2.1 Rechtsnatur der Fristsetzung

 

Rz. 8

§ 364b AO erlaubt es der Finanzbehörde, für die Aufforderung des Einspruchsführers zur Erfüllung bestimmter Mitwirkungshandlungen eine Frist mit Ausschlusswirkung zu setzen.

Die Vorschrift ist nicht die Rechtsgrundlage für die Aufforderung zur Mitwirkung, denn die Finanzbehörde ist hierzu bereits nach § 365 Abs. 1 AO i. V. m. §§ 90 Abs. 1, 93 AO befugt.[1] Sie berechtigt die Finanzbehörde vielmehr dazu, die Aufforderung mit einer Ausschlussfrist zu verbinden.[2]

 

Rz. 9

Es ist umstritten, ob diese Fristsetzung nach § 364b AO als Verwaltungsakt qualifiziert werden kann.

Bedeutsam ist die Beantwortung dieser Frage nach der Rechtsnatur der Fristsetzung insbesondere für die Bestimmung der Rechtsbehelfsmöglichkeiten, die gegen sie ergriffen werden können, und der Voraussetzungen, nach denen sie aufgehoben oder geändert werden können, sowie der Formvorschriften, die für sie zu beachten sind.

Der BFH hat die Frage bisher offen gelassen.[3] In Teilen der finanzgerichtlichen Rechtsprechung und von den wohl überwiegenden Stimmen in der Literatur wird die Fristsetzung zutreffend als Verwaltungsakt eingeordnet.[4]

Teilweise wird die Auffassung vertreten, die Fristsetzung sei nicht als Verwaltungsakt einzuordnen, weil mit ihr keine eigenständige Regelung getroffen werde.[5] Diese Auffassung überzeugt jedoch nicht.

Die Setzung der Frist stellt eine Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls dar, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist, und ist damit nach § 118 Abs. 1 AO ein Verwaltungsakt. Sie bewirkt, dass der Einspruchsführer im Fall der Säumnis im weiteren Einspruchsverfahren mit seinem Vorbringen ausgeschlossen ist.[6] Damit ist die Rechtsposition des Einspruchsführers – wie es Birkenfeld[7] treffend formuliert – nach ihrer Bekanntgabe eine andere als vorher.

Rz. 10–12 einstweilen frei

[1] So zutreffend Jesse, Einspruch und Klage im Steuerrecht, 4. Aufl. 2017, Rz. 637; Bartone, in Gosch, AO/FGO, § 364b AO Rz. 17.
[2] Seer, in TIpke/Kruse, AO/FGO, § 364b AO Rz. 8.
[4] FG Köln v. 19.6.2002, 5 K 1875/00, n. v.; wohl auch FG Köln v. 9.2.2012, 15 K 3613/11, EFG 2012, 1231; Birnbaum, in BeckOK AO, § 364b AO Rz. 68; Birkenfeld, in HHSp, AO/FGO, § 364b AO Rz. 96; Koenig/Cöster, AO, 4. Aufl. 2021, § 364b Rz. 25; Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 364b AO Rz. 26; Klein/Rätke, AO, 16. Aufl. 2022, § 364b Rz. 27; Hardtke, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 22. Aufl. 2018, § 364b AO Rz. 13; Jesse, Einspruch und Klage im Steuerrecht, 4. Aufl. 2017, Rz. 638.
[6] Ähnlich Koenig/Cöster, AO, 4. Aufl. 2021, § 364b Rz. 25: "der Regelungscharakter liegt in der die Präklusion vorbereitenden Wirkung".
[7] In HHSp, AO/FGO, § 364b AO Rz. 96.

2.2 Fristsetzung als Ermessensentscheidung

 

Rz. 13

Nach § 364b Abs. 1 AO "kann" die Finanzbehörde dem Einspruchsführer eine Ausschlussfrist setzen. Bei der Fristsetzung handelt es sich somit um eine Ermessensentscheidung.[1]

 

Rz. 14

Die Finanzbehörde hat ihr Ermessen nach § 5 AO insbesondere entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben.

Sie hat daher zu prüfen, ob durch das Verhalten des Einspruchsführers die Gefahr einer Verfahrensverzögerung besteht, der Einspruch also nicht des Rechtschutzes wegen, sondern zu sachfremden Zwecken eingelegt worden ist, etwa mit dem Ziel des Zeitgewinns.[2]

Davon wird man ausgehen können, wenn der Einspruchsführer einen Einspruch einlegt und ihn ohne sachlichen Grund nicht zeitnah begründet.[3] Zunächst sollte der Einspruchsführer grds. unter Setzung einer einfachen Frist zur Mitwirkung aufgefordert werden. Setzt die Finanzbehörde sofort nach Eingang eines unbegründeten Einspruchs eine Ausschlussfrist nach § 364b AO, wird dies regelmäßig ermessenswidrig sein.[4]

Allerdings darf auch das bisherige Verhalten des Einspruchsführers im Besteuerungsverfahren für die Beurteilung seiner Missbrauchs- und Verzögerungsabsicht berücksichtigt werden. So etwa, wenn der Einspruchsführer seiner Pflicht, Steuererklärungen abzugeben, ständig erst im Einspruchs- oder Klageverfahren gegen die Steuerfestsetzung aufgrund geschätzter Besteuerungsgrundlagen nachkommt. In einem solchen Fall ist die sofortige Setzung der Ausschlussfrist m. E. nicht ermessensfehlerhaft.[5] Die Finanzbehörde ist bei der Fristsetzung nicht auf solche Fälle beschränkt, in denen eine besondere Eilbedürftigkeit besteht, eine besonders hohe Steuerauswirkung zu erwarten ist oder in denen der Stpfl. wiederholt keine Steuererklärungen abgegeben hat.[6]

Umgekehrt besteht vor dem Erlass der Teileinspruchsentscheidung keine Pflicht für die Finanzbehörde zur Setzung einer Ausschlussfrist nach § 364b Abs. 1 AO. Eine Ermessensreduzierung auf Null besteht insoweit nicht.[7]

 

Rz. 15

Teilweise wird die Auffassung vertreten, die Fristsetzung sei ermessensfehlerhaft, wenn die Finanzbehörde nicht in der Lage ...

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