2.6.1 Verhältnis zu § 153 AO

 

Rz. 389

§ 153 AO und § 371 AO regeln zwei unterschiedliche Wege, eine Erklärung zu berichtigen, wenn sie auf unrichtigen oder unvollständigen Angaben beruht und zu einer Steuerverkürzung führen kann oder die Verkürzung bereits eingetreten ist. Durch die neue, am 3.5.2011 in Kraft getretene Fassung des § 371 AO ist die Abgrenzung zwischen einer (steuerstrafrechtlichen) Selbstanzeige gem. § 371 AO und einer (nur steuerlichen) Berichtigung gem. § 153 AO zwingend erforderlich.

 

Rz. 390

Nach der alten, bis ins Jahr 2011 gültigen Fassung des § 371 AO und der damit verbundenen Zulässigkeit von Teilselbstanzeigen kam einer Differenzierung zwischen der Selbstanzeige gem. § 371 AO und einer Berichtigungserklärung gem. § 153 AO nur untergeordnete Bedeutung zu. Unabhängig von der Klassifizierung der Erklärung trat Straffreiheit ein, sofern die nacherklärten Besteuerungsgrundlagen zutreffend waren und die nachzuzahlenden Steuern fristgerecht entrichtet wurden. Bedeutung kam der Differenzierung zwischen § 371 AO und § 153 AO lediglich im Hinblick auf

  • die Festsetzung der steuerlichen Festsetzungsfrist und der hiervon i. d. R. abweichenden strafrechtlichen Verfolgungsverjährung,
  • die Frage, ob eine Frist zur Nachzahlung der hinterzogenen Steuern gem. § 371 Abs. 3 AO festzusetzen ist, und
  • die Festsetzung der Hinterziehungszinsen

zu.[1] Da aber auch bei einer Erklärung nach § 153 AO Zinsen nach § 233a AO anfallen, wirkte sich die Differenzierung insoweit nur im Hinblick auf den Beginn des Zinslaufes und die Abzugsfähigkeit der Zinsen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten aus.[2]

 

Rz. 391

Seit dem Jahr 2011 und der Neufassung des § 371 AO durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz (Rz. 2) muss die Selbstanzeige hingegen alle unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang erfassen, um vollständig und damit wirksam zu sein (Rz. 102ff.). Eine solche Vollständigkeit ist für eine Erklärung nach § 153 AO nicht erforderlich. Ferner ist nach einer steuerlichen Berichtigung gem. § 153 AO noch eine Berichtigung im Wege einer strafbefreienden Selbstanzeige möglich. Eine Selbstanzeige nach einer früheren unvollständigen Selbstanzeige wäre hingegen unzulässig, beide Selbstanzeigen wären unwirksam und die Tat könnte in vollem Umfang verfolgt werden. Darüber hinaus gelten im Rahmen des § 153 AO keine Sperrgründe und auch der Zuschlag zugunsten der Staatskasse gem. § 398a Abs. 1 Nr. 2 AO entfällt.

 

Rz. 392

Nach § 153 AO hat ein Steuererklärungspflichtiger verschiedene Anzeigepflichten, insbesondere die Pflicht zur Anzeige und Richtigstellung einer von ihm oder für ihn abgegebenen Erklärung, wenn durch deren Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit eine Steuerverkürzung ermöglicht wird oder eingetreten ist.[3] Die "Berichtigungserklärung", d. h. die Berichtigung bzw. Ergänzung, ist inhaltsgleich mit einer Selbstanzeigeerklärung (Rz. 69ff.). Ob eine Richtigstellung rechtlich als Berichtigungserklärung i. S. v. § 153 AO oder als Selbstanzeige i. S. v. § 371 AO zu klassifizieren ist, ist ausschließlich abhängig von der rechtlichen Qualität des nacherklärten Sachverhalts und damit vom Vorsatz hinsichtlich der Fehlerhaftigkeit oder Unvollständigkeit.[4] Eine „Berichtigungserklärung i. S. v. § 153 AO setzt nach dem Gesetzeswortlaut voraus, dass der Stpfl. die Fehlerhaftigkeit oder Unvollständigkeit (erst) nachträglich erkannt hat. Eine Selbstanzeigeerklärung i. S. v. § 371 Abs. 1 AO setzt demgegenüber voraus, dass die Fehlerhaftigkeit oder Unvollständigkeit wenigstens mit bedingtem Vorsatz verursacht worden ist.[5]

 

Rz. 393

Wie eine Korrekturerklärung rechtlich zu klassifizieren ist, ist nur abhängig vom jeweiligen Vorsatz, nicht von der Bezeichnung des Erklärenden. Dies bedeutet, dass auch eine vom Erklärenden ausdrücklich als Berichtigungserklärung i. S. v. § 153 AO vorgenommene Richtigstellung als Selbstanzeigeerklärung gewertet werden kann, wenn die unter Hinweis auf § 153 AO inzidenter aufgestellte Behauptung des nachträglichen Erkennens nach Meinung der Finanzbehörde falsch ist. Umgekehrt ist eine Selbstanzeige rechtlich als Berichtigungserklärung i. S. v. § 153 AO zu bewerten, wenn der Vorsatz nicht bestanden hat bzw. nicht nachgewiesen werden kann.

Beide Rechtsbegriffe schließen sich inhaltlich also grundsätzlich gegenseitig aus.[6]

 

Rz. 394

Wann eine (steuerliche) Berichtigungserklärung abzugeben ist, ergibt sich aus § 153 Abs. 1 S. 1 AO. Durch § 153 Abs. 1 S. 2 AO wird der Kreis der Erklärungspflichtigen auf Gesamtrechtsnachfolger, gesetzliche Vertreter i. S. d. § 34 AO und Vermögensverwalter i. S. d. § 35 AO[7] erweitert. Erkennen diese Personen nachträglich, dass sie selbst oder ihr Rechts- bzw. Amtsvorgänger eine nicht ordnungsgemäße Erklärung abgegeben hat, so trifft auch sie die Berichtigungspflicht.

 

Rz. 395

Der Stpfl., sein Rechtsnachfolger oder sein Vertreter ist verpflichtet, unverzüglich die Unrichtigkeit der Erklärung anzuzeigen und in der Folge eine Richtigstellung vorzunehmen. Damit die Anzeige "unverzüglich" i. S. d. § 153 Abs. 1 ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge