Rz. 4

Trotz des Verweises in Abs. 1 auf die Geltung der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren gilt im Steuerstrafverfahren das Steuergeheimnis nach § 30 AO.[1] Danach dürfen Amtsträger, denen die Verhältnisse eines anderen im Rahmen eines Verfahrens bekannt geworden sind, diese nicht unbefugt offenbaren.[2] Zu den geschützten Verhältnissen eines anderen gehören die steuerlichen und strafrechtlichen Ermittlungsergebnisse der Steuerfahndung und der Bußgeld- und Strafsachenstelle sowie der Inhalt der Ermittlungsakten, die bei der Staatsanwaltschaft geführt werden.[3] Allerdings sieht § 30 Abs. 4 AO einen Katalog an Offenbarungsbefugnissen vor.

[1] Hanseatisches OLG v. 24.8.1995, 2 VAs 7/95, wistra 1995, 356, Hellmann, in HHSp, AO/FGO, § 399 AO Rz. 49, a. A. OLG Celle v. 20.11.1989, 1 VAs 10/89, NJW 1990, 1802.
[3] VG Augsburg v. 29.1.2014, Au 7 E 13.2018, ZUM-RD 2014, 322, Rz. 61ff.

2.2.1 Akteneinsicht des Verteidigers

 

Rz. 5

Über den Verweis auf die allgemeinen Gesetze gilt im Strafverfahren das Akteneinsichtsrecht des Verteidigers nach § 147 StPO. Es ist Ausfluss des Grundsatzes der Fairness im Strafverfahren.[1] Der Anspruch auf Akteneinsicht steht grundsätzlich nur dem Verteidiger zu und dies erst nach Abschluss der Ermittlungen.[2] Ob eine Akteneinsicht bereits im laufenden Ermittlungsverfahren gewährt wird, hängt davon ab, ob dadurch der Ermittlungszweck gefährdet würde.[3]

Allerdings gilt das Akteneinsichtsrecht nach § 147 StPO nach Abschluss der Ermittlungen nicht grenzenlos.[4] Bei der Gewährung der Akteneinsicht überprüfen die Strafverfolgungsbehörden, inwieweit das Steuergeheimnis Dritter berührt wird. Daher ist im Einzelfall zu prüfen, ob allein Steuerdaten des Beschuldigten betroffen sind. In diesem Fall steht dessen Verteidiger ein vollständiges Akteneinsichtsrecht zu. Sofern die Steuerdaten Dritter betroffen sind, ist eine Abwägung zwischen dem Interesse des Beschuldigten an einer umfassenden Verteidigung und dem Geheimhaltungsinteresse des Dritten vorzunehmen. Die Steuerdaten eines Mitbeschuldigten sind daher für eine umfassende Verteidigung zu offenbaren, während die Steuerdaten unbeteiligter Dritter i. d. R. geheimzuhalten sind.[5] Dies erfolgt durch Schwärzung der entsprechenden Aktenbestandteile oder durch kenntlich gemachte Herausnahme einzelner Blätter aus der Ermittlungsakte.

[1] Art. 6 EMRK, EuGHMR v. 10.12.2013, 53792/09, 11320/13.
[2] Laufhütte, in KK-StPO, 7. Aufl. 2013, § 147 StPO Rz. 2.
[4] A. A. LG Frankfurt v. 29.6.2005, 5/2 AR 3/2005, StraFo 2005, 379, Müller-Jacobsen/Peters, wistra 2009, 458, beide gehen davon aus, dass es sich bei § 147 StPO um ein Gesetz i. S. d. § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO handelt.
[5] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 30 AO, Rz. 70.

2.2.2 Preisgabe der Daten über einen Informanten

 

Rz. 6

Vom Schutz des Steuergeheimnisses umfasst sind Hinweise auf einen Informanten der Finanzbehörde, insbesondere einen Anzeigenerstatter.[1] Dieser Schutz erfasst sowohl den Namen des Informanten als auch Hinweise auf seine Identität, also der wortgenaue Inhalt einer schriftlichen Anzeige oder Schriftproben.[2] Dies gilt allerdings nur in den Fällen, in denen die preisgegebenen Informationen zutreffend sind. Anderenfalls ist das Interesse des Angezeigten an der Preisgabe der Identität höher zu bewerten als der Schutz des Informanten.

 

Rz. 7

Diese für das Verwaltungsverfahren geltende Regelung gilt grundsätzlich auch für das Strafverfahren.[3] Wegen der erforderlichen Schutzgüterabwägung der widerstreitenden Interessen vor der Gewährung der Akteneinsicht kommt es im Rahmen des § 147 StPO darauf an, ob die Angaben des Informanten zutreffend waren. Nur in diesem Fall ist die Akteneinsicht in Bezug auf die Identität des Informanten zu versagen.[4] Ob diese Begrenzung der Akteneinsicht rechtspolitisch wünschenswert ist, ist mit guten Gründen zu bezweifeln.[5]

[1] AEAO zu § 30 Tz. 10.
[2] BFH v. 28.1.2.2006, VII B 44/03, BFH/NV 2007, 853.
[3] A. A. LG Frankfurt v. 29.6.2005, 5/2 AR 3/2005, StraFo 2005, 379, Müller, StBP 2006, 130.
[4] Micker, AO-StB 2010, 92.
[5] von Dorrien, wistra 2013, 374.

2.2.3 Heranziehung von Steuerakten zur Ermittlung der Tagessatzhöhe

 

Rz. 8

Gegenstand des Ermittlungsverfahrens sind die Ermittlungsakten sowie als beizuziehende Akten die Steuerakten. Da sich das Prinzip der Abschnittsbesteuerung im Strafverfahren fortsetzt und sich der strafrechtliche Vorwurf auf bestimmte Steuerarten und -zeiträume bezieht, sind aktuelle Besteuerungsakten und Steueranmeldungen i. d. R. nicht Gegenstand des Strafverfahrens. Aus diesem Grund wird vertreten, dass die Erkenntnisse aus den aktuellen Steueranmeldungen (insbesondere Umsatzsteuervoranmeldungen) und Steuererklärungen nicht für die Ermittlung der wirtschaftlichen Verhältnisse zur Bestimmung der Tagessatzhöhe herangezogen werden dürfen, da die Daten grundsätzlich dem Steuergeheimnis unterlägen.[1] Dieser Auffassung ist zu widersprechen. Die Heranziehung vorliegender aktueller Besteuerungsgrundlagen zur Ermittlung der wirtschaftlichen Verhältnisse durch die Finanzbehörden im Ermittlungsverfahren ist zulässig.[2] Dies ergibt sich bereits aus § 30 Abs. ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge