Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerhinterziehung

 

Tenor

1. Die Revision des Angeklagten P. gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 15. Mai 1998 wird verworfen.

2. Der Angeklagte P. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 15. Mai 1998 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte H. in den Fällen II.C.1, 4 und 6 der Urteilsgründe freigesprochen worden ist.

4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

– Von Rechts wegen –

 

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten P. wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen und versuchter Steuerhinterziehung in zwei Fällen unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einer Vorverurteilung wegen falscher Versicherung an Eides Statt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt und ihn im übrigen freigesprochen. Den Angeklagten H. hat das Landgericht insgesamt freigesprochen.

Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft wendet sich gegen den Freispruch des Angeklagten H. vom Tatvorwurf der Steuerhinterziehung in drei Fällen; das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten P. greift hingegen nicht durch.

I.

Nach den Feststellungen befaßten sich die Angeklagten ca. seit 1987 mit der Konzipierung von zwei Ferienwohnanlagen, die sie im Rahmen von Time-Sharing-Modellen vertrieben. Ab März 1993 betrieben sie als Geschäftsführer die Vermarktung der Wohnparks unter der Firma I.-H P. und H. OHG. Nach der internen Aufgabenverteilung war der Angeklagte P. für die kaufmännische und verwaltungstechnische Seite der Gesellschaft einschließlich der Regelung der steuerlichen Angelegenheiten zuständig, während der Angeklagte H. schwerpunktmäßig im Außendienst, insbesondere im Absatz der Time-Sharing-Objekte tätig war. Die Steuererklärungen der OHG wurden trotz der internen Aufgabenverteilung zum Teil von beiden Angeklagten unterzeichnet.

Zum Zwecke der Vermarktung zu wochenweiser Nutzung waren die Wohnparks in Eigentumswohnungen aufgeteilt worden. Bei der Ferienwohnanlage „Salzberg” verkauften die Angeklagten Interessenten jeweils einen Miteigentumsanteil von einem Zweiundfünfzigstel einer Wohnung, wobei die Gemeinschaftsordnung jedem Erwerber das Recht einräumte, die Wohnung in der bestimmten erworbenen Woche allein zu nutzen oder statt der Selbstnutzung in einen „Tauschpool” einzubringen. Da es sich um einen gemäß § 4 Nr. 12 lit. b UmsatzsteuergesetzUStG – umsatzsteuerfreien Verkauf von Miteigentumsanteilen handelte, machten die Angeklagten insoweit in den Umsatzsteuererklärungen hinsichtlich ihrer Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten keine Vorsteuern geltend.

Beim zweiten Ferienpark, der Wohnanlage „Extertal”, wurde beim Vertrieb als Time-Sharing-Objekt eine andere rechtliche Konstruktion gewählt, weil der Angeklagte P. hinsichtlich der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten Vorsteuern für die OHG geltend machen wollte. Statt eines Miteigentumsanteils wurde den Erwerbern nun jeweils ein Anteil in Höhe eines Zweiundfünfzigstels eines auf 99 Jahre befristeten Dauerwohnrechts an einer Ferienwohnung übertragen, verbunden mit dem Sondernutzungsrecht an der Wohnung für eine bestimmte Kalenderwoche. Nach dem Erwerbsvertrag sollte der Dauerwohnberechtigte wirtschaftlich einem Mieter gleichgestellt werden, wobei das Dauerwohnrecht aber veräußerlich und vererblich sein sollte. Die vereinbarte Zahlung der Erwerber wurde als „Mietvorauszahlung” bezeichnet. Nach der vertraglichen Konstruktion sollten die Erwerber auch hier die Möglichkeit haben, statt der Selbstnutzung in der jeweiligen Woche die Wohnung in einen internationalen Tauschpool einzubringen, um im Gegenzug den Urlaub in einer anderen diesem Pool angeschlossenen Time-Sharing-Anlage zu verbringen.

Zur Abklärung der umsatzsteuerlichen Aspekte der gewählten rechtlichen Konstruktion holte der Angeklagte P. ein von einer steuerrechtlich ausgerichteten Anwaltskanzlei im August 1993 erstelltes Gutachten ein. In diesem Gutachten wurde darauf hingewiesen, daß „in steuerlicher Hinsicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen” sei, daß der weitaus überwiegende Teil der „Mietvorauszahlungen” nicht umsatzsteuerpflichtig sei. Die Bestellung und Übertragung von Dauerwohnrechten nach § 31 WohnungseigentumsgesetzWEG – sei durch § 4 Nr. 12 lit. c UStG von der Umsatzsteuer freigestellt. In dem Gutachten wurde weiter darauf hingewiesen, daß auch für den Fall, daß die Vorschriften über Mietverhältnisse zur Anwendung kommen sollten, gemäß § 4 Nr. 12 lit. a UStG eine Umsatzsteuerbefreiung vorliege. Eine Ausnahme bestehe nur dann, wenn nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG eine „Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält”, vorliege, was aber nicht anzunehmen sei. Zur Herbeiführung von Rechtssicherheit sei die Einholung einer verbindlichen Auskunft bei der Finanzbehörde erforderlich.

Nach den Feststellungen machten die Angeklagten für die OHG im Zeitraum vom 20. Juli 1993 bis 14. Februar 1995 in sieben Umsatzsteuervoranmeldungen Vorsteuerbeträge aus den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten geltend, ohne zuvor eine verbindliche Auskunft des Finanzamtes eingeholt zu haben und ohne das Finanzamt bei Abgabe der Steuererklärungen auf den gegenüber der Ferienwohnanlage „Salzberg” veränderten Sachverhalt oder die zugrunde gelegte Rechtsansicht hinzuweisen. Der Angeklagte P. ging bei Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen davon aus, daß die Berechtigung zum Vorsteuerabzug zweifelhaft war. Er nahm billigend in Kauf, daß er unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen abgab. Die Umsatzsteuervoranmeldungen wurden zum Teil auch von dem Angeklagten H. unterzeichnet, der nach den Feststellungen aber die Problematik nicht überschaute und dem Angeklagten P. vertraute, obwohl er von ihm „in Grundzügen” über den Inhalt des Gutachtens informiert worden war.

Das Finanzamt hatte zunächst hinsichtlich der Berechtigung der geltend gemachten Vorsteuern Bedenken. Nachdem der Angeklagte P. dann aber dem Finanzamt gegenüber wahrheitswidrig erklärt hatte, anders als im Ferienpark „Salzberg” werde in der Ferienwohnanlage „Extertal” kurzfristig, ähnlich wie bei sogenannten Center Parks, an Urlauber vermietet, kam es hinsichtlich der in fünf Umsatzsteuervoranmeldungen geltend gemachten Vorsteuern in Höhe von 869.505 DM zu einer Anerkennung durch das Finanzamt und zur Verrechnung mit anderen Steuerschulden. Bezüglich zweier weiterer Voranmeldungen mit Vorsteuern für den Ferienpark „Extertal” in Höhe von 704.138 DM erfolgte durch das Finanzamt keine Anerkennung oder Auszahlung mehr.

Bei einer Umsatzsteuersonderprüfung im September 1994 hatte der Angeklagte P. wahrheitswidrig angegeben, aus dem Objekt „Extertal” hätten noch keine Erlöse erzielt werden können, obgleich die OHG aber bereits im Jahr 1993 Erlöse aus dem Verkauf der Dauerwohnrechte in Höhe von 6,7 Millionen DM erzielt hatte. Die Einnahmen aus den Dauerwohnrechten waren – was P. von vornherein beabsichtigt hatte (UA S. 22) – generell nicht als Umsätze angemeldet worden.

II.

Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten P. hat keinen Erfolg.

1. Die von diesem Beschwerdeführer erhobenen Verfahrensrügen sind jedenfalls unbegründet.

2. Für die geltend gemachten Vorsteuern bestand keine Abzugsberechtigung gemäß § 15 Abs. 1 UStG.

a) Gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG sind u. a. diejenigen Vorsteuern vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, deren zugrunde liegende Lieferungen und sonstige Leistungen für die Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet werden. Die hinsichtlich der Ferienwohnanlage „Extertal” geltend gemachten Vorsteuern für Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten dienten jedoch der gemäß § 4 Nr. 12 lit. c UStG umsatzsteuerfreien Übertragung von dinglichen Nutzungsrechten in Form von Dauerwohnrechten gemäß § 31 WEG. Die Aufteilung der Dauerwohnrechte in jeweils 52 Anteile und die Veräußerung der Anteile an verschiedene Berechtigte ändert nichts an dem Charakter der Rechte als Dauerwohnrechte (vgl. hierzu BGHZ 130, 151, 154, 158). Die Übertragung eines Anteils an einem Dauerwohnrecht wird ebenso von § 4 Nr. 12 lit. c UStG erfaßt wie eine Übertragung des gesamten Wohnrechts.

b) Auf die Frage nach der zivilrechtlichen Wirksamkeit der getroffenen Vereinbarungen, insbesondere im Hinblick auf die Zuweisung bestimmter Nutzungswochen zu den übertragenen Anteilen an den Dauerwohnrechten (vgl. hierzu BGHZ 130, 151, 157, 158), kommt es insoweit nicht an, da die Verträge tatsächlich vollzogen wurden (§ 41 Abs. 1 AO). Abgesehen davon, daß das Umsatzsteuergesetz ohnehin maßgeblich an die tatsächlichen Leistungsbewegungen unbeschadet der Wirksamkeit von Verträgen anknüpft (vgl. BFH/NV 1987, 756), ist gemäß § 41 Abs. 1 AO der Steuertatbestand jedenfalls dann erfüllt, wenn die Beteiligten ein zivilrechtlich unwirksames Rechtsgeschäft als wirksam behandeln (BGHR AO § 41 Abs. 1 Durchführung, tatsächliche 1; vgl. auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 41 AO Rdn. 1, 1a).

c) Der Umsatzsteuerfreiheit der Übertragung der Anteile an den Dauerwohnrechten steht nicht entgegen, daß die Erwerber der Anteile nach den getroffenen vertraglichen Vereinbarungen wirtschaftlich Mietern gleichgestellt werden sollten.

Zwar ist bei der Auslegung von Steuergesetzen die Berücksichtigung von Zweck und wirtschaftlicher Bedeutung des jeweils zugrunde liegenden Geschäfts geboten. Soweit es sich um die Begründung einer Steuerpflicht handelt, findet diese Berücksichtigung aber ihre Grenze am möglichen Wortsinn der anzuwendenen Vorschrift (vgl. BFHE 91, 511, 514; Kühn/Hofmann, Abgabenordnung, 17. Aufl., Anhang zu § 4, Abschnitt 1a, a.E.), da die Bestimmung bzw. Ausdehnung der Steuertatbestände dem Gesetzgeber vorbehalten ist (vgl. BFH BStBl II 1968, 216, 217; Tipke/Kruse, aaO, § 4 AO Rdn. 109 m.w.N.). Entsprechendes gilt für die einengende Auslegung von Steuerbefreiungsvorschriften, da sie der Schaffung neuer bzw. der Erweiterung bestehender Steuertatbestände gleichkommt. Eine vom Zivilrecht abweichende steuerrechtliche Definition des Begriffs „dinglich” besteht nicht. Der klare Wortsinn des Rechtsbegriffs „dingliches Nutzungsrecht” steht somit für die Frage der Umsatzsteuerpflicht auch bei entsprechender wirtschaftlicher Zielsetzung einer Subsumtion des Wohnrechts unter den Begriff der Miete mit der Folge, daß das Wohnrecht aus dem Anwendungsbereich von § 4 Nr. 12 lit. c UStG herausfiele, entgegen; denn das Wohnrecht gemäß § 31 WEG entfaltet im Gegensatz zum rein schuldrechtlichen Rechtsinstitut der Miete eine dingliche Wirkung. Eine Auslegung entgegen dem klaren Wortlaut des Gesetzes kommt hier nicht in Betracht (vgl. hierzu BFH BStBl II 1986, 272, 274, Kühn/Hofmann, aaO, Anhang zu § 4 Anm. 1b; Klein, Abgabenordnung, 6. Aufl., § 4 Anm. 7e m.w.N.).

d) Die Einordnung des Vorgangs als Übertragung von dinglichen Nutzungsrechten gemäß § 4 Nr. 12 lit. c UStG wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß der Erwerber die Möglichkeit hat, den erworbenen Anteil in den Tauschpool für Ferienwohnungen eines vom Veräußerer rechtlich und tatsächlich unabhängigen, international tätigen Unternehmens einzubringen. Die Teilnahme am Tauschpool ist losgelöst vom Time-Sharing-Vertrag zu betrachten; sie erfolgt aufgrund eines eigenständigen Vertrages, zu dessen Abschluß der Erwerber nicht verpflichtet ist (vgl. Hildenbrand u. a., Time-Sharing und Teilzeit-Wohnrechtegesetz, 1997, S. 83, Rdn. 130).

e) Zudem wäre auch die Verwendung des angeschafften Ferienparks zum Zwecke der Vermietung gemäß § 4 Nr. 12 lit. a UStG umsatzsteuerfrei, da die Ausnahmevorschrift des § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG bei dem gewählten Time-Sharing-Modell nicht anwendbar ist.

aa) Diese Vorschrift würde nur dann eingreifen, wenn ein Unternehmer, hier also die OHG, Wohn- oder Schlafräume zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithalten würde. Hierbei kommt es auf die Absicht an, die der Unternehmer bezüglich der Räume verfolgt (vgl. BFH BStBl II 1973, 426, 427; Bunjes/Geist, UStG, § 4 Nr. 12 Abschnitt 10; Sölch-Ringleb-List, UStG, § 4 Nr. 12 Rdn. 34). Ein Bereithalten im Sinne dieser Vorschrift liegt danach dann nicht vor, wenn der Unternehmer das Nutzungsrecht an den Räumen aufgrund eines einmaligen Übertragungsaktes an den Erwerber überträgt und damit die Verfügungsmöglichkeit über die Räume dauerhaft aufgibt. Dies gilt auch dann, wenn das Nutzungsrecht in eine Mehrzahl von Anteilen aufgespalten wird, die jeweils gesondert vertrieben werden, da ein über die Veräußerung der Anteile hinausgehendes Bereithalten der Räume durch den Veräußerer der Anteile nicht gegeben ist. Die I.-H H. und P. OHG übertrug die Anteile an den Dauerwohnrechten jeweils aufgrund eines einmaligen Übertragungsvorganges für einen Zeitraum von 99 Jahren an feste Vertragspartner.

bb) Die vertraglich eingeräumte Möglichkeit der Veräußerbarkeit der Dauerwohnrechte ändert an dieser rechtlichen Einordnung ebensowenig etwas wie die für die Erwerber bestehende Möglichkeit, an einem Tauschpool teilzunehmen und im Tauschverfahren auch andere Ferienwohnungen zu nutzen, auch wenn es so möglich war, daß die Wohnungen ständig von fremden Personen benutzt wurden. Der Tauschpoolvertrag ist sowohl zivilrechtlich als auch steuerrechtlich unabhängig vom Vertrag über die Einräumung des Dauerwohnrechts.

3. Der Angeklagte P. machte in den eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen zumindest bedingt vorsätzlich unrichtige bzw. unvollständige Angaben im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, indem er für das Objekt „Extertal” Vorsteuern geltend machte und dabei dem Finanzamt die für die Entscheidung der offensichtlich zweifelhaften Rechtsfrage relevanten Tatsachen nicht mitteilte, obwohl er billigend in Kauf nahm, daß eine Vorsteuerabzugsberechtigung tatsächlich nicht bestand.

a) Allerdings wird die Frage, ob überhaupt und gegebenenfalls in welchen Fällen der Steuerpflichtige das Finanzamt auf seine von der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung oder der Rechtsprechung der Finanzgerichte abweichende Rechtsansicht hinweisen muß, in der Literatur und Rechtsprechung kontrovers diskutiert (zum Meinungsstand vgl. z. B. Dörn wistra 1992, 241 ff., DStZ 1993, 478, 483 ff. m.w.N.). Auf der einen Seite steht die Ansicht, der Steuerpflichtige müsse im Rahmen der Steuererklärung den typisierten Empfängerhorizont der Finanzverwaltung zugrunde legen und auf jede von ihm vertretene, aber von der Rechtsprechung oder den Richtlinien der Finanzverwaltung abweichende Rechtsansicht hinweisen (vgl. die Nachweise bei Kohlmann, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 370 AO Rdn. 30.1). Auf der anderen Seite steht die Ansicht, der Steuerpflichtige könne jede Rechtsansicht vertreten, ohne hierauf besonders hinweisen zu müssen, soweit die Auffassung nur „vertretbar” sei (so z. B. Kohlmann, aaO, § 370 AO Rdn. 30.2 m.w.N.; Dörn aaO). Der Bundesfinanzhof hat die Frage ausdrücklich offengelassen (BFH BStBl 1989 II, 131, 133).

b) Dem Steuerpflichtigen steht es frei, jeweils die ihm günstigste steuerrechtliche Gestaltung zu wählen. Er macht jedenfalls dann keine unrichtigen Angaben im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, wenn er offen oder verdeckt eine ihm günstige unzutreffende Rechtsansicht vertritt, aber die steuerlich erheblichen Tatsachen richtig und vollständig vorträgt und es dem Finanzamt dadurch ermöglicht, die Steuer unter abweichender rechtlicher Beurteilung zutreffend festzusetzen (BGHSt 37, 266, 284).

c) Nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO macht sich nur derjenige strafbar, der über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht.

aa) Die Frage, welche Tatsachen in einer Steuererklärung zu berücksichtigen sind, hängt allerdings von der Rechtslage ab (so auch Tipke/Kruse, aaO § 150 AO Rdn. 10). Wegen der Formalisierung der Steuererklärungen (vgl. § 150 Abs. 1 AO) erschöpfen sich die Angaben gegenüber dem Finanzamt jedoch regelmäßig in der Wiedergabe quantifizierter Beträge ohne Sachverhaltsschilderung. Die Bestimmung dieser Summen ist aber das Ergebnis einer auch von der Rechtsauffassung abhängigen steuerrechtlichen Beurteilung, bei der vom Steuerpflichtigen zwischen rechtlich erheblichen und rechtlich unerheblichen Tatsachen unterschieden werden muß (so auch Kohlmann, aaO, § 370 AO Rdn. 30; Tipke/Kruse, aaO, § 150 AO Rdn. 10; Dörn wistra 1992, 241 ff.).

bb) Der Umfang der für den Steuerpflichtigen bestehenden Mitteilungspflichten ergibt sich indes unmittelbar aus dem Gesetz. So steht es dem Steuerpflichtigen nicht etwa frei, den Steuerbehörden aus einem Gesamtsachverhalt nur einen Teil der Tatsachen richtig vorzutragen und sie im übrigen nach Maßgabe einer nicht offengelegten, ersichtlich strittigen eigenen rechtlichen Bewertung des Vorgangs zu verschweigen, obwohl die Einzelheiten für die steuerliche Beurteilung bedeutsam sein können (BGHSt 37, 266, 284 f.). Nach § 90 Abs. 1 Satz 2 AO haben die Beteiligten im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenzulegen. Nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO müssen die Angaben nicht nur richtig sein, sondern auch vollständig. Da sich hinter den mitgeteilten Zahlen die verschiedensten Sachverhalte verbergen können, die für das Finanzamt nicht erkennbar sind, besteht zumindest eine Offenbarungspflicht für diejenigen Sachverhaltselemente, deren rechtliche Relevanz objektiv zweifelhaft ist (vgl. auch BGH wistra 1986, 27, 28; wistra 1995, 69). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die von dem Steuerpflichtigen vertretene Auffassung über die Auslegung von Rechtsbegriffen oder die Subsumtion bestimmter Tatsachen von der Rechtsprechung, Richtlinien der Finanzverwaltung oder der regelmäßigen Veranlagungspraxis abweicht. In einem derartigen Fall kann es ausreichend sein, die abweichende Rechtsauffassung mitzuteilen, wenn deren Schilderung die erforderliche Tatsachenmitteilung enthält.

cc) Ob darüber hinausgehend für den Steuerpflichtigen in allen Fällen eine Mitteilungspflicht hinsichtlich der vertretenen Rechtsansicht besteht, in denen er eine abweichende Rechtsansicht der Finanzverwaltung auch nur für möglich hält, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Nach den genannten Grundsätzen traf den Angeklagten P. jedenfalls eine Offenbarungspflicht für die Tatsachen, aufgrund derer er eine Umsatzsteuerpflicht der Veräußerungsvorgänge angenommen hat, da er von der von ihm mit der Klärung dieser Frage beauftragten Steuerkanzlei ausdrücklich darauf hingewiesen worden war, daß „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit” von einer Umsatzsteuerfreiheit auszugehen sei. Bei dieser Sachlage ist aus rechtlichen Gründen nicht zu beanstanden, daß das Landgericht die Überzeugung gewonnen hat, der Angeklagte habe von Anfang an bei Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen jedenfalls mit bedingtem Hinterziehungsvorsatz gehandelt. Der Vorsatz der Steuerhinterziehung konnte hier indiziell insbesondere auch aus den späteren Angaben des Angeklagten P. gegenüber Finanzbeamten hergeleitet werden. So hat P, der zwar einerseits Vorsteuererstattungen geltend machen, aber andererseits die Veräußerungsentgelte nicht der Umsatzsteuer unterwerfen wollte, sowohl auf ausdrückliche Nachfrage des zuständigen Sachbearbeiters im Finanzamt wie auch später gegenüber dem Umsatzsteuersonderprüfer ebenso wahrheitswidrige Angaben gemacht.

4. Auch die Strafzumessung hält rechtlicher Nachprüfung stand.

Zwar hat das Landgericht ohne nähere Ausführungen bei der Strafzumessung nicht lediglich den Verspätungsschaden, sondern den vollen Betrag an verkürzter Umsatzsteuer zu Lasten des Angeklagten P. berücksichtigt. Dies kann rechtsfehlerhaft sein, wenn zu besorgen ist, daß der Tatrichter das Verhältnis von Umsatzsteuervoranmeldung und Umsatzsteuerjahreserklärung verkannt hat. Danach führt die Abgabe falscher Umsatzsteuervoranmeldungen lediglich zu einer Steuerverkürzung auf Zeit; erst die Abgabe einer falschen Umsatzsteuerjahreserklärung bewirkt die endgültige Steuerverkürzung auf Dauer (st. Rspr.; vgl. dazu BGHSt 38, 165, 171; 43, 270, 276; BGH wistra 1996, 105, 106; 1997, 262, 263). Stellt das Gericht jedoch fest, daß der Angeklagte von Anfang an beabsichtigt hat, keine zutreffenden Umsatzsteuerjahreserklärungen abzugeben und es mit seinen Hinterziehungshandlungen vielmehr darauf angelegt hat, die zunächst bewirkte Hinterziehung auf Zeit später in eine solche auf Dauer übergehen zu lassen, darf es den gesamten jeweils monatlich erlangten Vorteil als vom Vorsatz umfaßtes Handlungsziel bei der Strafzumessung erschwerend berücksichtigen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 43, 270, 276; BGH NStZ-RR 1998, 148; 1998, 185, 186; Harms NStZ-RR 1998, 97, 100; 1999, 130, 131; jeweils m.w.N.).

Der Tatrichter hat sich daher in den Fällen, in denen es nicht mehr zur Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung kommt, grundsätzlich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob es dem Angeklagten bei der Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen lediglich darauf angekommen ist, auf Zeit Liquidität zu schöpfen, oder ob das Handlungsziel des Angeklagten bereits die Steuerverkürzung auf Dauer umfaßte.

Im vorliegenden Fall bedurfte diese Frage jedoch keiner ausdrücklichen Erörterung durch das Landgericht, da sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt, daß eine Steuerverkürzung auf Dauer geplant war. Beim Ferienpark „Extertal” wurde aus steuerlichen Gründen eine andere rechtliche Konstruktion des Time-Sharing als bei der Ferienanlage „Salzberg” gewählt. Sie diente bereits nach ihrer Konzeption der Ermöglichung eines dauerhaften Vorsteuerabzuges und nicht lediglich der kurzfristigen Liquiditätsschöpfung. Die Nichterklärung getätigter Umsätze und deren wahrheitswidriges Bestreiten auf ausdrückliche Nachfrage des Finanzamts unterstreichen diese Absicht anschaulich.

III.

Die den Angeklagten H. betreffende Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

Das Landgericht hat diesen Angeklagten aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf der gemeinschaftlichen Steuerhinterziehung wie auch der leichtfertigen Steuerverkürzung freigesprochen. Die Beweiswürdigung hält jedoch rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Allerdings muß das Revisionsgericht grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter den Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an der Tatbegehung nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2; BGH StV 1994, 580).

2. Die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils weist indes Lücken auf, denn das Landgericht hat sich mit wesentlichen, den Angeklagten H. möglicherweise belastenden Umständen nur unzureichend auseinandergesetzt. Freilich können und müssen die Gründe auch eines freisprechenden Urteils nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdigen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalles ab. Diese können so beschaffen sein, daß sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erübrigt (vgl. BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33). Um einen solchen Fall handelt es sich hier aber nicht.

Das Landgericht hat den Angeklagten H. freigesprochen, weil ihm nicht widerlegt werden könne, daß er nur in Grundzügen informiert gewesen sei und daß er dem Angeklagten P, dem er vertraut habe, die Regelung der steuerlichen Angelegenheiten – von denen er im übrigen nichts verstanden habe – alleine überlassen habe. Dies hält, wie die Staatsanwaltschaft zutreffend rügt, rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Nach den Feststellungen war dem Angeklagten H. die bei dem vorangegangenen Projekt bestehende Umsatzsteuerfreiheit der Anteilsveräußerungen bekannt. Angesichts der Tatsache, daß er nun bei einem ähnlichen Projekt in seiner Funktion als Geschäftsführer die OHG massiv begünstigende Umsatzsteuervoranmeldungen selbst unterschrieb, in denen eine abweichende umsatzsteuerliche Behandlung vorgenommen wurde, und er wußte, daß zu dieser Frage ein Gutachten einer Steuerkanzlei eingeholt worden war, hätte sich das Landgericht näher mit dem Informationsstand des Angeklagten H. auseinandersetzen müssen. Die Feststellung des Landgerichts, der Angeklagte H. sei vom Angeklagten P. „in Grundzügen” informiert worden und habe im übrigen von Umsatzsteuerangelegenheiten nichts verstanden, stellt keine ausreichende Grundlage für eine revisionsrechtliche Überprüfung dar. Da das Gutachten gerade zu der umsatzsteuerlichen Behandlung eingeholt worden war und die Kernaussage enthält, daß die gewählte Konzeption „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit” umsatzsteuerfrei sei, ist ohne nähere Feststellungen zum genauen Kenntnisstand des Angeklagten H. zu besorgen, daß das Landgericht nicht hinreichend geprüft hat, ob ihm die erheblichen Bedenken der Steuerkanzlei zum Vorsteuerabzug und der Ratschlag des Gutachters zur Einholung einer verbindlichen Auskunft beim Finanzamt bekannt waren. Das Landgericht hätte daher bei der gegebenen Sachlage in den Urteilsgründen im einzelnen darlegen müssen, was die Unterrichtung in Grundzügen (UA S. 28) umfaßte. Der Senat kann nicht ausschließen, daß das Urteil auf diesem Mangel beruht, da bei Kenntnis des Angeklagten H. von den bestehenden rechtlichen Bedenken gegen die Möglichkeit eines Vorsteuerabzugs aus den hinsichtlich der Revision des Angeklagten P. genannten Gründen eine gemeinschaftliche vorsätzliche Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO in Betracht kommt.

3. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet auch die vom Landgericht mit lediglich pauschalen Erwägungen begründete Verneinung zumindest einer leichtfertigen Steuerverkürzung gemäß § 378 AO. Die knappen Ausführungen zur Leichtfertigkeit tragen den Freispruch nicht. Das Landgericht hat insoweit die sich aus der Stellung eines Geschäftsführers einer OHG ergebenden Pflichten zur Nachprüfung und Kontrolle der Handlungen eines Mitgeschäftsführers verkannt. Dabei geht insbesondere die Auffassung des Landgerichts fehl, dem Angeklagten H. könne angesichts seiner steuerlichen Unerfahrenheit nicht zur Last gelegt werden, daß er dem Mitangeklagten P. voll vertraut habe, und zwar auch dann, wenn er Umsatzsteuervoranmeldungen unterzeichnet habe. Ungeachtet der grundsätzlich bestehenden Möglichkeit einer Aufgabenteilung im normalen Geschäftsbetrieb (vgl. auch BFH BStBl II 1984, 776, 778; BayObLG wistra 1993, 237, 238), treffen auch bei Berufung mehrerer Geschäftsführer einen jeden im Rahmen einer Gesamtverantwortung (§ 114 HGB) gemäß § 34 AO die steuerlichen Pflichten der Gesellschaft in eigener Person. Fehlen einem Geschäftsführer die zur Erfüllung dieser Pflichten erforderlichen persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, so darf er sich fachkundiger Hilfe, auch der eines Mitgeschäftsführers, bedienen. Dies entbindet ihn jedoch nicht von der Pflicht, sich innerhalb des ihm Möglichen und Zumutbaren zu vergewissern, ob die mit dieser Aufgabe betraute Person – auch wenn es sich um den Mitgeschäftsführer handelt – die ihm übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß ausführt und ob sie genügend zuverlässig und sachkundig ist (vgl. BGHSt 7, 336, 349, 351). Ist der Pflichtige zu einer solchen Kontrolle selbst nicht in der Lage, weil ihm die erforderliche Sachkunde fehlt, darf er sich nicht völlig auf den Beauftragten verlassen, sondern muß einen ihm als zuverlässig und erfahren bekannten Angehörigen der steuerberatenden Berufe hinzuziehen (vgl. BGHSt aaO S. 352).

Wurde zur Klärung einer für die Abgabe der Steuererklärungen wichtigen Rechtsfrage eine Steuerkanzlei beauftragt, so ist leichtfertiges Handeln des Geschäftsführers jedenfalls dann nicht auszuschließen, wenn sich der Geschäftsführer (im Rahmen seiner Kontrollpflicht) nicht hinreichend mit dem angefertigten Rechtsgutachten auseinandersetzt, sondern weiterhin uneingeschränkt auf den anderen Geschäftsführer vertraut. Die Frage der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs war hier für die Wirtschaftlichkeit der Time-Sharing-Modelle, welche den weit überwiegenden Teil der Geschäftstätigkeit der I.-H P. und H. OHG ausmachten, von erheblicher Bedeutung und erforderte daher eine nicht nur oberflächliche Befassung des Angeklagten H. mit dem Inhalt des Gutachtens. Der Senat kann nicht ausschließen, daß das Urteil, das die hierzu erforderlichen Erörterungen vermissen läßt, auf dem Mangel beruht.

 

Unterschriften

Harms, Häger, Basdorf, Nack, Gerhardt

 

Fundstellen

HFR 2000, 676

NStZ 2000, 203

wistra 2000, 137

PStR 2000, 24

StV 2000, 491

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