2.2.1 Rechtswirkung der Selbstanzeigeerklärung

 

Rz. 48

Die Selbstanzeigeerklärung begründet zunächst für den Selbstanzeigenden die Anwartschaft auf Straffreiheit hinsichtlich der angezeigten Steuerhinterziehung, sofern

  • die unrichtigen oder unvollständigen Angaben zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten dieser Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre bei der Finanzbehörde berichtigt oder ergänzt oder unterlassene Angaben nachgeholt wurden (zur Sonderregelung des Abs. 2a für Lohnsteuer- und Umsatzsteuervoranmeldungen vgl. Rz. 130ff.) sowie
  • bei Abgabe der Erklärung kein Ausschlussgrund nach § 371 Abs. 2 AO vorliegt.

Dieses Anwartschaftsrecht ist auflösend bedingt durch die fristgerechte Nachentrichtung gem. § 371 Abs. 3 AO (vgl. Rz. 304ff.).

Diese Anwartschaft folgt allein aus der Abgabe der Erklärung. Die Erklärung ist unter diesem Gesichtspunkt nicht anfechtbar oder widerruflich.[1] Die Anforderungen des § 371 Abs. 1 AO für die Selbstanzeigeerklärung müssen objektiv erfüllt sein, auf die subjektive Einschätzung des Selbstanzeigenden kommt es nicht an.[2]

[2] Joecks, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 371 AO Rz. 41.

2.2.2 Allgemeine Voraussetzungen der Anwartschaft auf Straffreiheit

2.2.2.1 Verfolgbare Steuerhinterziehung

 

Rz. 49

Die Selbstanzeige setzt zunächst das Vorliegen des Straftatbestands der Steuerhinterziehung voraus. Die Tathandlung muss bereits verübt sein und die Steuerhinterziehung sich damit nach § 370 Abs. 2 AO zumindest im Versuchsstadium befinden, da anderenfalls Vorbereitungshandlungen für die Tat noch keine Strafbarkeit begründen[1], die durch eine Selbstanzeige aufgehoben werden könnte. Eine "Vorausanzeige" einer zukünftigen Tat beseitigt die Strafbarkeit nicht, wenn die Tathandlung später vorgenommen wird, da § 371 AO insoweit nicht anwendbar ist.[2]

 

Rz. 50

Die begangene Tat muss noch verfolgbar sein. Einer Selbstanzeige bedarf es nicht, wenn eine Strafe nicht oder nicht mehr ausgesprochen werden kann, da z. B. gem. § 78 StGB die Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist.[3]

Die Selbstanzeige einer nicht mehr verfolgbaren Steuerhinterziehung kann die Nachentrichtungspflicht nach § 371 Abs. 3 AO nicht begründen (Rz. 312f.), da ein Steuerstrafverfahren insoweit nicht eingeleitet werden darf bzw. einzustellen ist. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass nach dem Wortlaut des § 371 Abs. 1 AO die Selbstanzeigeerklärung nicht nur Angaben zu den unverjährten Steuerhinterziehungen erfordert. Soll eine solche strafrechtlich unverjährte Steuerhinterziehung angezeigt werden, bedarf es zusätzlich mindestens auch der Selbstanzeige zu allen Steuerstraftaten dieser Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre, selbst wenn sie strafrechtlich schon verjährt sind (vgl. Rz. 109ff.).

2.2.2.2 Tatbeteiligung des Selbstanzeigenden

 

Rz. 51

Die Anwartschaft auf Straffreiheit wird nach § 371 Abs. 1 AO für denjenigen begründet, der in den Fällen des § 370 AO die Selbstanzeigeerklärung abgibt. Die Selbstanzeige setzt die Beteiligung des Anzeigenden an der verübten Steuerhinterziehung voraus. Unerheblich ist, ob diese zu eigenen oder fremden Gunsten erfolgt ist, ob es sich bei dem Anzeigenden um den (Mit-)Täter oder um einen Anstifter oder Gehilfen handelt und ob der Tatbeteiligte selbst Steuerschuldner ist oder lediglich gem. § 71 AO aufgrund seiner Tatbeteiligung für die verkürzte Steuer haftet.[1] Letzteres wirkt sich lediglich im Rahmen der Nachzahlungsverpflichtung gem. § 371 Abs. 3 AO aus (Rz. 312ff.).

Ein nicht an der Tat Beteiligter ist selbstverständlich auch ohne Abgabe einer Selbstanzeige straffrei. Gibt er eine "Selbstanzeige" ab und handelt er dabei nicht für einen Tatbeteiligten (Rz. 51), so handelt es sich um eine strafrechtliche Anzeige i. S. v. § 158 Abs. 1 StPO, die eine Strafverfolgung des Tatbeteiligten nur im Fall des § 371 Abs. 4 AO hindert (Rz. 436ff.).

[1] BGH v. 3.6.1954, 3 StR 302/53, BGHSt 7, 336; Schauf, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 59. Lfg. 11/17, § 371 AO Rz. 81.

2.2.2.3 Erklärung des Selbstanzeigenden

2.2.2.3.1 Persönlicher Wirkungsbereich

 

Rz. 52

Die Anwartschaft auf Straffreiheit erlangt nach § 371 Abs. 1 AO, "wer" berichtigt, ergänzt oder nachholt. Sie entsteht also nur für die Person, die die Selbstanzeigeerklärung abgibt.[1] Sind noch weitere Personen an der Tat beteiligt gewesen, wirkt die Selbstanzeige des handelnden Tatbeteiligten nicht zugleich für sie. Weitere Tatbeteiligte bleiben somit strafbar.

 

Rz. 52a

Daraus ergibt sich für den Fall, dass im Rahmen einer Personengesellschaft im Hinblick auf die gemeinsam erzielten Einkünfte von mehreren Gesellschaftern vorsätzlich eine falsche Feststellungserklärung abgegeben wurde (vgl. Rz. 106), die Selbstanzeige auch von allen an der Tat Beteiligten abzugeben ist. Gibt hingegen nur ein Gesellscha...

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