § 413 AO nicht den § 27b UStG zur USt-Nachschau und den § 42g EStG zur LSt-Nachschau hinsichtlich der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG.[9] Auch erfüllt § 413 AO nicht die Anforderungen des Zitiergebots für Befugnisse der Finanzbehörde nach außersteuerlichen Gesetzen, etwa nach §§ 3 und 4 SchwarzArbG.[10]

[1] A. A. aber – ohne nähere Begründung – Schmieszek, in Gosch, AO/FGO, § 413 AO Rz. 4.
[3] BVerfG v. 29.7.1959, 1 BvR 394/58, BVerfGE 10, 89; BVerfG v. 18.2.1970, 2 BvR 531/68, BVerfGE 28, 36.
[4] Ebenso Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 413 AO Rz. 6; Koenig/Koenig, AO; 4. Aufl. 2021, § 413 Rz. 2; Tormöhlen, in HHSp, AO/FGO, § 413 AO Rz. 6.
[5] So aber – jeweils ohne nähere Begründung – Klein/Jäger, AO, 16. Aufl. 2022, § 413 Rz. 3; Koenig/Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 413 Rz. 2; Tormöhlen, in HHSp, AO/FGO, § 413 AO Rz. 3.
[6] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 413 AO Rz. 10; Kraus, in BeckOK, § 413 AO Rz. 3; Schmieszek, in Gosch, AO/FGO § 413 AO Rz. 5.
[7] Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen v. 22.12.2016, BGBl I 2016, 3152.
[8] Ebenso Schmieszek, in Gosch, AO/FGO § 413 AO, Rz. 3.1; Blesinger, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 21. Aufl. 2015, § 413 AO Rz. 1; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 413 AO Rz. 5.
[9] Eingehend dazu Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 413 AO Rz. 11 m. w. N.
[10] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 413 AO Rz. 5a; Klein/Jäger, AO, 16. Aufl. 2022, § 413 Rz. 4.

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