Rz. 39

Der subjektive Tatbestand des § 381 AO erfordert vorsätzliches[1] oder leichtfertiges[2] Handeln. Einfache Fahrlässigkeit ist hingegen nicht ausreichend. Bei leichtfertiger Begehung ist neben der Kausalität ein Rechtswidrigkeitszusammenhang erforderlich.[3]

 

Rz. 40

Vorsatz liegt somit vor, wenn der Täter die Einbehaltungs- bzw. Abführungspflicht kennt und auch um die Höhe bzw. den Fälligkeitstermin der Abzugsbeträge weiß und der bestehenden Pflicht bewusst zuwiderhandelt oder der Täter sie zwar nicht kennt, ihr Bestehen aber für möglich hält und es billigend in Kauf nimmt, dass sein Handeln gegen diese steuerliche Verpflichtung verstößt.

Der Vorsatz kann z. B. fehlen, wenn beim Täter Unkenntnis über das Vorliegen eines Merkmals der blankettausfüllenden Einzelsteuergesetze besteht[4], wobei in diesem Fall die Möglichkeit einer Sanktionierung wegen Leichtfertigkeit bestehen bleibt.[5] Der Vorsatz kann ebenfalls fehlen, wenn der Täter bei der Nicht-Abführung meint, er habe ein ausreichendes Guthaben beim FA.[6]

 

Rz. 41

Leichtfertig handelt i. d. R., wer sich über die mit seiner beruflichen Tätigkeit verbundenen steuerlichen Pflichten nicht in erforderlichem Maße unterrichtet.

 

Rz. 42

Der Abzugspflichtige kann sich hingegen nicht darauf berufen, dass die ihm zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung der LSt ausgereicht hätten. Er ist vielmehr verpflichtet sicherzustellen, dass er neben dem Arbeitslohn auch die entsprechende LSt zahlen kann. Ist dies nicht der Fall, so ist er verpflichtet, die Nettolöhne entsprechend zu kürzen.[7] Hält der Täter hingegen die Nichteinbehaltung und -abführung wegen der angespannten finanziellen Situation des Betriebs für zulässig, so liegt ein Verbotsirrtum vor.

 

Rz. 43

Ein Verbotsirrtum[8] führt nur dann zum Ausschluss der Vorwerfbarkeit, wenn der Täter ihn nicht vermeiden konnte. Für ihn war der Irrtum vermeidbar, wenn er sich nicht im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren über die Rechtslage erkundigt hat, sodass sich der Täter im Hinblick auf die Einbehaltung und Abführung der LSt unter anderem des Mittels einer Anrufungsauskunft gem. § 42e EStG bedienen muss.[9] Für den Täter besteht – unter Berücksichtigung seiner Persönlichkeit und seines Lebens- und Berufskreises – die Verpflichtung, alle vorhandenen Mittel einzusetzen, um zur richtigen Erkenntnis zu gelangen. Im Hinblick auf die zunehmende Komplexität des LSt-Rechts dürfen die dem Arbeitsgeber auferlegten Prüfungs- und Erkundigungspflichten jedoch auch nicht überspannt werden.[10] Einem Rechtsanwalt oder Steuerberater ist es allerdings zuzumuten, sich durch Lektüre der einschlägigen Rechtsprechung und Kommentarliteratur über die jeweilige Rechtslage zu erkundigen.[11]

 

Rz. 44

Sind mehrere Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder usw. vorhanden, so kann die Verantwortlichkeit des Einzelnen durch die Aufgabenverteilung im Geschäftsbetrieb begrenzt werden.[12] Jeder Geschäftsführer darf sich somit auf den zuständigen Mit-Geschäftsführer verlassen, muss sich aber trotzdem vergewissern, dass dieser über ausreichende Sachkunde und Zuverlässigkeit verfügt sowie die ihm übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt. Ist er dazu nicht selbst in der Lage, muss er einen steuerlichen Berater hinzuziehen.[13]

Werden Angestellte und sonstige Hilfskräfte nicht überwacht, liegt Leichtfertigkeit vor.[14]

[1] Zum Begriff des Vorsatzes vgl. § 370 AO Rz. 9.
[2] Zum Begriff der Leichtfertigkeit vgl. § 378 AO Rz. 14 ff.
[6] OLG Köln v. 2.3.1984, 3 Ss 40/84 B (45), wistra 1984, 154.
[7] BGH v. 3.4.1952, 3 StR 630/51, BGHSt 2, 338; BGH v. 20.4.1982, VII R 96/79, BStBl II 1982, 521.
[9] Vgl. auch im Zusammenhang mit einer Aufrechnung KG v. 22.9.1997, 2 Ss 250/97, 4 Ws (B) 209/97.
[10] Jäger/Ebner, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 380 AO Rz. 36; Heerspink, in Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2016, § 380 AO Rz. 74.
[11] KG v. 22.9.1997, 2 Ss 250/97, 4 Ws (B) 209/97.
[12] BGH v. 23.6.1998, VII R 4/98, NJW 1998, 3374.
[14] BGH v. 3.6.1954, 3 StR 302/53, BGHSt 7, 336; BGH v. 7.1.1975, 1 StR 594/74; BFH v. 27.11.1990, VII R 20/89, NJW 1991, 2511; vgl. auch Jäger/Ebner, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 380 AO Rz. 38.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge