Rz. 34

Die Finanzbehörde kann nach § 386 Abs. 4 S. 1 AO das Steuerstrafverfahren an die Staatsanwaltschaft abgeben. Die Abgabe steht im pflichtgemäßen Ermessen. Auf die Entscheidung haben weder die Staatsanwaltschaft noch der Beschuldigte rechtlichen Einfluss. Der Beschuldigte kann die Abgabe zwar anregen, hat aber, anders als nach § 421 Abs. 4 S. 4 RAO, kein eigenes Antragsrecht.

 

Rz. 35

Die Abgabe durch die Finanzbehörde kann jederzeit erfolgen. Diese kann bereits vor der Einleitung[1] durch die Finanzbehörde geschehen, wenn dies der Finanzbehörde zweckmäßig erscheint.[2] Hierdurch kann sich die Finanzbehörde allerdings nicht ihrer Verpflichtung entziehen, die gebotenen Eilmaßnahmen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten.[3]

 

Rz. 36

Zur Ermessensausübung bestimmt Nr. 22 Abs. 1 AStBV (St) 2020[4], dass die

  • unverzügliche Abgabe erfolgen soll, wenn besondere Umstände es angezeigt erscheinen lassen, dass das Ermittlungsverfahren unter der Verantwortung der Staatsanwaltschaft fortgeführt wird, insbesondere wenn:

    • eine Maßnahme der Telekommunikationsüberwachung beantragt werden soll;
    • die Anordnung der Untersuchungshaft geboten erscheint[5],
    • die Strafsache besondere verfahrensrechtliche Schwierigkeiten aufweist;
    • der Beschuldigte außer einer Steuerstraftat oder gleichgestellten Straftat noch eine andere – prozessual selbstständige – Straftat begangen hat und die Taten in einem einheitlichen Ermittlungsverfahren verfolgt werden sollen;
    • Freiheitsstrafe zu erwarten ist, die nicht im Strafbefehlsverfahren geahndet werden kann[6], oder das Strafbefehlsverfahren aus sonstigen Gründen nicht geeignet ist, wie i. d. R. in besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 AO.[7]
  • sofortige Abgabe i. d. R. geboten ist, wenn:

    • gegen Abgeordnete, Diplomaten, Stationierungsstreitkräfte, Jugendliche, Heranwachsende und vermindert Schuldfähige[8] ermittelt wird;
    • ein Amtsträger der Finanzbehörde der Beteiligung verdächtig ist.[9]

Die Abgabe ist zudem tunlich, wenn sich bereits im Ermittlungsverfahren zeigt, dass die strafrechtliche Würdigung von besonderer rechtlicher Komplexität ist, beispielsweise bei fehlender, widersprüchlicher oder nicht eindeutiger Auslegung der Gesetze durch die Rechtsprechung. Dies kann sowohl rein strafrechtliche oder strafprozessuale Fragen betreffen als auch die Würdigung steuerlicher Fragen.[10]

[4] Haufe-Index 2124711.
[8] Vgl. Nr. 151-154 AStBV (St) 2020.
[9] Klein/Jäger, AO, 15. Aufl. 2020, § 386 Rz. 12.
[10] Beyer, AO-StB 2020, 116.

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