Unternehmensstrafrecht unterstützt Compliance-Management-Systeme

In den letzten Wochen wurde viel über den vom BMJV vorgelegten, aber noch nicht zur öffentlichen Diskussion offiziell freigegebenen Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität berichtet. Dr. Reinhard Preusche, CompCor, erläutert, weshalb er einen solchen Entwurf begrüßt.

Der Interview-Partner:

Dr. Reinhard Preusche ist einer der Gründer der CompCor Compliance Solutions GmbH & Co. KG. Er ist zudem Partner der Rechtsanwaltskanzlei BKPI in Frankfurt am Main. Vor seiner Tätigkeit als Senior Compliance Consulter war er unter anderem in der Allianz-Gruppe für Compliance verantwortlich. Er berät seit nunmehr einigen Jahren insbesondere mittelständische Industrie- und Dienstleistungsunternehmen in ihrer praktischen Compliance-Arbeit. Dr. Preusche ist Mitbegründer und Vorstandsvorsitzender des Netzwerks Compliance e.V.

Frage: Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) hat im August einen Entwurf zum Gesetz zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität vorgelegt. Was halten Sie von diesem Entwurf?

Antwort: Das Netzwerk Compliance wird sich am 25.11.2019 in einer Veranstaltung für Mitglieder und Gäste in Frankfurt am Main näher mit dem Entwurf befassen. Es ist uns gelungen hierfür Markus Busch, Referatsleiter im BMJV, zu gewinnen, der die wesentlichen Eckpunkte erläutern wird. Den Gegenpart aus Sicht der Strafverteidigung wird Dr. Christian Pelz von Nörr & Partner übernehmen.

Vor der offiziellen Freigabe des Entwurfs zur öffentlichen Diskussion möchte ich zu Einzelheiten der vorgesehenen Neuregelung nicht Stellung nehmen. Ich mache aber keinen Hehl daraus, dass ich den Entwurf grundsätzlich begrüße und damit rechne, dass viele unserer Mitglieder das auch so sehen.

Frage: Warum?

Antwort: Zwei Gründe. Einer im eher grundsätzlichen, dogmatischen Bereich. Der andere ganz praktisch:

  • Die Einführung eines Unternehmensstrafrechts in Deutschland ist überfällig. Sie liegt gerade auch im Interesse der Unternehmen und ihrer Mitarbeiter.
    Die Gründe und Tatabläufe für wirtschaftskriminelles Verhalten von Unternehmen können häufig weniger am strafbaren Verhalten Einzelner festgemacht werden, sondern gehen auf das Zusammenspiel verschiedener Funktionsträger im organisatorischen Unternehmensverbund zurück. Ebenso wie die positive Wertschöpfung eines Unternehmens regelmäßig größer sein sollte als die Summe der Einzelbeiträge, gilt das eben umgekehrt auch für das kriminelle Verhalten von Unternehmen.
    Die Argumentationsstrukturen des klassischen Strafrechts mit seiner Fokussierung auf die individuell verantwortliche Täterpersönlichkeit, wie z.B. Mittäterschaft, Anstiftung, Beihilfe, Unterlassungsdelikte, werden solchen Sachverhalten nicht zufriedenstellend gerecht.
  • Außerdem verhehle ich als Compliance-Praktiker nicht, dass die Neuregelungen die ohnedies spürbare Entwicklung zu praxistauglichen und operativ sinnvollen Compliance-Management-Systemen unterstützen wird. Das ist gut so und wer die Dinge vernünftig anpackt, weiß, dass solche Systeme auch zu erträglichen Kosten und für kleinere und mittlere Unternehmen möglich sind.

Frage: Von verschiedenen Verbänden wird schon jetzt in einigen Punkten erheblicher Verbesserungsbedarf angemeldet. So wird etwa gefordert, dass zertifizierte Compliance-Systeme strafbefreiend wirken sollten und Beschlagnahmeverbote für interne Ermittlungen erforderlich seien. Was meinen Sie?

Antwort: Ich bin da eher skeptisch.

Funktionsfähige Compliance-Management-Systeme und eine Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden können schon heute nach der Rechtsprechung des BGH strafmildernd berücksichtigt werden. Wenn die Zertifizierung von Compliance-Management-Systemen sogar strafbefreiend wirken sollten, würde das voraussichtlich dazu führen, dass die formalen Anforderungen, d.h. auch die damit verbundenen Aufwände, an Compliance-Systeme steigen müssten und dadurch gerade praxistaugliche mittelstandsgeeignete Lösungen ins Hintertreffen geraten würden.
Außerdem: Die Mehrzahl der Großunternehmen mit schwerwiegenden Compliance-Problemen oder besser gesagt wirtschaftskriminellen Praktiken verfügten über hochentwickelte Compliance-Managementsysteme und große Compliance-Abteilungen. Ich erinnere nur an Cum-ex-Geschäfte, Geldwäsche mit baltischen Banken, den Dieselskandal oder verschiedene Korruptionsaffären. Sollte man vor diesem Hintergrund dafür plädieren, dass zertifizierte Compliance-Management-Systeme a priori strafbefreiend wirken sollten?

Frage: Was halten Sie von Beschlagnahmeverboten für Unterlagen aus internen Compliance-Untersuchungen und Zeugnisverweigerungsrechten für unternehmensinterne Syndikusanwälte?

Antwort: Hierzu hat sich das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2018 klar geäußert.
Natürlich sollte die gesetzliche Regelung unternehmensinterne Sorgfalt und Ermittlungen fördern und nicht davon abhalten. Auf der anderen Seite kann es aber nicht sein, dass Unternehmen die Ergebnisse ihrer internen Ermittlungen den Strafverfolgungsbehörden vorenthalten können und im Gegenzug zu den eigenen Compliance-Anstrengungen sozusagen ein Schutz vor staatlichen Ermittlungen entsteht.

Sehr geehrter Herr Dr. Preusche, herzlichen Dank für das interessante Gespräch.

Schlagworte zum Thema:  Compliance-Organisation, Compliance, Unternehmen