Verbandssanktionengesetz – endgültig vom Tisch?

Trotz teilweise sehr kritischen Stellungnahmen hatte die Bundesregierung den Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes nahezu unverändert beschlossen und brachte ihn im Oktober 2020 in den Bundestag ein. Dort wurde er allerdings aufgrund von Unstimmigkeiten in der Regierungskoalition nicht mehr behandelt.

Das Handelsblatt berichtete im August 2021 über Abfragen bei den großen Parteien, welche Meinungen zu einem künftigen „Unternehmenssanktionsrecht“ vertreten werden. Die Analyse zeigt hierzu auf: Auch mit einer neuen Bundesregierung ist damit zu rechnen, dass ein Unternehmenssanktionsrecht kommen wird. Obwohl ein solches Unternehmenssanktionsrecht in den Wahlprogrammen von CDU und SPD nicht enthalten ist, zeigten sich auf Nachfragen beide Parteien grundsätzlich offen dafür.

Die Grünen haben unter der Überschrift „Konsequent gegen Korruption“ allerdings einen längeren Bereich in ihrem Wahlprogramm diesem Thema gewidmet. Da heißt es: „Um zu verhindern, dass Rechtsverstöße von Unternehmen wegen organisierter Unverantwortlichkeit nicht geahndet werden können, soll künftig auch an das Organisationsverschulden angeknüpft werden können.“

Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner sagte:

Wir halten ein Gesetz zu Unternehmenssanktionen weiterhin für erforderlich und wollen Unternehmen bei Rechtsverstößen künftig wirksamer zur Rechenschaft ziehen.“ Sonst seien die ehrlichen Unternehmen die Verlierer. Kellner erklärte: „Korruptionsaffären müssen wirksam geahndet werden. Dafür werden wir uns einsetzen. 

(Handelsblatt vom 16.08.2021)

OECD fordert Regelung von Deutschland

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat vor Kurzem Deutschland ausdrücklich aufgefordert hat, endlich entsprechende Reformen des „Unternehmensstrafrechts“ einzuleiten.

So werden Straftaten aus Verbänden bisher geahndet

Bislang können Straftaten, die aus Verbänden (Unternehmen, juristische Personen) heraus begangen wurden, nach geltendem Recht lediglich mit einer Geldbuße nach dem OWiG gegenüber dem Unternehmen geahndet werden. Die Geldbuße ist gem. § 30 OWiG auf eine maximale Bußgeldhöhe von 10 Mio. EUR begrenzt. Durch die Regelung im Ordnungswidrigkeitenrecht obliegt es bislang dem Ermessen der Verfolgungsbehörden, ob sie dies aufgreifen. Dies führte bislang dazu, dass auch bei schwersten Straftaten von Leitungspersonen in Unternehmen die Verfolgung des Verbandes allein im Ermessen der Verfolgungsbehörden lag.

Diese uneinheitliche Verfolgungspraxis führt deshalb bislang zu einer Ungleichbehandlung in verschiedenen Bundesländern.

Ein Unternehmenssanktionsrecht in Deutschland ist nur eine Frage der Zeit – Bereiten Sie sich darauf vor!

Auch wenn das bisherige geplante Verbandssanktionsgesetz vorerst nicht kommt, ist das Thema nicht vom Tisch, sondern wird in der neuen Bundesregierung wieder zur Diskussion stehen. Deutschland kann sich auf Dauer dem internationalen Druck (OECD) nicht entziehen. Deshalb ist es sinnvoll, ein angemessenes und wirksames Compliance-Management-System im Unternehmen einzurichten, sofern dies noch nicht erfolgt ist.

Seit April 2021 liegt mit der neuen ISO 37301 (Compliance-Management-Systeme) eine Level-A-Norm vor, die eine Zertifizierung eines CMS ermöglicht. Deshalb sollten sich Unternehmen die Frage stellen, ob eine Zertifizierung eines vorhandenen Compliance Management System nicht anzustreben wäre, um dies im Vergleich mit Mitbewerbern, bei Ausschreibungen oder auch in internationalen Verfahren entsprechend einsetzen zu können.

Chronik des gescheiterten VerSanG-E

Die Bundesregierung hatte im Koalitionsvertrag von 2018 vereinbart, dass in dieser Regierungsperiode eine „Neuordnung des Sanktionsrechts für Unternehmen zur wirksamen Ahndung von Wirtschaftskriminalität“ umgesetzt werden soll.

Im August 2019 hatte das Bundesjustizministerium dazu einen Entwurf zur Abstimmung mit den anderen Ministerien erstellt. Obwohl dieser erste Entwurf nicht öffentlich war, sondern nur der innerministeriellen Abstimmung dienen sollte, gelangte er in die Öffentlichkeit und löste in den entsprechenden Fachkreisen bereits umfangreiche Diskussionen und auch Kritik aus.

Im April hatte das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) am 21.4.2020 einen Referentenentwurf des sog. „Verbandssanktionengesetz – VerSanG-E“ unter dem Titel „Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ veröffentlicht und die Verbandsanhörung eingeleitet. Obwohl von verschiedenen Verbänden und Organisationen teilweise starke Kritik an dem Entwurf geäußert wurde, wurde der Regierungsentwurf am 16.6.2020 von der Bundesregierung beschlossen. Die Stellungnahmen zu dem Referentenentwurf wurden vom BMJV veröffentlicht.

Die Bundesregierung hatte den Regierungsentwurf zunächst in den Bundesrat eingebracht, da es sich um ein zustimmungspflichtiges Gesetz handelt. Durch den Bundesrat erfolgte keine Generalablehnung, aber Kritik in der Sache. Der Bundesrat weist in seiner ausführlichen Stellungnahme auf fachlichen Änderungs- oder Streichungsbedarf an verschiedenen Passagen des Regierungsentwurfs hin (BR-Drucks. 440/20). Die Bundesregierung brachte im Oktober 2020 den Gesetzesentwurf in den Bundestag ein. Allerdings wurde dieser Entwurf dann aufgrund von Unstimmigkeiten in der Regierungskoalition im Bundestag nicht mehr behandelt.

Inhalte des gescheiterten VerSanG-E

Der bisherige Regierungsentwurf richtete sich ausdrücklich an Verbände, „deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist″ (§ 1 VerSanG-E). Daher sind bislang Verbände mit einem gemeinnützigen Zweck nicht erfasst, sie unterliegen weiterhin den Regelungen des OWiG.

  1. Geltung auch für im Ausland begangene Taten: Im Gegensatz zum bisherigen OWiG sollte der räumliche Anwendungsbereich des VerSanG-E auch auf Verbände mit einem Sitz im Inland für im Ausland begangene Verbandsdelikte erweitert werden, die nicht dem deutschen Strafgesetz unterfalle
  2. Ausgangspunkt ist die Verbandstat: Nach § 3 Abs. 1 VerSanG-E wird gegen einen Verband eine Verbandssanktion verhängt, wenn eine Verbandstat von einer der Leitungspersonen des Verbandes oder von sonstigen Personen des Unternehmens begangen wurde, wenn sie Angelegenheiten des Verbandes wahrnehmen und die Straftat durch angemessene Vorkehrungen hätte verhindert oder wesentlich erschwert werden können.

    Eine Verbandstat liegt gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 VerSanG-E vor, wenn eine Straftat begangen wurde, durch die Pflichten, die den Verband betreffen, verletzt worden sind oder durch die der Verband bereichert wurde bzw. werden sollte. Verbandstat kann somit jede Straftat sein, sofern das Kriterium der Verbandsbereicherung oder der Verletzung von Verbandspflichten erfüllt ist.

    Verbandstaten sind daher nicht auf bestimmte Deliktgruppen, wie Vermögens- oder Steuerdelikte, beschränkt. In Betracht kommen etwa auch mit Strafe bedrohte Menschenrechtsverletzungen wie Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft (§ 233 StGB), Umweltdelikte (§§ 324 ff. StGB), Korruptionsdelikte und Straftaten gegen den Wettbewerb (§§ 298, 299 Absatz 2, 299b StGB). Richtet sich dagegen eine Straftat nur gegen den Verband selbst (z.B. eine Leitungsperson veruntreut Geld des Unternehmens), liegt keine Verbandstat vor.
  3. Legalitätsprinzip: Die grundlegende Norm zur Regelung der Sanktionierung von Verbänden fand sich in § 3 Abs. 1 VerSanG-E. Anders als bei § 30 OWiG sollte nunmehr das Legalitätsprinzip gelten. Zuständig war danach diejenige Behörde, die auch für die zugrunde liegende Verbandstat zuständig ist, also in aller Regel die Staatsanwaltschaft. Bei Steuerstraftaten kam über § 386 AO auch eine Zuständigkeit der Finanzbehörde in Betracht; im Kartellverfahren eine solche der Kartellbehörde nach § 82 GWB.
  4. Drastische Erhöhung der Strafen für größere Unternehmen: Für Unternehmen mit einem (Konzern-)Jahresumsatz bis zu 100 Millionen EUR sollte es bei der bisher schon im OWiG vorgesehenen Höchstgrenze von 10 bzw. 5 Millionen EUR bleiben. Diese vorgesehene Orientierung der Verbandgeldsanktion an der Wirtschaftskraft des Verbandes (§ 15 Abs. 2 VerSanG-E) sollte insbesondere kleinere Unternehmen vor wirtschaftlicher Überforderung bewahren.

    Um aber bei Großunternehmen und multinationalen Konzernen eine an der Wirtschaftskraft orientierte angemessene Sanktionierung zu ermöglichen, sollte für diese Verbände die bisherige starre Obergrenze des OWiG aufgegeben werden. Für Unternehmen mit einem (Konzern-)Jahresumsatz von mehr als 100 Millionen EUR war als Höchstgrenze 10 % (bei Vorsatztaten) bzw. 5 % des Jahresumsatzes (bei Fahrlässigkeit) vorgesehen, § 9 Abs. 2 VerSanG-E. Damit sollte die derzeit bestehende Belastungsungleichheit aufgehoben werden.

Bedeutung von Compliance-Maßnahmen

In der Begründung des Gesetzesentwurfs wurde an verschiedenen Stellen relativ ausführlich auf vorhandene Compliance im Unternehmen Bezug genommen. Sowohl bei der Entscheidung über die Höhe der Sanktion als auch bei der Entscheidung über eine Verwarnung, über Auflagen oder die Einstellung wegen Geringfügigkeit sollen die „Schwere und das Ausmaß des Unterlassens angemessener Vorkehrungen zur Vermeidung von Verbandstaten“ des Unternehmens berücksichtigt werden. Damit sind konkret die vorhandenen Maßnahmen eines Compliance-Management-Systems gemeint.

Dass es trotzdem zu einer Verbandstat gekommen ist, spricht nach dem Entwurf nicht von vornherein gegen die Ernsthaftigkeit des Bemühens, Verbandstaten zu vermeiden, da auch ein Optimum an Compliance nicht verhindern kann, dass einzelne Leitungspersonen Straftaten begehen. In diesen Fällen sollte dann eine substantielle Sanktionsmilderung vorgenommen werden können. Liegen hingegen Defizite bei der Compliance vor und wäre die Verbandstat durch eine ordnungsgemäße Compliance verhindert oder wesentlich erschwert worden, kann nur das grundsätzliche Bemühen des Verbandes um Compliance zu seinen Gunsten gewürdigt werden und die Sanktionsmilderung allenfalls gering ausfallen.

Wenn allerdings vorgebliche Compliance-Maßnahmen nur dazu dienen, delinquente Strukturen zu überdecken, sollte dies sanktionsverschärfend zur Geltung kommen. Auch wo die Geschäftsleitung (etwa der Vorstand einer Aktiengesellschaft) selbst an Verbandstaten beteiligt ist und damit deutlich wird, dass sie selbst nicht hinter den von ihr vorgegebenen Compliance-Regelungen steht, sollte eine mildernde Berücksichtigung von Compliance-Maßnahmen regelmäßig nicht in Betracht kommen.

Interne Ermittlungen – „Internal Investigations“

Verbandsinterne Untersuchungen zur Ermittlung von strafrechtlich relevantem Fehlverhalten haben in den letzten Jahren zugenommen, da sich aus den gesellschaftsrechtlichen Anforderungen, insbesondere aus der Sorgfalts- und Leitungspflicht des Vorstands der AG (§§ 76 Abs. 1, 93 AktG), der Überwachungspflicht des Aufsichtsrats (§ 111 AktG) und der Sorgfaltspflicht des GmbH-Geschäftsführers (§ 43 GmbHG) die Verpflichtungen ergeben, verbandsinterne Compliance-Verstöße und Straftaten aufzuklären, um weiteren Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Hinzu kommen starke Einflüsse aus anderen Jurisdiktionen (insbesondere USA), die als Voraussetzung für eine Sanktionsmilderung eine konzernweite Untersuchung verlangen.

Daher wollte der Gesetzesentwurf Regeln schaffen, um das Verhältnis zwischen der staatlichen Sachverhaltsaufklärung durch die Strafverfolgungsbehörden und der privatrechtlichen Untersuchung durch das Unternehmen oder seine Berater zu klären. Dabei sollen die Schutzrechte von Arbeitnehmern nicht unterlaufen oder ausgehöhlt werden. Mit der Einführung des VerSanG sollte daher auch ein rechtssicherer Rahmen für verbandsinterne Untersuchungen geschaffen werden.

Reichweite von Beschlagnahmeverboten

Dies beinhaltet zum einen Regelungen zur Klarstellung der Reichweite von Beschlagnahmeverboten, die durch Änderungen in der StPO erfolgen sollten. Vor dem Hintergrund der bislang bestehenden Unsicherheiten sollte durch das VerSanG-E die Reichweite der Beschlagnahmeverbote nunmehr in allen Fällen des § 97 StPO-E ausdrücklich auf diejenigen Fälle beschränkt werden, in denen es ein Vertrauensverhältnis zwischen Beschuldigtem und Zeugnisverweigerungsberechtigtem zu schützen gilt. Nach der Neufassung war Voraussetzung für die Beschlagnahmefreiheit, dass die Gegenstände selbst dem geschützten Vertrauensverhältnis zwischen Beschuldigtem und seinem Verteidiger zugerechnet werden können. Aufzeichnungen über Befragungen im Rahmen von verbandsinternen Untersuchungen sollten damit nur dann vor Beschlagnahme geschützt sein, wenn sie diesem geschützten Vertrauensverhältnis zuzuordnen sind. Dies dürfte künftig in der Praxis kaum vorliegen, auch durch das Trennungsgebot von Internen Ermittlungen und Verteidiger (siehe nachfolgend).

Anreizsystem für Aufklärungsleistung

Zum anderen sollte durch die Regelungen der §§ 16 bis 18 VerSanG-E ein Anreizsystem eingeführt werden. Die Aufklärungsleistungen des Unternehmens sollten nach dem Entwurf dann sanktionsmildernd berücksichtigt werden, wenn sie tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts durch die Strafverfolgungsbehörden beitragen. Eine derart verstandene Aufklärungsleistung setzt sowohl einen wesentlichen Aufklärungsbeitrag (§ 17 Abs. 1 Nr. 1) als auch eine umfassende Kooperation (§ 17 Abs. 1 Nr. 3) voraus. Zusätzlich müssen auch die Befragungen der Verbandsmitarbeiter so durchgeführt werden, dass ihr Beweiswert im Strafverfahren nicht gemindert ist und die Gefahr von falschen Aussagen durch die Befragungen nicht erhöht wird. Daher legt § 17 Abs. 1 Nr. 4 qualitative Mindestvoraussetzungen für die Befragung fest. Nur wenn diese erfüllt sind, sollte die Aufklärungsleistung des Unternehmens zu einer erheblichen Milderung der Sanktion führen. § 18 sah deshalb vor, dass sich im Fall des Vorliegens der Voraussetzungen der Herabsetzung der Sanktionsrahmen halbiert und die öffentliche Bekanntmachung ausgeschlossen wird.

Dieses Regelungssystem sollte ein gestuftes Anreizsystem schaffen. Soweit aufgrund der Möglichkeit der Herabsetzung nach § 18 nur noch eine geringfügige Verbandssanktion zu verhängen wäre und gleichzeitig kein öffentliches Interesse mehr an einer Verfolgung besteht, hätte nach § 35 von einer Verfolgung abgesehen werden können. Besteht weiterhin ein öffentliches Interesse an der Verfolgung, so wäre zu prüfen gewesen, ob ein Absehen von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen nach § 36 möglich ist. Ist auch ein Vorgehen nach § 36 nicht angezeigt, etwa weil trotz der verbandsinternen Untersuchung die Schwere der begangenen Verbandstat oder die Höhe der zu erwartenden Verbandsgeldsanktion entgegensteht, wäre die Verhängung einer Verwarnung mit Verbandsgeldsanktionsvorbehalt nach § 10 in Erwägung zu ziehen gewesen.

Auch wenn die verbandsinterne Untersuchung den in § 17 festgelegten Voraussetzungen nicht genügt, hätte dies deren Berücksichtigung bei der Sanktionszumessung nicht ausschließen sollen. Die etwaige Milderung der Sanktion sollte dann nach der allgemeinen Vorschrift des § 15 Abs. 3 erfolgen, in der vorgesehen war, dass das Bemühen des Verbandes, die Verbandstat aufzudecken, berücksichtigt werden kann.

Verbandsanktionengesetz_gestuftes Anreizsystem

Eine Strafmilderung sollte vorgenommen werden, wenn

  1. der Verband wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Verbandstat aufgeklärt werden konnte;
  2. eine klare Trennung zwischen den die Untersuchung durchführenden Personen und den Verteidigern des Verbandes erfolgt;
  3. eine ununterbrochene und uneingeschränkte Zusammenarbeit mit den Verfolgungsbehörden stattfindet;
  4. nach Abschluss der verbandsinternen Untersuchung das Ergebnis der verbandsinternen Untersuchung einschließlich aller für die verbandsinterne Untersuchung wesentlichen Dokumente, auf denen dieses Ergebnis beruht, sowie der Abschlussbericht den Verfolgungsbehörden zur Verfügung gestellt werden;
  5. die verbandsinterne Untersuchung unter Beachtung der Grundsätze eines fairen Verfahrens durchgeführt wurde. Dies umfasst insbesondere, dass
  • Mitarbeiter vor ihrer Befragung darauf hingewiesen werden, dass ihre Auskünfte in einem Strafverfahren gegen sie verwendet werden können,
  • Befragten das Recht eingeräumt wird, einen anwaltlichen Beistand oder ein Mitglied des Betriebsrats zu Befragungen hinzuzuziehen, und die Befragten auf dieses Recht vor der Befragung hingewiesen werden und
  • Befragten das Recht eingeräumt wird, die Auskunft auf solche Fragen zu verweigern, deren Beantwortung sie selbst oder die in § 52 Abs. 1 StPO bezeichneten Angehörigen gefährden würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, und die Befragten auf dieses Recht vor der Befragung hingewiesen werden.

Änderungsvorschläge des Bundesrates 

Nachdem der Bundesrat sich ausführlich mit den Plänen der Bundesregierung befasst hatte, unterbreitete er im Rahmen seiner Stellungnahme verschiedene  fachliche Änderungsvorschläge (BR-Drucks. 440/20). 

Vorgesehene Regelung für Verfahrenseinstellungen erweitern?

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sah für das geplante Verbandssanktionengesetz (VerSanG) die Geltung des Legalitätsprinzips vor. Nach Auffassung des Bundesrates ging der bisherige Gesetzentwurf dabei von einem unrealistisch niedrigen Mengengerüst aus. Ein erheblicher Teil möglicher Verfahren wegen der Verletzung „verbandsbezogener Pflichten“ beziehe sich nicht auf gravierende Tatvorwürfe, sondern auf vergleichsweise banale Fahrlässigkeitsvorwürfe, wie zum Beispiel Behandlungsfehlervorwürfe gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Krankenhaus, Verkehrsunfälle mit Personenschaden mit Bezug zum Taxi-, Logistik oder Speditionsgewerbe, Arbeitsunfälle aller Art, fahrlässige Brandstiftungen oder fahrlässige Umweltdelikte im Handwerk.

Als Folge der Einführung des Legalitätsprinzips und des sehr weiten Anwendungsbereichs des VerSanG müssten folglich in vielen Fällen Sanktionsverfahren gegen Verbände geführt werden, bei denen es kein anerkennenswertes Bedürfnis für ein Sanktionsverfahren gibt. Gleichzeitig würden damit unnötigerweise Ressourcen der Strafverfolgungsbehörden gebunden.

Der Bundesrat schlug deshalb vor, die bislang im Gesetzentwurf vorgesehenen Einstellungsmöglichkeiten nach den §§ 35 ff. VerSanG zu erweitern, um auch Verfahrenseinstellungen künftig zu ermöglichen, wenn die Verbandstat selbst zwar nicht geringfügig ist, die Verantwortlichkeit des Verbandes aber neben dem Individualverschulden nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder der Verband sonst für die Verbandstat keine eigenständige Bedeutung hat.

Übergangszeit auf drei Jahre erweitern?

Um den Unternehmen, die auch durch die Corona-Krise derzeit belastet sind, mehr Zeit einzuräumen, forderte der Bundesrat, die Übergangszeit auf drei Jahre zu erweitern. 


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